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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der verfasfiingsstreit i" Pleitßen

"ut wenn die preußische Regierung unter den jetzigen Umständen dazu geneigt
sein sollte, so werden wir einer solchen Neigung entschieden entgegentreten
müssen, meine ich, weil wir die jetzigen Zustände nicht als solche betrachte"
können, unter denen unter irgend welchen Umstände" ein glückliches Resultat
des Krieges und el"e glückliche definitive Lösung dieses Streites zu erwarten
wäre." Bismarck sagte in seiner Antwort unter anderm: "Der Herr Vorredner
hat Dänemark darüber zu beruhigen versucht, daß es einen Krieg in diesem
Augenblicke von Preußen unter unsern nach innen und außen zerrütteten Ver¬
hältnissen nicht zu erwarten habe. Zum Glück ist man im Auslande nicht
ebenso leichtgläubig, und ich kann Sie versichern und das Ausland versichern,
wenn wir es nötig finden, Krieg zu führen, so werden wir ihn führen, mit
oder ohne Ihr Gutheißen." Die Entgegnung des Abgeordneten Löwe schloß
mit den Worten: ,,Jch behaupte, daß die Pflicht dieses Hauses dahin geht,
diesem Ministerium uicht bloß wegen seiner verwerflichen Grundsätze, nicht
blos; wegen seiner Tendenz die Mittel zu versagen, sondern besonders deshalb,
weil dieses Ministerium einen so außerordentlichen Mangel an staatsmännischer
Geschicklichkeit nud Einsicht, an Kenntnis der wirklichen Verhältnisse des Staates,
besonders aber der wirklichen Machtmittel dieses Staates gezeigt hat, daß wir
ihm keine neuen Mittel, so weit wir es verhindern können, in die Hände geben
dürfen, weil wir die Mittel, die wir ihm in die Hände geben, als verwüstet
betrachten. In diesem Sinne verwahren Nur uns gegen diese Erklärung des
Herrn Ministerpräsidenten, welche die parlamentarische Sitte mich hindert näher
M aualifiziren, daß man einen Krieg führen wird ohne die Zustimmung der
Volksvertretung. Beginnen kann man ihn, aber diese Männer werden niemals
die Geschicke der Nation in Händen haben, wenn die Nation mit ihrem Blute
dafür einstehen muß; dann ist der Augenblick gekommen, wo sie diese Sitze,
die sie im Rate der Nation immer freiwillig räumen, sobald große Angelegen¬
heiten verhandelt werden, auf immer räumen werden."

Die gesamte "liberale" Presse erhob über diese Vorgänge im Landtage
einen ungeheuern Lärm. Doch wurde nicht etwa Entrüstung geäußert gegen
die unpatriotischen Männer, die so schmachvoll ihr eignes Vaterland beschimpften
und vor dem Auslande herabzuwürdigen strebten, sondern gegen den Minister-
Präsidenten, der angeblich den krasseste" Absolutismus, die schrankenloseste
Willkürherrschaft verteidigte.

Art. 78 der Verfassung lautet: "Der König hat das Recht, Krieg zu er¬
klären und Frieden zu schließen, auch andre Verträge mit fremden Regierungen
zu errichten. Letztere bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Zustimmung der Kammern,
sofern es Handelsverträge sind, oder wenn dadurch dem Staate Lasten oder
einzelnen Staatsbiirgeru Verpflichtungen auferlegt werde"." Wenn Bismarck
also das Recht des Königs, allein über Krieg und Frieden zu entscheiden, be¬
hauptete, so stand er damit vollständig ans dein Boden der Persassnng, die


Der verfasfiingsstreit i» Pleitßen

»ut wenn die preußische Regierung unter den jetzigen Umständen dazu geneigt
sein sollte, so werden wir einer solchen Neigung entschieden entgegentreten
müssen, meine ich, weil wir die jetzigen Zustände nicht als solche betrachte»
können, unter denen unter irgend welchen Umstände» ein glückliches Resultat
des Krieges und el»e glückliche definitive Lösung dieses Streites zu erwarten
wäre." Bismarck sagte in seiner Antwort unter anderm: „Der Herr Vorredner
hat Dänemark darüber zu beruhigen versucht, daß es einen Krieg in diesem
Augenblicke von Preußen unter unsern nach innen und außen zerrütteten Ver¬
hältnissen nicht zu erwarten habe. Zum Glück ist man im Auslande nicht
ebenso leichtgläubig, und ich kann Sie versichern und das Ausland versichern,
wenn wir es nötig finden, Krieg zu führen, so werden wir ihn führen, mit
oder ohne Ihr Gutheißen." Die Entgegnung des Abgeordneten Löwe schloß
mit den Worten: ,,Jch behaupte, daß die Pflicht dieses Hauses dahin geht,
diesem Ministerium uicht bloß wegen seiner verwerflichen Grundsätze, nicht
blos; wegen seiner Tendenz die Mittel zu versagen, sondern besonders deshalb,
weil dieses Ministerium einen so außerordentlichen Mangel an staatsmännischer
Geschicklichkeit nud Einsicht, an Kenntnis der wirklichen Verhältnisse des Staates,
besonders aber der wirklichen Machtmittel dieses Staates gezeigt hat, daß wir
ihm keine neuen Mittel, so weit wir es verhindern können, in die Hände geben
dürfen, weil wir die Mittel, die wir ihm in die Hände geben, als verwüstet
betrachten. In diesem Sinne verwahren Nur uns gegen diese Erklärung des
Herrn Ministerpräsidenten, welche die parlamentarische Sitte mich hindert näher
M aualifiziren, daß man einen Krieg führen wird ohne die Zustimmung der
Volksvertretung. Beginnen kann man ihn, aber diese Männer werden niemals
die Geschicke der Nation in Händen haben, wenn die Nation mit ihrem Blute
dafür einstehen muß; dann ist der Augenblick gekommen, wo sie diese Sitze,
die sie im Rate der Nation immer freiwillig räumen, sobald große Angelegen¬
heiten verhandelt werden, auf immer räumen werden."

Die gesamte „liberale" Presse erhob über diese Vorgänge im Landtage
einen ungeheuern Lärm. Doch wurde nicht etwa Entrüstung geäußert gegen
die unpatriotischen Männer, die so schmachvoll ihr eignes Vaterland beschimpften
und vor dem Auslande herabzuwürdigen strebten, sondern gegen den Minister-
Präsidenten, der angeblich den krasseste« Absolutismus, die schrankenloseste
Willkürherrschaft verteidigte.

Art. 78 der Verfassung lautet: „Der König hat das Recht, Krieg zu er¬
klären und Frieden zu schließen, auch andre Verträge mit fremden Regierungen
zu errichten. Letztere bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Zustimmung der Kammern,
sofern es Handelsverträge sind, oder wenn dadurch dem Staate Lasten oder
einzelnen Staatsbiirgeru Verpflichtungen auferlegt werde»." Wenn Bismarck
also das Recht des Königs, allein über Krieg und Frieden zu entscheiden, be¬
hauptete, so stand er damit vollständig ans dein Boden der Persassnng, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/507>, abgerufen am 22.12.2024.