Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Allerhand Sprachdummheiten

und Goethe sollten wir endlich so vernünftig sein, uns das von überhaupt
zu ersparen.

Eine wahre Schande ist der Unfug, der mit den Personennamen getrieben
wird, die auf s, x und z endigen. Ihre Anzahl.ist ja sehr groß: Fuchs, Boß,
Brockhaus, Hinrichs. Jördens, Carstens, Görres. Strauß, Dickens, Curtius,
Mylius, Cornelius, Felix, Max, Franz. Fritz, Moritz, Götz, Uz, Schütz,
Schwarz, Leibniz, Rochlitz, Lorenz. Pohlenz, nicht zu reden von den griechischen
und römischen Namen: Sophokles, Taeitus u. s. w., man hat also hinreichende
Gelegenheit, sich über den Unfug zu ärgern. Welche Mätzchen werden gemacht,
>un den Genetiv dieser Namen zu bilden! Bei den griechischen und römischen
hilft man sich damit, daß man den Artikel vorsetzt: die Tragödien des So¬
phokles, die vsrwWig. des Taeitus. Man ist ans seiner Schulzeit an
diese Genetive so gewöhnt, daß man gar nichts Anstößiges mehr daran findet,
obwohl man das Anstößige sofort empfinden würde, wenn jemand schriebe:
die Gedichte des Goethe; der Bischer, der Makart -- das sind österreichische
"ut süddeutsche Provinzialismen, die nicht in die Schriftsprache gehören. In
wnstgeschichtlichen Werken und Aufsätzen immer von Zeichnungen des Carstens
und Entwürfen des Cornelius lesen zu müssen, ist doch zu greulich. Manche
setzen nun, als ob gar keine Schwierigkeit vorläge, an alle solche Namen
fröhlich das Genetiv-s, natürlich mit dem unvermeidlichen Apostroph vorher
-- an dein die Menschheit überhaupt eine kindische Freude hat --. also:
Hnrrns's Grabstein in der Thomaskirche, Kurfürst Moritz's Verdienste um
Leipzig, Leibniz's ägyptischer Plan. Gabriel Max's Illustrationen zu Uhlands
(oder vielmehr Uhland's) Gedichten. Das wäre wohl nicht glaublich? O, meine
Beispiele sind alle gesammelt, es ist kein einziges erfunden. Noch andre
^ und das ist das beliebteste und das, was geradezu in Grammatiker gelehrt,
in Druckereien befolgt und offenbar jetzt auch in der Schule vorgeschrieben
wird -- bilden den Genetiv solcher Namen, indem sie ein Apostroph (aber
weiter nichts!) dahintersetzen, also: Celtes' Ausgabe der Roswitha, Junius'
Briefe. Uz' Gedichte. Boß' Luise. Heinrich Schütz' sämtliche Werte,
Rochlitz' Briefwechsel mit Goethe n. s. w. Sollten wir uns nicht ob dieser
kläglichen Hilflosigkeit vor dem Ausländer schämen, der Deutsch lernen will?
Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem Ausländer einzureden, daß im
Deutschen ein oasu" odliMus gebildet werden könne, indem man ein Häkchen
hinter das Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem Papiere da ist, nur
fürs Auge? Deun wie klingt deun das Apostroph? Kann mans hören?
Spreche es doch einer! Soll man vielleicht den Mund eine Weile aufsperren?
oder einmal husten oder niesen? Irgend etwas muß doch geschehen, um das
Apostroph für das Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen Leibniz
und Leibniz'. zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genetiv, gar
kein Unterschied. nachdenklichen Setzern will denn mich die Sache gar nicht


Allerhand Sprachdummheiten

und Goethe sollten wir endlich so vernünftig sein, uns das von überhaupt
zu ersparen.

Eine wahre Schande ist der Unfug, der mit den Personennamen getrieben
wird, die auf s, x und z endigen. Ihre Anzahl.ist ja sehr groß: Fuchs, Boß,
Brockhaus, Hinrichs. Jördens, Carstens, Görres. Strauß, Dickens, Curtius,
Mylius, Cornelius, Felix, Max, Franz. Fritz, Moritz, Götz, Uz, Schütz,
Schwarz, Leibniz, Rochlitz, Lorenz. Pohlenz, nicht zu reden von den griechischen
und römischen Namen: Sophokles, Taeitus u. s. w., man hat also hinreichende
Gelegenheit, sich über den Unfug zu ärgern. Welche Mätzchen werden gemacht,
>un den Genetiv dieser Namen zu bilden! Bei den griechischen und römischen
hilft man sich damit, daß man den Artikel vorsetzt: die Tragödien des So¬
phokles, die vsrwWig. des Taeitus. Man ist ans seiner Schulzeit an
diese Genetive so gewöhnt, daß man gar nichts Anstößiges mehr daran findet,
obwohl man das Anstößige sofort empfinden würde, wenn jemand schriebe:
die Gedichte des Goethe; der Bischer, der Makart — das sind österreichische
»ut süddeutsche Provinzialismen, die nicht in die Schriftsprache gehören. In
wnstgeschichtlichen Werken und Aufsätzen immer von Zeichnungen des Carstens
und Entwürfen des Cornelius lesen zu müssen, ist doch zu greulich. Manche
setzen nun, als ob gar keine Schwierigkeit vorläge, an alle solche Namen
fröhlich das Genetiv-s, natürlich mit dem unvermeidlichen Apostroph vorher
— an dein die Menschheit überhaupt eine kindische Freude hat —. also:
Hnrrns's Grabstein in der Thomaskirche, Kurfürst Moritz's Verdienste um
Leipzig, Leibniz's ägyptischer Plan. Gabriel Max's Illustrationen zu Uhlands
(oder vielmehr Uhland's) Gedichten. Das wäre wohl nicht glaublich? O, meine
Beispiele sind alle gesammelt, es ist kein einziges erfunden. Noch andre
^ und das ist das beliebteste und das, was geradezu in Grammatiker gelehrt,
in Druckereien befolgt und offenbar jetzt auch in der Schule vorgeschrieben
wird — bilden den Genetiv solcher Namen, indem sie ein Apostroph (aber
weiter nichts!) dahintersetzen, also: Celtes' Ausgabe der Roswitha, Junius'
Briefe. Uz' Gedichte. Boß' Luise. Heinrich Schütz' sämtliche Werte,
Rochlitz' Briefwechsel mit Goethe n. s. w. Sollten wir uns nicht ob dieser
kläglichen Hilflosigkeit vor dem Ausländer schämen, der Deutsch lernen will?
Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem Ausländer einzureden, daß im
Deutschen ein oasu« odliMus gebildet werden könne, indem man ein Häkchen
hinter das Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem Papiere da ist, nur
fürs Auge? Deun wie klingt deun das Apostroph? Kann mans hören?
Spreche es doch einer! Soll man vielleicht den Mund eine Weile aufsperren?
oder einmal husten oder niesen? Irgend etwas muß doch geschehen, um das
Apostroph für das Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen Leibniz
und Leibniz'. zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genetiv, gar
kein Unterschied. nachdenklichen Setzern will denn mich die Sache gar nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206484"/>
          <fw type="header" place="top"> Allerhand Sprachdummheiten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1642" prev="#ID_1641"> und Goethe sollten wir endlich so vernünftig sein, uns das von überhaupt<lb/>
zu ersparen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1643" next="#ID_1644"> Eine wahre Schande ist der Unfug, der mit den Personennamen getrieben<lb/>
wird, die auf s, x und z endigen. Ihre Anzahl.ist ja sehr groß: Fuchs, Boß,<lb/>
Brockhaus, Hinrichs. Jördens, Carstens, Görres. Strauß, Dickens, Curtius,<lb/>
Mylius, Cornelius, Felix, Max, Franz. Fritz, Moritz, Götz, Uz, Schütz,<lb/>
Schwarz, Leibniz, Rochlitz, Lorenz. Pohlenz, nicht zu reden von den griechischen<lb/>
und römischen Namen: Sophokles, Taeitus u. s. w., man hat also hinreichende<lb/>
Gelegenheit, sich über den Unfug zu ärgern. Welche Mätzchen werden gemacht,<lb/>
&gt;un den Genetiv dieser Namen zu bilden! Bei den griechischen und römischen<lb/>
hilft man sich damit, daß man den Artikel vorsetzt: die Tragödien des So¬<lb/>
phokles, die vsrwWig. des Taeitus. Man ist ans seiner Schulzeit an<lb/>
diese Genetive so gewöhnt, daß man gar nichts Anstößiges mehr daran findet,<lb/>
obwohl man das Anstößige sofort empfinden würde, wenn jemand schriebe:<lb/>
die Gedichte des Goethe; der Bischer, der Makart &#x2014; das sind österreichische<lb/>
»ut süddeutsche Provinzialismen, die nicht in die Schriftsprache gehören. In<lb/>
wnstgeschichtlichen Werken und Aufsätzen immer von Zeichnungen des Carstens<lb/>
und Entwürfen des Cornelius lesen zu müssen, ist doch zu greulich. Manche<lb/>
setzen nun, als ob gar keine Schwierigkeit vorläge, an alle solche Namen<lb/>
fröhlich das Genetiv-s, natürlich mit dem unvermeidlichen Apostroph vorher<lb/>
&#x2014; an dein die Menschheit überhaupt eine kindische Freude hat &#x2014;. also:<lb/>
Hnrrns's Grabstein in der Thomaskirche, Kurfürst Moritz's Verdienste um<lb/>
Leipzig, Leibniz's ägyptischer Plan. Gabriel Max's Illustrationen zu Uhlands<lb/>
(oder vielmehr Uhland's) Gedichten. Das wäre wohl nicht glaublich? O, meine<lb/>
Beispiele sind alle gesammelt, es ist kein einziges erfunden. Noch andre<lb/>
^ und das ist das beliebteste und das, was geradezu in Grammatiker gelehrt,<lb/>
in Druckereien befolgt und offenbar jetzt auch in der Schule vorgeschrieben<lb/>
wird &#x2014; bilden den Genetiv solcher Namen, indem sie ein Apostroph (aber<lb/>
weiter nichts!) dahintersetzen, also: Celtes' Ausgabe der Roswitha, Junius'<lb/>
Briefe. Uz' Gedichte. Boß' Luise. Heinrich Schütz' sämtliche Werte,<lb/>
Rochlitz' Briefwechsel mit Goethe n. s. w. Sollten wir uns nicht ob dieser<lb/>
kläglichen Hilflosigkeit vor dem Ausländer schämen, der Deutsch lernen will?<lb/>
Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem Ausländer einzureden, daß im<lb/>
Deutschen ein oasu« odliMus gebildet werden könne, indem man ein Häkchen<lb/>
hinter das Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem Papiere da ist, nur<lb/>
fürs Auge? Deun wie klingt deun das Apostroph? Kann mans hören?<lb/>
Spreche es doch einer! Soll man vielleicht den Mund eine Weile aufsperren?<lb/>
oder einmal husten oder niesen? Irgend etwas muß doch geschehen, um das<lb/>
Apostroph für das Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen Leibniz<lb/>
und Leibniz'. zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genetiv, gar<lb/>
kein Unterschied.  nachdenklichen Setzern will denn mich die Sache gar nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485] Allerhand Sprachdummheiten und Goethe sollten wir endlich so vernünftig sein, uns das von überhaupt zu ersparen. Eine wahre Schande ist der Unfug, der mit den Personennamen getrieben wird, die auf s, x und z endigen. Ihre Anzahl.ist ja sehr groß: Fuchs, Boß, Brockhaus, Hinrichs. Jördens, Carstens, Görres. Strauß, Dickens, Curtius, Mylius, Cornelius, Felix, Max, Franz. Fritz, Moritz, Götz, Uz, Schütz, Schwarz, Leibniz, Rochlitz, Lorenz. Pohlenz, nicht zu reden von den griechischen und römischen Namen: Sophokles, Taeitus u. s. w., man hat also hinreichende Gelegenheit, sich über den Unfug zu ärgern. Welche Mätzchen werden gemacht, >un den Genetiv dieser Namen zu bilden! Bei den griechischen und römischen hilft man sich damit, daß man den Artikel vorsetzt: die Tragödien des So¬ phokles, die vsrwWig. des Taeitus. Man ist ans seiner Schulzeit an diese Genetive so gewöhnt, daß man gar nichts Anstößiges mehr daran findet, obwohl man das Anstößige sofort empfinden würde, wenn jemand schriebe: die Gedichte des Goethe; der Bischer, der Makart — das sind österreichische »ut süddeutsche Provinzialismen, die nicht in die Schriftsprache gehören. In wnstgeschichtlichen Werken und Aufsätzen immer von Zeichnungen des Carstens und Entwürfen des Cornelius lesen zu müssen, ist doch zu greulich. Manche setzen nun, als ob gar keine Schwierigkeit vorläge, an alle solche Namen fröhlich das Genetiv-s, natürlich mit dem unvermeidlichen Apostroph vorher — an dein die Menschheit überhaupt eine kindische Freude hat —. also: Hnrrns's Grabstein in der Thomaskirche, Kurfürst Moritz's Verdienste um Leipzig, Leibniz's ägyptischer Plan. Gabriel Max's Illustrationen zu Uhlands (oder vielmehr Uhland's) Gedichten. Das wäre wohl nicht glaublich? O, meine Beispiele sind alle gesammelt, es ist kein einziges erfunden. Noch andre ^ und das ist das beliebteste und das, was geradezu in Grammatiker gelehrt, in Druckereien befolgt und offenbar jetzt auch in der Schule vorgeschrieben wird — bilden den Genetiv solcher Namen, indem sie ein Apostroph (aber weiter nichts!) dahintersetzen, also: Celtes' Ausgabe der Roswitha, Junius' Briefe. Uz' Gedichte. Boß' Luise. Heinrich Schütz' sämtliche Werte, Rochlitz' Briefwechsel mit Goethe n. s. w. Sollten wir uns nicht ob dieser kläglichen Hilflosigkeit vor dem Ausländer schämen, der Deutsch lernen will? Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem Ausländer einzureden, daß im Deutschen ein oasu« odliMus gebildet werden könne, indem man ein Häkchen hinter das Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem Papiere da ist, nur fürs Auge? Deun wie klingt deun das Apostroph? Kann mans hören? Spreche es doch einer! Soll man vielleicht den Mund eine Weile aufsperren? oder einmal husten oder niesen? Irgend etwas muß doch geschehen, um das Apostroph für das Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen Leibniz und Leibniz'. zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genetiv, gar kein Unterschied. nachdenklichen Setzern will denn mich die Sache gar nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/485
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/485>, abgerufen am 02.07.2024.