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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Allerhand Sxrachdummheiten

in den Kopf. Daher kommt es, daß mein in Korrekturabzügen so oft von
Sophokle's Tragödie", Carsten's Werken und Dicken's Romanen lesen muß.
Eine gewisse Schwierigkeit ist nnn freilich da, und es fragt sich, wie man ihr ab¬
helfen soll. Die altere Sprache half sich bei deutschen Namen einfach dadurch,
daß sie -- übrigens ganz wie bei den Fraueunamen -- eine Mischform aus
schwacher und starker Deklination auf --eus bildete, also: Fuchsens,
Straußens, Schulzens, Fritzens, Götzens, Leibnizens, Maxens
(vgl. Luisens, Friederikens, Svphieens). Im Volksmunde sind diese
Formen auch heilte noch durchaus gäng und gäbe (ebenso wie die Dative und
Akkusative Fritzen, Sophieen), und es ist nicht einzusehen, warum sie nicht
auch heute noch vavierfähig sein sollten^). Verständige Schriftsteller, die vom
Tintendentsch zum Ohrendeutsch zurückkehre", brauchen sie denn auch allmählich
wieder; wenn sich nur mich die Schule herbeilassen wollte, sie wieder in
Gnaden anzunehmen! Unmöglich ist dieser Ausweg natürlich bei Namen, die
selbst Genetive sind, wie Carstens, Hinrichs (eigentlich Carstens Sohn,
Hinrichs Sohn); Carstensens scheint denn doch unerträglich. Aber auch
Phidiassens und Svvhvklessens, wiewohl auch solche Formen in der
Goethe-Schillerzeit unbedenklich gebildet wurden. Das beste ist es wohl, solchen
Formen ans dem Wege zu gehen, was bei einiger Geschicklichkeit so leicht aus¬
führbar ist, daß niemand einen Zwang merkt. Man kann den Namen in einen
ander" Kasus oder einen andern satzten bringen, statt des Genetivs sein,
seine, sein setzen, des Dichters, des Künstlers oder etwas dergleichen
einsetzen, aber nur nicht: die Zeichnungen des Carstens! Und noch weniger
Voß' Luise -- denn das ist baarer Unsinn.

(Fortsetzung folgt)





Diese schwache oder ans schwacher und starker gemischte Deklination der Eigenname"
war früher noch weiter verbreitet. Nicht bloß Schwarz und Schütz wurden deklinirt
Schwarzens, Schwarzen, Schützers, Schützen, auch von We et, Christ, Frank bildete
man Weckers, Wecken, Christens, Christen, Frankens, Franken. Daher kommt es,
daß man in antiquarischen Katalogen Christs bekanntes Buch "Anzeige und Auslegung der
NonoAr-nun-tenir" fortwährend unter dem falschen Namen Christen, Wents Beschreibung von
Dresden unter dem falschen Namen Wecken angeführt findet: ans dem Titelblatt steht
wirklich von Wecken, von Christen.
Allerhand Sxrachdummheiten

in den Kopf. Daher kommt es, daß mein in Korrekturabzügen so oft von
Sophokle's Tragödie», Carsten's Werken und Dicken's Romanen lesen muß.
Eine gewisse Schwierigkeit ist nnn freilich da, und es fragt sich, wie man ihr ab¬
helfen soll. Die altere Sprache half sich bei deutschen Namen einfach dadurch,
daß sie — übrigens ganz wie bei den Fraueunamen — eine Mischform aus
schwacher und starker Deklination auf —eus bildete, also: Fuchsens,
Straußens, Schulzens, Fritzens, Götzens, Leibnizens, Maxens
(vgl. Luisens, Friederikens, Svphieens). Im Volksmunde sind diese
Formen auch heilte noch durchaus gäng und gäbe (ebenso wie die Dative und
Akkusative Fritzen, Sophieen), und es ist nicht einzusehen, warum sie nicht
auch heute noch vavierfähig sein sollten^). Verständige Schriftsteller, die vom
Tintendentsch zum Ohrendeutsch zurückkehre», brauchen sie denn auch allmählich
wieder; wenn sich nur mich die Schule herbeilassen wollte, sie wieder in
Gnaden anzunehmen! Unmöglich ist dieser Ausweg natürlich bei Namen, die
selbst Genetive sind, wie Carstens, Hinrichs (eigentlich Carstens Sohn,
Hinrichs Sohn); Carstensens scheint denn doch unerträglich. Aber auch
Phidiassens und Svvhvklessens, wiewohl auch solche Formen in der
Goethe-Schillerzeit unbedenklich gebildet wurden. Das beste ist es wohl, solchen
Formen ans dem Wege zu gehen, was bei einiger Geschicklichkeit so leicht aus¬
führbar ist, daß niemand einen Zwang merkt. Man kann den Namen in einen
ander» Kasus oder einen andern satzten bringen, statt des Genetivs sein,
seine, sein setzen, des Dichters, des Künstlers oder etwas dergleichen
einsetzen, aber nur nicht: die Zeichnungen des Carstens! Und noch weniger
Voß' Luise — denn das ist baarer Unsinn.

(Fortsetzung folgt)





Diese schwache oder ans schwacher und starker gemischte Deklination der Eigenname»
war früher noch weiter verbreitet. Nicht bloß Schwarz und Schütz wurden deklinirt
Schwarzens, Schwarzen, Schützers, Schützen, auch von We et, Christ, Frank bildete
man Weckers, Wecken, Christens, Christen, Frankens, Franken. Daher kommt es,
daß man in antiquarischen Katalogen Christs bekanntes Buch „Anzeige und Auslegung der
NonoAr-nun-tenir" fortwährend unter dem falschen Namen Christen, Wents Beschreibung von
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wirklich von Wecken, von Christen.
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[0486] Allerhand Sxrachdummheiten in den Kopf. Daher kommt es, daß mein in Korrekturabzügen so oft von Sophokle's Tragödie», Carsten's Werken und Dicken's Romanen lesen muß. Eine gewisse Schwierigkeit ist nnn freilich da, und es fragt sich, wie man ihr ab¬ helfen soll. Die altere Sprache half sich bei deutschen Namen einfach dadurch, daß sie — übrigens ganz wie bei den Fraueunamen — eine Mischform aus schwacher und starker Deklination auf —eus bildete, also: Fuchsens, Straußens, Schulzens, Fritzens, Götzens, Leibnizens, Maxens (vgl. Luisens, Friederikens, Svphieens). Im Volksmunde sind diese Formen auch heilte noch durchaus gäng und gäbe (ebenso wie die Dative und Akkusative Fritzen, Sophieen), und es ist nicht einzusehen, warum sie nicht auch heute noch vavierfähig sein sollten^). Verständige Schriftsteller, die vom Tintendentsch zum Ohrendeutsch zurückkehre», brauchen sie denn auch allmählich wieder; wenn sich nur mich die Schule herbeilassen wollte, sie wieder in Gnaden anzunehmen! Unmöglich ist dieser Ausweg natürlich bei Namen, die selbst Genetive sind, wie Carstens, Hinrichs (eigentlich Carstens Sohn, Hinrichs Sohn); Carstensens scheint denn doch unerträglich. Aber auch Phidiassens und Svvhvklessens, wiewohl auch solche Formen in der Goethe-Schillerzeit unbedenklich gebildet wurden. Das beste ist es wohl, solchen Formen ans dem Wege zu gehen, was bei einiger Geschicklichkeit so leicht aus¬ führbar ist, daß niemand einen Zwang merkt. Man kann den Namen in einen ander» Kasus oder einen andern satzten bringen, statt des Genetivs sein, seine, sein setzen, des Dichters, des Künstlers oder etwas dergleichen einsetzen, aber nur nicht: die Zeichnungen des Carstens! Und noch weniger Voß' Luise — denn das ist baarer Unsinn. (Fortsetzung folgt) Diese schwache oder ans schwacher und starker gemischte Deklination der Eigenname» war früher noch weiter verbreitet. Nicht bloß Schwarz und Schütz wurden deklinirt Schwarzens, Schwarzen, Schützers, Schützen, auch von We et, Christ, Frank bildete man Weckers, Wecken, Christens, Christen, Frankens, Franken. Daher kommt es, daß man in antiquarischen Katalogen Christs bekanntes Buch „Anzeige und Auslegung der NonoAr-nun-tenir" fortwährend unter dem falschen Namen Christen, Wents Beschreibung von Dresden unter dem falschen Namen Wecken angeführt findet: ans dem Titelblatt steht wirklich von Wecken, von Christen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/486>, abgerufen am 02.07.2024.