Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Allerhand Sprachdummheiten wie Friedrich der Große seien eine Art von Formeln oder Siglen.die Vielfache Verlegenheit bereitet die Deklination adlicher Namen vteri solcher Allerhand Sprachdummheiten wie Friedrich der Große seien eine Art von Formeln oder Siglen.die Vielfache Verlegenheit bereitet die Deklination adlicher Namen vteri solcher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206483"/> <fw type="header" place="top"> Allerhand Sprachdummheiten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1640" prev="#ID_1639"> wie Friedrich der Große seien eine Art von Formeln oder Siglen.die<lb/> nur am Ende deklinirt zu werden brauchten! Auch wenn die Apposition eine<lb/> bloße Ordinalzahl ist — der häufigste Fall —, wird kaum noch anders ge¬<lb/> schrieben als: die Gegenreformation Rudolf II,, die Gemahlin Heinrich VIII.,<lb/> die Regierungszeit Ludwig XIV. Wenn man das aussprechen will, kann<lb/> man ja gar nicht anders lesen als: Rudolf zwei, Heinrich acht, Ludwig<lb/> vierzehn. Denn wie kann der Schreibende verlangen, daß man die Zahl<lb/> als Ordinalzahl im Genetiv lese, wenn nicht der Name, wozu sie gehört, im<lb/> Genetiv steht? Nun aber vollends wenn noch der Herrschertitel davortritt —<lb/> dann ist alle Weisheit zu Ende. Wie deklinirt man Herzog Ernst der<lb/> Fromme, Kaiser Friedrich der Dritte? Wie wenige wissen da noch Be¬<lb/> scheid! Wie wenige wissen, daß in solchen Fallen der Titel undeklinirt bleibt,<lb/> Name und Apposition deklinirt werden müssen, es also heißen muß: die<lb/> Truppen Kaiser Heinrichs IV., Kaiser Karls V. Angriff ans Algier,<lb/> das Denkmal König Friedrichs I., die pädagogischen Bestrebungen Herzog<lb/> Ernsts des Frommen, eine Urkunde Markgraf Ottos des Reichen, die<lb/> Krankheit Kaiser Friedrichs des Dritten! Täglich muß man das Falsche<lb/> lesen, und nicht bloß in der Tagespresse, anch in neu erschienenen Geschichts¬<lb/> werken „erster" Historiker!</p><lb/> <p xml:id="ID_1641" next="#ID_1642"> Vielfache Verlegenheit bereitet die Deklination adlicher Namen vteri solcher<lb/> Namen, die adlichen nachgebildet sind. Soll man sagen: die Gedichte Wolfram<lb/> von Eschenbachs oder Wolframs von Eschenbach? Richtig ist doch nur<lb/> das letztere, denn Eschenbach ist, wie alle echten Adelsnamen, ein Ortsname,<lb/> der die Herkunft bezeichnet; wie kann mau die in den Genetiv setzen wollen!<lb/> So muß es denn auch heißen: die Heimat Walthers von der Vogelweide,<lb/> die Burg Götzens von Berlichingen, die Gedichte Hoffmanns von Fal-<lb/> lersleben. Aber nun die unglückseligen unechten Ndelsnnmen, über die sich<lb/> schon Jakob Grimm lustig gemacht hat, diese vou Müller und von Schulze,<lb/> von Schmidt und von Weber, wie stehts mit denen? Soll man sagen:<lb/> Heinrichs von Kleist Michael Kohlhaas, Leopolds von Ranke Welt¬<lb/> geschichte? Streng genommen müßte es ja so heißen; warum behandelt man<lb/> Wörter, die alles, mir keinen Ort bezeichnen, als Ortsnamen, indem man ihnen das<lb/> sinnlose von vorsetzt! Im vorigen Jahrhundert war das Gefühl für die wahre<lb/> Bedeutung der adlichen Namen noch lebendig, da adelte man einen Peter<lb/> Hohmann nicht zum Peter von Hohmann, sondern zum Peter von Hohen-<lb/> thal, einen Ernst Kregel nicht zum Ernst von Kregel, sondern zum Ernst<lb/> Kregel vou Sternbach, indem man einen erdichteten Ortsnamen zum<lb/> Familiennamen hinzusetzte, in Osterreich verführt man großenteils noch hente<lb/> so. Aber da die falschen Adelsnamen nnn einmal massenhaft vorhanden sind, bleibt<lb/> wohl nichts weiter übrig, als bei ihnen das von zu behandeln, als ob es nicht<lb/> dawäre, und zu sagen Leopold von Rankes sämtliche Werke. Bei Schiller</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
Allerhand Sprachdummheiten
wie Friedrich der Große seien eine Art von Formeln oder Siglen.die
nur am Ende deklinirt zu werden brauchten! Auch wenn die Apposition eine
bloße Ordinalzahl ist — der häufigste Fall —, wird kaum noch anders ge¬
schrieben als: die Gegenreformation Rudolf II,, die Gemahlin Heinrich VIII.,
die Regierungszeit Ludwig XIV. Wenn man das aussprechen will, kann
man ja gar nicht anders lesen als: Rudolf zwei, Heinrich acht, Ludwig
vierzehn. Denn wie kann der Schreibende verlangen, daß man die Zahl
als Ordinalzahl im Genetiv lese, wenn nicht der Name, wozu sie gehört, im
Genetiv steht? Nun aber vollends wenn noch der Herrschertitel davortritt —
dann ist alle Weisheit zu Ende. Wie deklinirt man Herzog Ernst der
Fromme, Kaiser Friedrich der Dritte? Wie wenige wissen da noch Be¬
scheid! Wie wenige wissen, daß in solchen Fallen der Titel undeklinirt bleibt,
Name und Apposition deklinirt werden müssen, es also heißen muß: die
Truppen Kaiser Heinrichs IV., Kaiser Karls V. Angriff ans Algier,
das Denkmal König Friedrichs I., die pädagogischen Bestrebungen Herzog
Ernsts des Frommen, eine Urkunde Markgraf Ottos des Reichen, die
Krankheit Kaiser Friedrichs des Dritten! Täglich muß man das Falsche
lesen, und nicht bloß in der Tagespresse, anch in neu erschienenen Geschichts¬
werken „erster" Historiker!
Vielfache Verlegenheit bereitet die Deklination adlicher Namen vteri solcher
Namen, die adlichen nachgebildet sind. Soll man sagen: die Gedichte Wolfram
von Eschenbachs oder Wolframs von Eschenbach? Richtig ist doch nur
das letztere, denn Eschenbach ist, wie alle echten Adelsnamen, ein Ortsname,
der die Herkunft bezeichnet; wie kann mau die in den Genetiv setzen wollen!
So muß es denn auch heißen: die Heimat Walthers von der Vogelweide,
die Burg Götzens von Berlichingen, die Gedichte Hoffmanns von Fal-
lersleben. Aber nun die unglückseligen unechten Ndelsnnmen, über die sich
schon Jakob Grimm lustig gemacht hat, diese vou Müller und von Schulze,
von Schmidt und von Weber, wie stehts mit denen? Soll man sagen:
Heinrichs von Kleist Michael Kohlhaas, Leopolds von Ranke Welt¬
geschichte? Streng genommen müßte es ja so heißen; warum behandelt man
Wörter, die alles, mir keinen Ort bezeichnen, als Ortsnamen, indem man ihnen das
sinnlose von vorsetzt! Im vorigen Jahrhundert war das Gefühl für die wahre
Bedeutung der adlichen Namen noch lebendig, da adelte man einen Peter
Hohmann nicht zum Peter von Hohmann, sondern zum Peter von Hohen-
thal, einen Ernst Kregel nicht zum Ernst von Kregel, sondern zum Ernst
Kregel vou Sternbach, indem man einen erdichteten Ortsnamen zum
Familiennamen hinzusetzte, in Osterreich verführt man großenteils noch hente
so. Aber da die falschen Adelsnamen nnn einmal massenhaft vorhanden sind, bleibt
wohl nichts weiter übrig, als bei ihnen das von zu behandeln, als ob es nicht
dawäre, und zu sagen Leopold von Rankes sämtliche Werke. Bei Schiller
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |