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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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des verantwortlichen Redakteurs, die Thäterhaftuug. Zu diesem meines Tr¬
achtens gesetzwidrigen Ergebnis führt die von Gerland vertretene Auffassung,
und eben deshalb habe ich oben die Verschmelzung zweier verschiednen Arten von
Haftbarkeit zu einer einzigen als das charakteristische Merkmal derselben bezeichnet.

Nach der Darlegung des jetzt geltende!, Rechts wendet sich Gerland im
zweiten Teile seines Aufsatzes zu einer Beurteilung des theoretischen und
praktischen Wertes dieser Bestimmungen, und hierbei erst kommt er dazu, sich
gegen einzelne meiner Äußerungen und Ansichten zu wenden. Allein auch die
Art und Weise, wie dies geschieht, muß bei dem meines Buches unkundigen
Leser schiefe Vorstellungen über die Bedeutung jener Äußerungen und Ansichten
erwecken, Gerland sagt: "Es ist nun gewiß dem Verfasser darin Recht zu
geben, daß diese Bestimmungen eine Ausnahme von den allgemeinen Rechts¬
grundsätzen bilden, Bestreiter aber muß man die Ansicht des Verfassers, daß
diese Bestimmungen "die allgemeinen Prinzipien des Strafrechts aufs schroffste
verletzen, jeden Juristen zu revoltiren, ja das Rechtsgefühl schwer zu kranken
und den Wert des Preßgesetzes wesentlich in Frage zu stellen" geeignet seien."
Weiterhin heißt es: "Man braucht dabei nicht mit Loening an einen Nachklang
mittelalterlicher Haftpflicht für dritte Personen zu denken, die unserm heutigen
Strafrecht nicht mehr entsprechen würde, sondern es bringen dies eben die be¬
sondern Verhältnisse der Presse mit sich," Und gegen den Schluß: "Soll
den Gefahren der Presse wirksam begegnet werden, so bleibt nichts andres
übrig als die Verantwortlichkeit des Redakteurs, wie sie im Reichspreßgesetz
festgestellt ist."

Solche Bemerkungen, wie alles, was der Verfasser sonst noch zur Recht¬
fertigung unsers Gesetzes vorbringt, erwecken notwendig den Anschein, als ob
ich in meinem Buche den Inhalt des bestehenden Rechts, ohne die Bedürfnisse
des praktischen Lebens zu berücksichtigen, von einem einseitig theoretischen
Standpunkt aus bekämpft hätte, als ob die von mir angeführten Äußerungen
gegen die wissenschaftliche Berechtigung des geltenden Rechts gerichtet seien,
und als ob letzteres gegen solche Angriffe einer Verteidigung vom praktischen
Standpunkt aus bedürfe. Es wird mit andern Worten hierdurch der Schein
erweckt, als ob unsre Meinungsverschiedenheit sich lediglich auf dem Gebiete
der Kritik und der Wertschätzung des geltenden Rechts bewege. Und dies
umsomehr, als der Verfasser zu Beginn wie zum Schlüsse seines Aufsatzes
den Grund unsrer Meinungsverschiedenheit darin findet, daß ich den rein
wissenschaftlichen Maßstab anlegte, während er sich aus den Boden der Praxis
stelle, daß er von meinen "nach den Grundsätzen der reinen Theorie gewiß
unanfechtbaren Ansichten doch zu Gunsten der Praxis mehrfach abweiche."
Einen solchen Gegensatz zwischen theoretischen, und praktischem Standpunkt
giebt es nur, wenn es sich um die Kritik eiues Gesetzes oder um Vorschlüge
">v ik!>>! im'önäa, uicht aber wenn es sich um die Feststellung des Inhalts


des verantwortlichen Redakteurs, die Thäterhaftuug. Zu diesem meines Tr¬
achtens gesetzwidrigen Ergebnis führt die von Gerland vertretene Auffassung,
und eben deshalb habe ich oben die Verschmelzung zweier verschiednen Arten von
Haftbarkeit zu einer einzigen als das charakteristische Merkmal derselben bezeichnet.

Nach der Darlegung des jetzt geltende!, Rechts wendet sich Gerland im
zweiten Teile seines Aufsatzes zu einer Beurteilung des theoretischen und
praktischen Wertes dieser Bestimmungen, und hierbei erst kommt er dazu, sich
gegen einzelne meiner Äußerungen und Ansichten zu wenden. Allein auch die
Art und Weise, wie dies geschieht, muß bei dem meines Buches unkundigen
Leser schiefe Vorstellungen über die Bedeutung jener Äußerungen und Ansichten
erwecken, Gerland sagt: „Es ist nun gewiß dem Verfasser darin Recht zu
geben, daß diese Bestimmungen eine Ausnahme von den allgemeinen Rechts¬
grundsätzen bilden, Bestreiter aber muß man die Ansicht des Verfassers, daß
diese Bestimmungen »die allgemeinen Prinzipien des Strafrechts aufs schroffste
verletzen, jeden Juristen zu revoltiren, ja das Rechtsgefühl schwer zu kranken
und den Wert des Preßgesetzes wesentlich in Frage zu stellen« geeignet seien."
Weiterhin heißt es: „Man braucht dabei nicht mit Loening an einen Nachklang
mittelalterlicher Haftpflicht für dritte Personen zu denken, die unserm heutigen
Strafrecht nicht mehr entsprechen würde, sondern es bringen dies eben die be¬
sondern Verhältnisse der Presse mit sich," Und gegen den Schluß: „Soll
den Gefahren der Presse wirksam begegnet werden, so bleibt nichts andres
übrig als die Verantwortlichkeit des Redakteurs, wie sie im Reichspreßgesetz
festgestellt ist."

Solche Bemerkungen, wie alles, was der Verfasser sonst noch zur Recht¬
fertigung unsers Gesetzes vorbringt, erwecken notwendig den Anschein, als ob
ich in meinem Buche den Inhalt des bestehenden Rechts, ohne die Bedürfnisse
des praktischen Lebens zu berücksichtigen, von einem einseitig theoretischen
Standpunkt aus bekämpft hätte, als ob die von mir angeführten Äußerungen
gegen die wissenschaftliche Berechtigung des geltenden Rechts gerichtet seien,
und als ob letzteres gegen solche Angriffe einer Verteidigung vom praktischen
Standpunkt aus bedürfe. Es wird mit andern Worten hierdurch der Schein
erweckt, als ob unsre Meinungsverschiedenheit sich lediglich auf dem Gebiete
der Kritik und der Wertschätzung des geltenden Rechts bewege. Und dies
umsomehr, als der Verfasser zu Beginn wie zum Schlüsse seines Aufsatzes
den Grund unsrer Meinungsverschiedenheit darin findet, daß ich den rein
wissenschaftlichen Maßstab anlegte, während er sich aus den Boden der Praxis
stelle, daß er von meinen „nach den Grundsätzen der reinen Theorie gewiß
unanfechtbaren Ansichten doch zu Gunsten der Praxis mehrfach abweiche."
Einen solchen Gegensatz zwischen theoretischen, und praktischem Standpunkt
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«>v ik!>>! im'önäa, uicht aber wenn es sich um die Feststellung des Inhalts


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[0455] des verantwortlichen Redakteurs, die Thäterhaftuug. Zu diesem meines Tr¬ achtens gesetzwidrigen Ergebnis führt die von Gerland vertretene Auffassung, und eben deshalb habe ich oben die Verschmelzung zweier verschiednen Arten von Haftbarkeit zu einer einzigen als das charakteristische Merkmal derselben bezeichnet. Nach der Darlegung des jetzt geltende!, Rechts wendet sich Gerland im zweiten Teile seines Aufsatzes zu einer Beurteilung des theoretischen und praktischen Wertes dieser Bestimmungen, und hierbei erst kommt er dazu, sich gegen einzelne meiner Äußerungen und Ansichten zu wenden. Allein auch die Art und Weise, wie dies geschieht, muß bei dem meines Buches unkundigen Leser schiefe Vorstellungen über die Bedeutung jener Äußerungen und Ansichten erwecken, Gerland sagt: „Es ist nun gewiß dem Verfasser darin Recht zu geben, daß diese Bestimmungen eine Ausnahme von den allgemeinen Rechts¬ grundsätzen bilden, Bestreiter aber muß man die Ansicht des Verfassers, daß diese Bestimmungen »die allgemeinen Prinzipien des Strafrechts aufs schroffste verletzen, jeden Juristen zu revoltiren, ja das Rechtsgefühl schwer zu kranken und den Wert des Preßgesetzes wesentlich in Frage zu stellen« geeignet seien." Weiterhin heißt es: „Man braucht dabei nicht mit Loening an einen Nachklang mittelalterlicher Haftpflicht für dritte Personen zu denken, die unserm heutigen Strafrecht nicht mehr entsprechen würde, sondern es bringen dies eben die be¬ sondern Verhältnisse der Presse mit sich," Und gegen den Schluß: „Soll den Gefahren der Presse wirksam begegnet werden, so bleibt nichts andres übrig als die Verantwortlichkeit des Redakteurs, wie sie im Reichspreßgesetz festgestellt ist." Solche Bemerkungen, wie alles, was der Verfasser sonst noch zur Recht¬ fertigung unsers Gesetzes vorbringt, erwecken notwendig den Anschein, als ob ich in meinem Buche den Inhalt des bestehenden Rechts, ohne die Bedürfnisse des praktischen Lebens zu berücksichtigen, von einem einseitig theoretischen Standpunkt aus bekämpft hätte, als ob die von mir angeführten Äußerungen gegen die wissenschaftliche Berechtigung des geltenden Rechts gerichtet seien, und als ob letzteres gegen solche Angriffe einer Verteidigung vom praktischen Standpunkt aus bedürfe. Es wird mit andern Worten hierdurch der Schein erweckt, als ob unsre Meinungsverschiedenheit sich lediglich auf dem Gebiete der Kritik und der Wertschätzung des geltenden Rechts bewege. Und dies umsomehr, als der Verfasser zu Beginn wie zum Schlüsse seines Aufsatzes den Grund unsrer Meinungsverschiedenheit darin findet, daß ich den rein wissenschaftlichen Maßstab anlegte, während er sich aus den Boden der Praxis stelle, daß er von meinen „nach den Grundsätzen der reinen Theorie gewiß unanfechtbaren Ansichten doch zu Gunsten der Praxis mehrfach abweiche." Einen solchen Gegensatz zwischen theoretischen, und praktischem Standpunkt giebt es nur, wenn es sich um die Kritik eiues Gesetzes oder um Vorschlüge «>v ik!>>! im'önäa, uicht aber wenn es sich um die Feststellung des Inhalts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/455>, abgerufen am 22.12.2024.