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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Nochmals die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Redakteurs

auf der Verletzung der besondern Rechtspflichten des verantwortlichen Redak¬
teurs beruht. Diese besondre Haftung, von der sich übrigens der Redakteur
(und zwar, wie ich dnrgethan zu haben glaube, inkonsequenter- und zweck¬
widrigerweise) durch den Nachweis des Verfassers oder Einsenders des straf¬
baren Artikels wieder frei machen kann, tritt dann ein, wenn der Redakteur
nicht Thäter oder Teilnehmer des in seinem Blatte verübten Verbrechens ist
(wenn also insbesondre bezüglich seiner Thäterschaft der oben erwähnte Gegen¬
beweis erbracht ist), wenn er aber die ihm obliegende, pflichtmäßige Sorgfalt
in der Überwachung des Inhalts seines Blattes nicht angewandt hat, und in¬
folge davon die strafbare Veröffentlichung zum Abdruck gekommen ist. Er wird
hier bestraft, nicht weil er das in seinem Blatt enthaltene Verbrechen selbst
begangen oder daran teilgenommen hätte, sondern weil er fahrlässigerweise und
entgegen seiner Redakteurpslicht dieses Verbrechen von einem andern in seinem
Blatte hat begehen lassen, mit andern Worten, weil er diese VerÜbung Von¬
seiten eines andern fahrlässiger- und rechtswidrigerweise nicht verhindert hat.
Denn die Nedakteurpflicht besteht eben gerade darin, den Inhalt des Blattes
zu überwachen und rechtswidrige Publikationen darin zu verhüten. Dazu ist
der Redakteur da, dazu wird er dem Staate genannt, und darauf ebeu bezieht
sich seine Verantwortlichkeit, deshalb heißt er "verantwortlich."

Wie nun das in solcher fahrlässigen Nichterfüllung der Redakteurpflichten
liegende Unrecht wesentlich verschieden ist von dem durch die strafbare Ver-
öffentlichung selbst begangenen vorsätzlichen Verbrechen (also z. B. von dem
dadurch verübten Landesverrat, Aufforderung zum Hochverrat, Gotteslästerung,
Beleidigung u. s. w.), so ist auch auf jenes eine von der Strafe des letztern
ganz verschiedne und zwar der Regel nach viel geringere Strafe gesetzt, eine
sogenannte Fahrlässigkeitsstrafe, die je nach der Beschaffenheit des Einzclfalls
und nach näherer Bestimmung des Richters entweder in Geldstrafe bis zu
tausend Mark oder in Haft bis zu sechs Wochen oder in Festungshaft oder
Gefängnis bis zu einem Jahre bestehen kann.

Niemals daher wird es nach dieser Auffassung vorkommen können, daß
ein Redakteur, der etwa sahrlüsstgerweise auf Reisen gegangen ist, ohne sür
Bestellung eines andern verantwortlichen Redakteurs Sorge getragen zu haben,
oder der die sorgfältige Prüfung der in sein Blatt aufgenommenen Artikel
unterlassen hat, wegen eines darin begangenen Landesverrats ins Zuchthaus
gesteckt wird. Wohl aber würde auch nach dieser Ansicht der Redakteur, der
die Prüfung unterlassen hat, weil er wußte, daß in den eingegangenen Bei¬
trägen eine landesverräterische Mitteilung oder eine hochverräterische Aufforde¬
rung enthalten ist, die er nicht hinden wollte, als Teilnehmer (Gehilfe) am
Landes- oder Hochverrat zu betrachten und demgemäß zu bestrafen sein.

Man sieht also, daß der Unterschied zwischen meiner und der von Ger-
trud vertretenen Ansicht im wesentlichen darauf hinausläuft, daß Gerland zwei


Nochmals die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Redakteurs

auf der Verletzung der besondern Rechtspflichten des verantwortlichen Redak¬
teurs beruht. Diese besondre Haftung, von der sich übrigens der Redakteur
(und zwar, wie ich dnrgethan zu haben glaube, inkonsequenter- und zweck¬
widrigerweise) durch den Nachweis des Verfassers oder Einsenders des straf¬
baren Artikels wieder frei machen kann, tritt dann ein, wenn der Redakteur
nicht Thäter oder Teilnehmer des in seinem Blatte verübten Verbrechens ist
(wenn also insbesondre bezüglich seiner Thäterschaft der oben erwähnte Gegen¬
beweis erbracht ist), wenn er aber die ihm obliegende, pflichtmäßige Sorgfalt
in der Überwachung des Inhalts seines Blattes nicht angewandt hat, und in¬
folge davon die strafbare Veröffentlichung zum Abdruck gekommen ist. Er wird
hier bestraft, nicht weil er das in seinem Blatt enthaltene Verbrechen selbst
begangen oder daran teilgenommen hätte, sondern weil er fahrlässigerweise und
entgegen seiner Redakteurpslicht dieses Verbrechen von einem andern in seinem
Blatte hat begehen lassen, mit andern Worten, weil er diese VerÜbung Von¬
seiten eines andern fahrlässiger- und rechtswidrigerweise nicht verhindert hat.
Denn die Nedakteurpflicht besteht eben gerade darin, den Inhalt des Blattes
zu überwachen und rechtswidrige Publikationen darin zu verhüten. Dazu ist
der Redakteur da, dazu wird er dem Staate genannt, und darauf ebeu bezieht
sich seine Verantwortlichkeit, deshalb heißt er „verantwortlich."

Wie nun das in solcher fahrlässigen Nichterfüllung der Redakteurpflichten
liegende Unrecht wesentlich verschieden ist von dem durch die strafbare Ver-
öffentlichung selbst begangenen vorsätzlichen Verbrechen (also z. B. von dem
dadurch verübten Landesverrat, Aufforderung zum Hochverrat, Gotteslästerung,
Beleidigung u. s. w.), so ist auch auf jenes eine von der Strafe des letztern
ganz verschiedne und zwar der Regel nach viel geringere Strafe gesetzt, eine
sogenannte Fahrlässigkeitsstrafe, die je nach der Beschaffenheit des Einzclfalls
und nach näherer Bestimmung des Richters entweder in Geldstrafe bis zu
tausend Mark oder in Haft bis zu sechs Wochen oder in Festungshaft oder
Gefängnis bis zu einem Jahre bestehen kann.

Niemals daher wird es nach dieser Auffassung vorkommen können, daß
ein Redakteur, der etwa sahrlüsstgerweise auf Reisen gegangen ist, ohne sür
Bestellung eines andern verantwortlichen Redakteurs Sorge getragen zu haben,
oder der die sorgfältige Prüfung der in sein Blatt aufgenommenen Artikel
unterlassen hat, wegen eines darin begangenen Landesverrats ins Zuchthaus
gesteckt wird. Wohl aber würde auch nach dieser Ansicht der Redakteur, der
die Prüfung unterlassen hat, weil er wußte, daß in den eingegangenen Bei¬
trägen eine landesverräterische Mitteilung oder eine hochverräterische Aufforde¬
rung enthalten ist, die er nicht hinden wollte, als Teilnehmer (Gehilfe) am
Landes- oder Hochverrat zu betrachten und demgemäß zu bestrafen sein.

Man sieht also, daß der Unterschied zwischen meiner und der von Ger-
trud vertretenen Ansicht im wesentlichen darauf hinausläuft, daß Gerland zwei


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[0453] Nochmals die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Redakteurs auf der Verletzung der besondern Rechtspflichten des verantwortlichen Redak¬ teurs beruht. Diese besondre Haftung, von der sich übrigens der Redakteur (und zwar, wie ich dnrgethan zu haben glaube, inkonsequenter- und zweck¬ widrigerweise) durch den Nachweis des Verfassers oder Einsenders des straf¬ baren Artikels wieder frei machen kann, tritt dann ein, wenn der Redakteur nicht Thäter oder Teilnehmer des in seinem Blatte verübten Verbrechens ist (wenn also insbesondre bezüglich seiner Thäterschaft der oben erwähnte Gegen¬ beweis erbracht ist), wenn er aber die ihm obliegende, pflichtmäßige Sorgfalt in der Überwachung des Inhalts seines Blattes nicht angewandt hat, und in¬ folge davon die strafbare Veröffentlichung zum Abdruck gekommen ist. Er wird hier bestraft, nicht weil er das in seinem Blatt enthaltene Verbrechen selbst begangen oder daran teilgenommen hätte, sondern weil er fahrlässigerweise und entgegen seiner Redakteurpslicht dieses Verbrechen von einem andern in seinem Blatte hat begehen lassen, mit andern Worten, weil er diese VerÜbung Von¬ seiten eines andern fahrlässiger- und rechtswidrigerweise nicht verhindert hat. Denn die Nedakteurpflicht besteht eben gerade darin, den Inhalt des Blattes zu überwachen und rechtswidrige Publikationen darin zu verhüten. Dazu ist der Redakteur da, dazu wird er dem Staate genannt, und darauf ebeu bezieht sich seine Verantwortlichkeit, deshalb heißt er „verantwortlich." Wie nun das in solcher fahrlässigen Nichterfüllung der Redakteurpflichten liegende Unrecht wesentlich verschieden ist von dem durch die strafbare Ver- öffentlichung selbst begangenen vorsätzlichen Verbrechen (also z. B. von dem dadurch verübten Landesverrat, Aufforderung zum Hochverrat, Gotteslästerung, Beleidigung u. s. w.), so ist auch auf jenes eine von der Strafe des letztern ganz verschiedne und zwar der Regel nach viel geringere Strafe gesetzt, eine sogenannte Fahrlässigkeitsstrafe, die je nach der Beschaffenheit des Einzclfalls und nach näherer Bestimmung des Richters entweder in Geldstrafe bis zu tausend Mark oder in Haft bis zu sechs Wochen oder in Festungshaft oder Gefängnis bis zu einem Jahre bestehen kann. Niemals daher wird es nach dieser Auffassung vorkommen können, daß ein Redakteur, der etwa sahrlüsstgerweise auf Reisen gegangen ist, ohne sür Bestellung eines andern verantwortlichen Redakteurs Sorge getragen zu haben, oder der die sorgfältige Prüfung der in sein Blatt aufgenommenen Artikel unterlassen hat, wegen eines darin begangenen Landesverrats ins Zuchthaus gesteckt wird. Wohl aber würde auch nach dieser Ansicht der Redakteur, der die Prüfung unterlassen hat, weil er wußte, daß in den eingegangenen Bei¬ trägen eine landesverräterische Mitteilung oder eine hochverräterische Aufforde¬ rung enthalten ist, die er nicht hinden wollte, als Teilnehmer (Gehilfe) am Landes- oder Hochverrat zu betrachten und demgemäß zu bestrafen sein. Man sieht also, daß der Unterschied zwischen meiner und der von Ger- trud vertretenen Ansicht im wesentlichen darauf hinausläuft, daß Gerland zwei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/453>, abgerufen am 02.07.2024.