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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Revolution in Brasilien

Erschütterung komme!, zu sollen. Aber sehr bald wurde man mit Schrecken
gewahr, wie die Schwarzen künftig ihre Freiheit zu benutzen gedachten. Nach¬
dem die Ernte eingebracht war, zogen die freigelassenen Sklaven in Scharen
ans den Pflanzungen ab und ergaben sich, so lange sie Geld hatten, in den
Städten oder draußen als Landstreicher dem Nichtsthun, um dann wieder zu
arbeiten, bis der notdürftigste Lebensunterhalt für eine kurze Zeit Verdient war.
Die große Mehrzahl der ehemalige!! Sklavenbesitzer sah infolge dieser Tage-
dieberei den wirtschaftlichen Untergang vor sich. Sie erblickten in der Kron¬
prinzessin Jsabella und in deren Gemahl, den sie für den geistigen Urheber
der Maßregel anzusehen Ursache hatten, die Persönlichkeiten, denen sie ihr Un¬
glück zu danken hatten, und es lag nahe, daß sie davon zu der Vorstellung
gelangten, die Monarchie sei für ihren Schaden verantwortlich zu machen. Ihre
Unzufriedenheit näherte sie der republikanischen Partei, die bisher nnr in einigen
Städten und zwar besonders unter Angehörigen der gelehrten Stände, Stu¬
denten, Magistern und Zeitungsschreibern Anhänger gezählt, aber geringen Einfluß
gehabt hatte. Die Republikaner benutzten den Verdruß der Pflanzer über ihre
Notlage und deren Haß gegen die Urheber derselben vielfach mit größtem Eifer
und entsprechenden! Erfolge und brachten eine Wühlerei in Gang, wie sie das Land
bis dahin noch nicht erlebt hatte. Wanderprediger zogen im Lande herum,
empfahlen die Republik und gründeten Vereine zu deren Vorbereitung, die zahlreiche
Neitritte fanden. Gleichermaßen und mit ähnlichem Erfolge wurde die städtische
Bevölkerung bearbeitet. Besonders viel Zulauf wurde der Partei in den Pro¬
vinzen Rio Janeiro, Minas Geraes und San Paulo zu teil. Doch waren die Repu¬
blikaner bis gegen das Ende des vorigen Jahres noch keineswegs in der Überzahl,
und anderseits hatten die Monarchisten aus frei gewordenen Farbigen eine gu^rclci.
nugru gebildet, die zum Schutze desThroueS bestimmt war und die wiederholt gewalt¬
thätig gegen die Feinde desselben auftrat, dadurch aber, sowie durch ihre Begün-
stigung vonseiten des Ministeriums nur noch mehr böses Blut machte und die
Aussichten der von ihr verfolgten Partei verstärkte. Am W. Dezember 1888
wollte der Doktor silva Jardnn, der dieser angehörte, im Theater von Rio
Janeiro einen Vortrag halten, aber die schwarze Garde verhinderte ihn daran,
indem sie die Versammlung überfiel und verjagte, wobei mehrere Verwundungen
von Mitgliedern vorkamen und der Saal verwüstet wurde. Ähnlich erging
es eineiu andern Wühler für die republikanischen Zwecke. Nun machten die
Führer der Republikaner großen Lärm, klagten, die Regierung verletze ihre
Pflicht, sie in ihrer persönliche" Freiheit z" schützen, und beriefen eine Massen¬
versammlung, die Maßregeln zum Selbstschutze beraten sollte. Diese wurde
jedoch von der Behörde verboten. Darüber geriet dann die gesammte Tages-
presse der Hauptstadt in Jener und nahm sich mit Ausnahme des .Icmrng,! 6v
(ZoMmorvio der republikanischen Sache an. Mau gründete neue Blätter zur
Förderung dieser Bewegung und gewann schon bestehende dafür. Die Stil-


Die Revolution in Brasilien

Erschütterung komme!, zu sollen. Aber sehr bald wurde man mit Schrecken
gewahr, wie die Schwarzen künftig ihre Freiheit zu benutzen gedachten. Nach¬
dem die Ernte eingebracht war, zogen die freigelassenen Sklaven in Scharen
ans den Pflanzungen ab und ergaben sich, so lange sie Geld hatten, in den
Städten oder draußen als Landstreicher dem Nichtsthun, um dann wieder zu
arbeiten, bis der notdürftigste Lebensunterhalt für eine kurze Zeit Verdient war.
Die große Mehrzahl der ehemalige!! Sklavenbesitzer sah infolge dieser Tage-
dieberei den wirtschaftlichen Untergang vor sich. Sie erblickten in der Kron¬
prinzessin Jsabella und in deren Gemahl, den sie für den geistigen Urheber
der Maßregel anzusehen Ursache hatten, die Persönlichkeiten, denen sie ihr Un¬
glück zu danken hatten, und es lag nahe, daß sie davon zu der Vorstellung
gelangten, die Monarchie sei für ihren Schaden verantwortlich zu machen. Ihre
Unzufriedenheit näherte sie der republikanischen Partei, die bisher nnr in einigen
Städten und zwar besonders unter Angehörigen der gelehrten Stände, Stu¬
denten, Magistern und Zeitungsschreibern Anhänger gezählt, aber geringen Einfluß
gehabt hatte. Die Republikaner benutzten den Verdruß der Pflanzer über ihre
Notlage und deren Haß gegen die Urheber derselben vielfach mit größtem Eifer
und entsprechenden! Erfolge und brachten eine Wühlerei in Gang, wie sie das Land
bis dahin noch nicht erlebt hatte. Wanderprediger zogen im Lande herum,
empfahlen die Republik und gründeten Vereine zu deren Vorbereitung, die zahlreiche
Neitritte fanden. Gleichermaßen und mit ähnlichem Erfolge wurde die städtische
Bevölkerung bearbeitet. Besonders viel Zulauf wurde der Partei in den Pro¬
vinzen Rio Janeiro, Minas Geraes und San Paulo zu teil. Doch waren die Repu¬
blikaner bis gegen das Ende des vorigen Jahres noch keineswegs in der Überzahl,
und anderseits hatten die Monarchisten aus frei gewordenen Farbigen eine gu^rclci.
nugru gebildet, die zum Schutze desThroueS bestimmt war und die wiederholt gewalt¬
thätig gegen die Feinde desselben auftrat, dadurch aber, sowie durch ihre Begün-
stigung vonseiten des Ministeriums nur noch mehr böses Blut machte und die
Aussichten der von ihr verfolgten Partei verstärkte. Am W. Dezember 1888
wollte der Doktor silva Jardnn, der dieser angehörte, im Theater von Rio
Janeiro einen Vortrag halten, aber die schwarze Garde verhinderte ihn daran,
indem sie die Versammlung überfiel und verjagte, wobei mehrere Verwundungen
von Mitgliedern vorkamen und der Saal verwüstet wurde. Ähnlich erging
es eineiu andern Wühler für die republikanischen Zwecke. Nun machten die
Führer der Republikaner großen Lärm, klagten, die Regierung verletze ihre
Pflicht, sie in ihrer persönliche» Freiheit z» schützen, und beriefen eine Massen¬
versammlung, die Maßregeln zum Selbstschutze beraten sollte. Diese wurde
jedoch von der Behörde verboten. Darüber geriet dann die gesammte Tages-
presse der Hauptstadt in Jener und nahm sich mit Ausnahme des .Icmrng,! 6v
(ZoMmorvio der republikanischen Sache an. Mau gründete neue Blätter zur
Förderung dieser Bewegung und gewann schon bestehende dafür. Die Stil-


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[0438] Die Revolution in Brasilien Erschütterung komme!, zu sollen. Aber sehr bald wurde man mit Schrecken gewahr, wie die Schwarzen künftig ihre Freiheit zu benutzen gedachten. Nach¬ dem die Ernte eingebracht war, zogen die freigelassenen Sklaven in Scharen ans den Pflanzungen ab und ergaben sich, so lange sie Geld hatten, in den Städten oder draußen als Landstreicher dem Nichtsthun, um dann wieder zu arbeiten, bis der notdürftigste Lebensunterhalt für eine kurze Zeit Verdient war. Die große Mehrzahl der ehemalige!! Sklavenbesitzer sah infolge dieser Tage- dieberei den wirtschaftlichen Untergang vor sich. Sie erblickten in der Kron¬ prinzessin Jsabella und in deren Gemahl, den sie für den geistigen Urheber der Maßregel anzusehen Ursache hatten, die Persönlichkeiten, denen sie ihr Un¬ glück zu danken hatten, und es lag nahe, daß sie davon zu der Vorstellung gelangten, die Monarchie sei für ihren Schaden verantwortlich zu machen. Ihre Unzufriedenheit näherte sie der republikanischen Partei, die bisher nnr in einigen Städten und zwar besonders unter Angehörigen der gelehrten Stände, Stu¬ denten, Magistern und Zeitungsschreibern Anhänger gezählt, aber geringen Einfluß gehabt hatte. Die Republikaner benutzten den Verdruß der Pflanzer über ihre Notlage und deren Haß gegen die Urheber derselben vielfach mit größtem Eifer und entsprechenden! Erfolge und brachten eine Wühlerei in Gang, wie sie das Land bis dahin noch nicht erlebt hatte. Wanderprediger zogen im Lande herum, empfahlen die Republik und gründeten Vereine zu deren Vorbereitung, die zahlreiche Neitritte fanden. Gleichermaßen und mit ähnlichem Erfolge wurde die städtische Bevölkerung bearbeitet. Besonders viel Zulauf wurde der Partei in den Pro¬ vinzen Rio Janeiro, Minas Geraes und San Paulo zu teil. Doch waren die Repu¬ blikaner bis gegen das Ende des vorigen Jahres noch keineswegs in der Überzahl, und anderseits hatten die Monarchisten aus frei gewordenen Farbigen eine gu^rclci. nugru gebildet, die zum Schutze desThroueS bestimmt war und die wiederholt gewalt¬ thätig gegen die Feinde desselben auftrat, dadurch aber, sowie durch ihre Begün- stigung vonseiten des Ministeriums nur noch mehr böses Blut machte und die Aussichten der von ihr verfolgten Partei verstärkte. Am W. Dezember 1888 wollte der Doktor silva Jardnn, der dieser angehörte, im Theater von Rio Janeiro einen Vortrag halten, aber die schwarze Garde verhinderte ihn daran, indem sie die Versammlung überfiel und verjagte, wobei mehrere Verwundungen von Mitgliedern vorkamen und der Saal verwüstet wurde. Ähnlich erging es eineiu andern Wühler für die republikanischen Zwecke. Nun machten die Führer der Republikaner großen Lärm, klagten, die Regierung verletze ihre Pflicht, sie in ihrer persönliche» Freiheit z» schützen, und beriefen eine Massen¬ versammlung, die Maßregeln zum Selbstschutze beraten sollte. Diese wurde jedoch von der Behörde verboten. Darüber geriet dann die gesammte Tages- presse der Hauptstadt in Jener und nahm sich mit Ausnahme des .Icmrng,! 6v (ZoMmorvio der republikanischen Sache an. Mau gründete neue Blätter zur Förderung dieser Bewegung und gewann schon bestehende dafür. Die Stil-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/438>, abgerufen am 02.07.2024.