Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Die Davidsbündler man sich nicht so gar anspannender Mittel bedienen, nicht nach dem Jubelchor eine Im Inbelchor seid ja ans die psychologische Wahrheit drinnen recht aufmerksam! Allzu jahnisch und einseitig wäre es, alles Rossinische in Konzerten zu unter¬ Überhaupt wenn ich so von Berücksichtigung des Publikums, vom Tröster und Man müßte es ein offenbares Geheimnis nennen, daß der bildsame, tiefsinnige Hüte dich jedoch, Eusebius, den vom Kunstleben unzertrennlichen Dilettantismus Die Davidsbündler man sich nicht so gar anspannender Mittel bedienen, nicht nach dem Jubelchor eine Im Inbelchor seid ja ans die psychologische Wahrheit drinnen recht aufmerksam! Allzu jahnisch und einseitig wäre es, alles Rossinische in Konzerten zu unter¬ Überhaupt wenn ich so von Berücksichtigung des Publikums, vom Tröster und Man müßte es ein offenbares Geheimnis nennen, daß der bildsame, tiefsinnige Hüte dich jedoch, Eusebius, den vom Kunstleben unzertrennlichen Dilettantismus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0043" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206042"/> <fw type="header" place="top"> Die Davidsbündler</fw><lb/> <p xml:id="ID_145" prev="#ID_144"> man sich nicht so gar anspannender Mittel bedienen, nicht nach dem Jubelchor eine<lb/> Jubelouverture. nach dieser nrieder eine Triumphphantnsie von Pixis (ive-iigstens<lb/> war sie es für Clara Wieck) setzen, den Jubel einem hvchMlichen Publikum<lb/> ordentlich einbläuen sollen. Fi.</p><lb/> <p xml:id="ID_146"> Im Inbelchor seid ja ans die psychologische Wahrheit drinnen recht aufmerksam!<lb/> Denn wie namentlich bei öffentlichen Festen eine durchwehende Empfänglichkeit, ein<lb/> Helles Abspiegeln der Lust im Auge des andern vorher sichtbar sein muß, und wie<lb/> den Sturmeskreisen des Jubels erst die Wellenlinien der Freude voranziehen, so<lb/> beginnt Beethoven erst mit unschuldigem Flöten und Holmen. Nun Paßt auf, wie<lb/> er bei aller Natürlichkeit der Empfindung immer höher geht, wie er von Takt zu<lb/> Takt die Massen wachsen läßt, und wie sie sich verschmelzen bis zum letzten, stärksten<lb/> Dreiklang. Während in der Jubelouverture ein einziger mehrere Wünsche ausspricht<lb/> (den der Preßfreiheit glaube ich in den hohen Violoncells stark zu sehen, schaltete<lb/> Florestan ein), vereinigen sich bei Beethoven alle zu einem und demselben. Ich<lb/> halte aber den Unterschied für bedeutend. E.</p><lb/> <p xml:id="ID_147"> Allzu jahnisch und einseitig wäre es, alles Rossinische in Konzerten zu unter¬<lb/> drücken; doch sollte man in der Wahl vorsichtiger sein und einen deutschen Konzert-<lb/> eyklus mit einem deutschen Gesang anfangen. Rossini ist der vortrefflichste Deko¬<lb/> rationsmaler, aber nehmt ihm die künstliche Beleuchtung und die verführende<lb/> Theaterferne, und seht zu, was bleibt! Daß die Grabnu herrlich sang, versteht<lb/> sich ohne mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_148"> Überhaupt wenn ich so von Berücksichtigung des Publikums, vom Tröster und<lb/> Retter Rossini und seiner Schule reden höre, so zuckt mirs in allen Fingerspitzen.<lb/> Viel zu delikat geht man mit dem Publikum um, das sich ans seineu Geschmack<lb/> ordentlich zu steifen anfängt, während es in früherer Zeit bescheiden von ferne zu¬<lb/> horchte und glücklich war, etwas anfzuschnappen vom Künstler. lind sag ich das<lb/> ohne Grund? Und geht man nicht in den „Fidelio" der Schröder wegen (in<lb/> gewissem Sinne mit Recht), und in Oratorien aus Puren, blankem Mitleiden? Ja<lb/> erhält nicht der Stenograph Herz vierhundert Thaler für ein Heft erbärmlicher<lb/> Variationen, und Marschner für den ganzen „Hans Helling" achthundert? Noch<lb/> einmal — es zuckt mir in allen Fingerspitzen. Fi.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> Man müßte es ein offenbares Geheimnis nennen, daß der bildsame, tiefsinnige<lb/> Deutsche, der, zum Teil in klassischer Zeit erwachsen und erzogen, so leicht und<lb/> gern das Echte vom Schein unterscheidet, seine vaterländischen Talente erst aus dem<lb/> Auslande kommentirt und besternt herholt, nimmt man nicht an, daß es auch hier<lb/> das Theater der Physischen Entfernung ist, welches blendend idealisirt und ihn ver¬<lb/> leitet, ausländische Glasperlen für Demanten zu halten. Freilich trägt am Elende<lb/> niemand Schuld als alle, Komponisten wie Virtuosen, Verleger wie Käufer, am<lb/> meisten aber die, welche den direktesten Einfluß ans die Geschmacksbildung des<lb/> Volkes äußern können — Theater und Lehrer. Und hier drängen sich so' viele<lb/> trübe Gedanken auf, wie ans der einen Seite der Staat eine Kunst, den höchsten<lb/> ebenbürtig, so wenig fördert, auf der andern, wie für die glücklichste Idee oft erst<lb/> die Feder gesucht werden muß, die sie aufschreibt, daß man recht gemahnt wird,<lb/> der in die Menge einreißenden Flachheit in möglichst vereinter Kraft entgegen¬<lb/> zuwirken. E</p><lb/> <p xml:id="ID_150" next="#ID_151"> Hüte dich jedoch, Eusebius, den vom Kunstleben unzertrennlichen Dilettantismus<lb/> (im bessern Sinn) z» gering anzuschlagen Denn der Ausspruch „Kein Künstler.<lb/> kein Kenner" muß so lauge als Halbwahrheit hingestellt werden, als man nicht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
Die Davidsbündler
man sich nicht so gar anspannender Mittel bedienen, nicht nach dem Jubelchor eine
Jubelouverture. nach dieser nrieder eine Triumphphantnsie von Pixis (ive-iigstens
war sie es für Clara Wieck) setzen, den Jubel einem hvchMlichen Publikum
ordentlich einbläuen sollen. Fi.
Im Inbelchor seid ja ans die psychologische Wahrheit drinnen recht aufmerksam!
Denn wie namentlich bei öffentlichen Festen eine durchwehende Empfänglichkeit, ein
Helles Abspiegeln der Lust im Auge des andern vorher sichtbar sein muß, und wie
den Sturmeskreisen des Jubels erst die Wellenlinien der Freude voranziehen, so
beginnt Beethoven erst mit unschuldigem Flöten und Holmen. Nun Paßt auf, wie
er bei aller Natürlichkeit der Empfindung immer höher geht, wie er von Takt zu
Takt die Massen wachsen läßt, und wie sie sich verschmelzen bis zum letzten, stärksten
Dreiklang. Während in der Jubelouverture ein einziger mehrere Wünsche ausspricht
(den der Preßfreiheit glaube ich in den hohen Violoncells stark zu sehen, schaltete
Florestan ein), vereinigen sich bei Beethoven alle zu einem und demselben. Ich
halte aber den Unterschied für bedeutend. E.
Allzu jahnisch und einseitig wäre es, alles Rossinische in Konzerten zu unter¬
drücken; doch sollte man in der Wahl vorsichtiger sein und einen deutschen Konzert-
eyklus mit einem deutschen Gesang anfangen. Rossini ist der vortrefflichste Deko¬
rationsmaler, aber nehmt ihm die künstliche Beleuchtung und die verführende
Theaterferne, und seht zu, was bleibt! Daß die Grabnu herrlich sang, versteht
sich ohne mich.
Überhaupt wenn ich so von Berücksichtigung des Publikums, vom Tröster und
Retter Rossini und seiner Schule reden höre, so zuckt mirs in allen Fingerspitzen.
Viel zu delikat geht man mit dem Publikum um, das sich ans seineu Geschmack
ordentlich zu steifen anfängt, während es in früherer Zeit bescheiden von ferne zu¬
horchte und glücklich war, etwas anfzuschnappen vom Künstler. lind sag ich das
ohne Grund? Und geht man nicht in den „Fidelio" der Schröder wegen (in
gewissem Sinne mit Recht), und in Oratorien aus Puren, blankem Mitleiden? Ja
erhält nicht der Stenograph Herz vierhundert Thaler für ein Heft erbärmlicher
Variationen, und Marschner für den ganzen „Hans Helling" achthundert? Noch
einmal — es zuckt mir in allen Fingerspitzen. Fi.
Man müßte es ein offenbares Geheimnis nennen, daß der bildsame, tiefsinnige
Deutsche, der, zum Teil in klassischer Zeit erwachsen und erzogen, so leicht und
gern das Echte vom Schein unterscheidet, seine vaterländischen Talente erst aus dem
Auslande kommentirt und besternt herholt, nimmt man nicht an, daß es auch hier
das Theater der Physischen Entfernung ist, welches blendend idealisirt und ihn ver¬
leitet, ausländische Glasperlen für Demanten zu halten. Freilich trägt am Elende
niemand Schuld als alle, Komponisten wie Virtuosen, Verleger wie Käufer, am
meisten aber die, welche den direktesten Einfluß ans die Geschmacksbildung des
Volkes äußern können — Theater und Lehrer. Und hier drängen sich so' viele
trübe Gedanken auf, wie ans der einen Seite der Staat eine Kunst, den höchsten
ebenbürtig, so wenig fördert, auf der andern, wie für die glücklichste Idee oft erst
die Feder gesucht werden muß, die sie aufschreibt, daß man recht gemahnt wird,
der in die Menge einreißenden Flachheit in möglichst vereinter Kraft entgegen¬
zuwirken. E
Hüte dich jedoch, Eusebius, den vom Kunstleben unzertrennlichen Dilettantismus
(im bessern Sinn) z» gering anzuschlagen Denn der Ausspruch „Kein Künstler.
kein Kenner" muß so lauge als Halbwahrheit hingestellt werden, als man nicht
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