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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die dritte Flugschrift, die wir hier nennen wollen, stammt -- was
Hornmig von den "Neuen Bahnen" mit Unrecht vermutet -- wirklich ans
einer offiziösen Feder; sie ist betitelt: "Gra f Taafse 1879--1889. Eine inner¬
politische Studie aus Österreich" (Leipzig, Otto Wigand). Ware es wahr,
was der Verfasser von "Nenösterreich" über die letzten Ziele der gegenwärtigen
Regierung sagt, dann wäre diese Schrift eine ungeheure Heuchelei, wie nur
Maechiavelli sie einem Staatsmann raten konnte. Denn von einer Vorein¬
genommenheit gegen die Deutschen ist darin keine Spur. Es wird daran
erinnert, daß Graf Taaffe im Februar 1879 die Mission übernommen hatte,
aus der damaligen Mehrheit des Reichsrath ein Ministerium zu bilden, daß
er aber die Persönlichkeiten hierzu nicht habe finden können. Von dem Prozeß,
der sich dann vollzog, sei es äußerst schwer, eine richtige Vorstellung zu geben.
Durch ein Gleichnis wird es versucht. "In dem dualistischen System der
alten Perser kämpft das gute Prinzip gegen das böse Prinzip, das Licht gegen
die Finsternis. Die Söhne des Lichtes wären aller Vorteile beraubt, wenn
die Söhne der Finsternis sich plötzlich bekehre" wollten. Im Monismus, dem
System der Gegenwart, ist dies wirklich der Fall; die Welt wird als Einheit
betrachtet. Dasselbe that Graf Taaffe; auf parlamentarischem Boden trat der
Monismus in Kraft. Das Element des Lichtes, die verfassungstreue Partei,
hatte die Privilegien ihrer Stellung in dem Augenblicke verloren, wo es keine
Gegner der Verfassung mehr gab. Nicht umsonst hatte Graf Taaffe darauf
hingewiesen, daß das Prädikat "verfassungstren" nicht mehr als Parteimittel
benutzt werden könne. Diejenigen, welche bisher die Gegner der Verfassung
waren, sahen sich zur Majorität erhoben, und die Anhänger der Verfassung
fanden auf dem von ihnen verteidigten Terrain sich aller Macht beraubt. Die
Verteidigung der Verfassung ist nunmehr hauptsächlich dem Staat und
seiner Negierung übertragen. Graf Taaffe wiederum gleicht den Feldherren,
welche die Armee erst schaffen mußten, zu deren Kommando sie der Staat er¬
mächtigte. Er organisirte eine neue Partei und ermöglichte das Voll-
parlamcnt, indem er die Tschechen veranlaßte, sich auf den Boden der Ver¬
fassung zu begeben."

Also die Erhaltung, ja die Befestigung der Verfassung wird als der
erste Programmpunkt des Ministeriums Taaffe bezeichnet. Daß die Deut-
schen dabei nicht mitwirken wollten, wird wiederholt bedauert, aber es wird
auch anerkannt, daß sie in wichtigen Fragen - so in den Wehrgesetz¬
debatten -- aus ihrer Weigerung herausgetreten sind und die Regierung unter¬
stützt haben.

Die Zurückdrängung des deutschen Elementes -- oder besser seines poli¬
tischen Einflusses -- leugnet dieser Anwalt des Taafsischen Systemes nicht,
aber er meint, diese sei unvermeidlich gewesen, sobald freiheitliche Institutionen
dawaren. Die Opposition wollte vor allein die Frage beantworten, was denn


Grenzboten I V 188" 46

Die dritte Flugschrift, die wir hier nennen wollen, stammt — was
Hornmig von den „Neuen Bahnen" mit Unrecht vermutet — wirklich ans
einer offiziösen Feder; sie ist betitelt: „Gra f Taafse 1879—1889. Eine inner¬
politische Studie aus Österreich" (Leipzig, Otto Wigand). Ware es wahr,
was der Verfasser von „Nenösterreich" über die letzten Ziele der gegenwärtigen
Regierung sagt, dann wäre diese Schrift eine ungeheure Heuchelei, wie nur
Maechiavelli sie einem Staatsmann raten konnte. Denn von einer Vorein¬
genommenheit gegen die Deutschen ist darin keine Spur. Es wird daran
erinnert, daß Graf Taaffe im Februar 1879 die Mission übernommen hatte,
aus der damaligen Mehrheit des Reichsrath ein Ministerium zu bilden, daß
er aber die Persönlichkeiten hierzu nicht habe finden können. Von dem Prozeß,
der sich dann vollzog, sei es äußerst schwer, eine richtige Vorstellung zu geben.
Durch ein Gleichnis wird es versucht. „In dem dualistischen System der
alten Perser kämpft das gute Prinzip gegen das böse Prinzip, das Licht gegen
die Finsternis. Die Söhne des Lichtes wären aller Vorteile beraubt, wenn
die Söhne der Finsternis sich plötzlich bekehre» wollten. Im Monismus, dem
System der Gegenwart, ist dies wirklich der Fall; die Welt wird als Einheit
betrachtet. Dasselbe that Graf Taaffe; auf parlamentarischem Boden trat der
Monismus in Kraft. Das Element des Lichtes, die verfassungstreue Partei,
hatte die Privilegien ihrer Stellung in dem Augenblicke verloren, wo es keine
Gegner der Verfassung mehr gab. Nicht umsonst hatte Graf Taaffe darauf
hingewiesen, daß das Prädikat »verfassungstren« nicht mehr als Parteimittel
benutzt werden könne. Diejenigen, welche bisher die Gegner der Verfassung
waren, sahen sich zur Majorität erhoben, und die Anhänger der Verfassung
fanden auf dem von ihnen verteidigten Terrain sich aller Macht beraubt. Die
Verteidigung der Verfassung ist nunmehr hauptsächlich dem Staat und
seiner Negierung übertragen. Graf Taaffe wiederum gleicht den Feldherren,
welche die Armee erst schaffen mußten, zu deren Kommando sie der Staat er¬
mächtigte. Er organisirte eine neue Partei und ermöglichte das Voll-
parlamcnt, indem er die Tschechen veranlaßte, sich auf den Boden der Ver¬
fassung zu begeben."

Also die Erhaltung, ja die Befestigung der Verfassung wird als der
erste Programmpunkt des Ministeriums Taaffe bezeichnet. Daß die Deut-
schen dabei nicht mitwirken wollten, wird wiederholt bedauert, aber es wird
auch anerkannt, daß sie in wichtigen Fragen - so in den Wehrgesetz¬
debatten — aus ihrer Weigerung herausgetreten sind und die Regierung unter¬
stützt haben.

Die Zurückdrängung des deutschen Elementes — oder besser seines poli¬
tischen Einflusses — leugnet dieser Anwalt des Taafsischen Systemes nicht,
aber er meint, diese sei unvermeidlich gewesen, sobald freiheitliche Institutionen
dawaren. Die Opposition wollte vor allein die Frage beantworten, was denn


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[0369] Die dritte Flugschrift, die wir hier nennen wollen, stammt — was Hornmig von den „Neuen Bahnen" mit Unrecht vermutet — wirklich ans einer offiziösen Feder; sie ist betitelt: „Gra f Taafse 1879—1889. Eine inner¬ politische Studie aus Österreich" (Leipzig, Otto Wigand). Ware es wahr, was der Verfasser von „Nenösterreich" über die letzten Ziele der gegenwärtigen Regierung sagt, dann wäre diese Schrift eine ungeheure Heuchelei, wie nur Maechiavelli sie einem Staatsmann raten konnte. Denn von einer Vorein¬ genommenheit gegen die Deutschen ist darin keine Spur. Es wird daran erinnert, daß Graf Taaffe im Februar 1879 die Mission übernommen hatte, aus der damaligen Mehrheit des Reichsrath ein Ministerium zu bilden, daß er aber die Persönlichkeiten hierzu nicht habe finden können. Von dem Prozeß, der sich dann vollzog, sei es äußerst schwer, eine richtige Vorstellung zu geben. Durch ein Gleichnis wird es versucht. „In dem dualistischen System der alten Perser kämpft das gute Prinzip gegen das böse Prinzip, das Licht gegen die Finsternis. Die Söhne des Lichtes wären aller Vorteile beraubt, wenn die Söhne der Finsternis sich plötzlich bekehre» wollten. Im Monismus, dem System der Gegenwart, ist dies wirklich der Fall; die Welt wird als Einheit betrachtet. Dasselbe that Graf Taaffe; auf parlamentarischem Boden trat der Monismus in Kraft. Das Element des Lichtes, die verfassungstreue Partei, hatte die Privilegien ihrer Stellung in dem Augenblicke verloren, wo es keine Gegner der Verfassung mehr gab. Nicht umsonst hatte Graf Taaffe darauf hingewiesen, daß das Prädikat »verfassungstren« nicht mehr als Parteimittel benutzt werden könne. Diejenigen, welche bisher die Gegner der Verfassung waren, sahen sich zur Majorität erhoben, und die Anhänger der Verfassung fanden auf dem von ihnen verteidigten Terrain sich aller Macht beraubt. Die Verteidigung der Verfassung ist nunmehr hauptsächlich dem Staat und seiner Negierung übertragen. Graf Taaffe wiederum gleicht den Feldherren, welche die Armee erst schaffen mußten, zu deren Kommando sie der Staat er¬ mächtigte. Er organisirte eine neue Partei und ermöglichte das Voll- parlamcnt, indem er die Tschechen veranlaßte, sich auf den Boden der Ver¬ fassung zu begeben." Also die Erhaltung, ja die Befestigung der Verfassung wird als der erste Programmpunkt des Ministeriums Taaffe bezeichnet. Daß die Deut- schen dabei nicht mitwirken wollten, wird wiederholt bedauert, aber es wird auch anerkannt, daß sie in wichtigen Fragen - so in den Wehrgesetz¬ debatten — aus ihrer Weigerung herausgetreten sind und die Regierung unter¬ stützt haben. Die Zurückdrängung des deutschen Elementes — oder besser seines poli¬ tischen Einflusses — leugnet dieser Anwalt des Taafsischen Systemes nicht, aber er meint, diese sei unvermeidlich gewesen, sobald freiheitliche Institutionen dawaren. Die Opposition wollte vor allein die Frage beantworten, was denn Grenzboten I V 188» 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/369>, abgerufen am 02.07.2024.