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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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und Befugnis, der eine immer ein Franzose, der andre ein Engländer, ange¬
stellt -- eine Methode, die von der obersten Stufe bis zur untersten hinab
ging. Als Arabi sich unangenehm zu macheu anfing, vereinigten sich die
beiden Mächte zum letztenmale zum Einspruch in Gestalt einer Note. Als
dem Trotz geboten wurde, trat Frankreich davor zurück und ließ es sich gefallen.
Wäre in Paris Gambetta noch als Ministerpräsident am Ruder gewesen, so
hätte man wahrscheinlich hier mehr Entschlossenheit an den Tag gelegt, aber
dessen Nachfolger Freycinet war ein Politiker, dein es an Thatkraft und Mut
mangelte. Er lehnte es mit einem ängstlichen Blicke nach der Ostgrenze ab,
sich an der von England in Vorschlag gebrachten Flottentundgebnng gegen
Alexandrien zu beteiligen, und schlug dem Abgeordnetenhause die Absendung
eines französischen Korps zur Bewachung des Suezkcmals vor. Dies wurde zurück¬
gewiesen, und darauf dankte der Minister ab, und Frankreich befolgte von jetzt
an während der Krisis am Nil eine Politik vollständiger Unthätigkeit, während
alle seine Shmpathien im Lager Arabis waren und es dein Khedive den Unter¬
gang wünschte. Wäre der Feldzug der Engländer gegen Arabi mißglückt,
so hätte es in den Zug der Ereignisse eintreten und den siegreichen Meuterer
zu seinem Werkzeuge und Willensvollstrecker machen, also das Spiel von 1839
wiederholen können, wo es Mehemed Ali seiue Gunst zugewendet und ihn
benutzt hatte. Dieser Plan mußte aufgegeben werden, als Arabi rasch erdrückt
worden war. Seit dieser Zeit hat England, weil es Ruhe und Ordnung
wiederhergestellt hatte, billigerweise in Kairo die erste Rolle gespielt und fast
ausschließlich Einfluß geübt, ja thatsächlich verwaltet und regiert; Frankreich
dagegen hat, weil es die Verantwortlichkeit für solches Eingreifen von der
Hand gewiesen hatte, sich mit einer höchst untergeordneten Stellung begnügen
müssen. England hat dann höchst segensreich gewirkt und sich Verdienste um
das Land erworben, die ihre Frucht getragen haben und weitere und schönere Früchte
verheißen. Unter der Leitung und dem Schutze der Briten ist den Fellahin eine
gerechte und menschliche Behandlung zuteil geworden. Es giebt jetzt, was früher
unerhört war, unparteiische und unbestechliche Richter, eine gute Polizei, die Peitsche
aus Nilpferdhaut, die früher bei der geringste" Übertretung gegen das Landvolk
angewendet wurde und auch die Eintreibung der Steuern erleichtern mußte,
ist abgeschafft, man hat die Abgaben vermindert und nach festen Regeln ge¬
ordnet, die Befugnis, das niedere Volk nach Willkür zum Arbeiten für den
Staat zu zwingen, ist beseitigt, und dem Bauer sind die Ertrügnisse seiner
Arbeit sicher gestellt. Der Kredit des Staates hat sich fortwährend gehoben.
Das alles ist ausschließlich das Werk der englischen Schutzherren und Ver¬
walter. Frankreich und die Türkei konnten sich daran beteiligen wie 1882 an
der Niederwerfung der Militärrevolution, aber sie zogen es vor, der Gefahr
auszuweichen und der Nefvrmarbeit zuzusehen. Da sie das Feld nicht bestellt
haben, so ernten sie jetzt auch nicht, was es trägt. England ist am Nil allein,


und Befugnis, der eine immer ein Franzose, der andre ein Engländer, ange¬
stellt — eine Methode, die von der obersten Stufe bis zur untersten hinab
ging. Als Arabi sich unangenehm zu macheu anfing, vereinigten sich die
beiden Mächte zum letztenmale zum Einspruch in Gestalt einer Note. Als
dem Trotz geboten wurde, trat Frankreich davor zurück und ließ es sich gefallen.
Wäre in Paris Gambetta noch als Ministerpräsident am Ruder gewesen, so
hätte man wahrscheinlich hier mehr Entschlossenheit an den Tag gelegt, aber
dessen Nachfolger Freycinet war ein Politiker, dein es an Thatkraft und Mut
mangelte. Er lehnte es mit einem ängstlichen Blicke nach der Ostgrenze ab,
sich an der von England in Vorschlag gebrachten Flottentundgebnng gegen
Alexandrien zu beteiligen, und schlug dem Abgeordnetenhause die Absendung
eines französischen Korps zur Bewachung des Suezkcmals vor. Dies wurde zurück¬
gewiesen, und darauf dankte der Minister ab, und Frankreich befolgte von jetzt
an während der Krisis am Nil eine Politik vollständiger Unthätigkeit, während
alle seine Shmpathien im Lager Arabis waren und es dein Khedive den Unter¬
gang wünschte. Wäre der Feldzug der Engländer gegen Arabi mißglückt,
so hätte es in den Zug der Ereignisse eintreten und den siegreichen Meuterer
zu seinem Werkzeuge und Willensvollstrecker machen, also das Spiel von 1839
wiederholen können, wo es Mehemed Ali seiue Gunst zugewendet und ihn
benutzt hatte. Dieser Plan mußte aufgegeben werden, als Arabi rasch erdrückt
worden war. Seit dieser Zeit hat England, weil es Ruhe und Ordnung
wiederhergestellt hatte, billigerweise in Kairo die erste Rolle gespielt und fast
ausschließlich Einfluß geübt, ja thatsächlich verwaltet und regiert; Frankreich
dagegen hat, weil es die Verantwortlichkeit für solches Eingreifen von der
Hand gewiesen hatte, sich mit einer höchst untergeordneten Stellung begnügen
müssen. England hat dann höchst segensreich gewirkt und sich Verdienste um
das Land erworben, die ihre Frucht getragen haben und weitere und schönere Früchte
verheißen. Unter der Leitung und dem Schutze der Briten ist den Fellahin eine
gerechte und menschliche Behandlung zuteil geworden. Es giebt jetzt, was früher
unerhört war, unparteiische und unbestechliche Richter, eine gute Polizei, die Peitsche
aus Nilpferdhaut, die früher bei der geringste» Übertretung gegen das Landvolk
angewendet wurde und auch die Eintreibung der Steuern erleichtern mußte,
ist abgeschafft, man hat die Abgaben vermindert und nach festen Regeln ge¬
ordnet, die Befugnis, das niedere Volk nach Willkür zum Arbeiten für den
Staat zu zwingen, ist beseitigt, und dem Bauer sind die Ertrügnisse seiner
Arbeit sicher gestellt. Der Kredit des Staates hat sich fortwährend gehoben.
Das alles ist ausschließlich das Werk der englischen Schutzherren und Ver¬
walter. Frankreich und die Türkei konnten sich daran beteiligen wie 1882 an
der Niederwerfung der Militärrevolution, aber sie zogen es vor, der Gefahr
auszuweichen und der Nefvrmarbeit zuzusehen. Da sie das Feld nicht bestellt
haben, so ernten sie jetzt auch nicht, was es trägt. England ist am Nil allein,


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[0358] und Befugnis, der eine immer ein Franzose, der andre ein Engländer, ange¬ stellt — eine Methode, die von der obersten Stufe bis zur untersten hinab ging. Als Arabi sich unangenehm zu macheu anfing, vereinigten sich die beiden Mächte zum letztenmale zum Einspruch in Gestalt einer Note. Als dem Trotz geboten wurde, trat Frankreich davor zurück und ließ es sich gefallen. Wäre in Paris Gambetta noch als Ministerpräsident am Ruder gewesen, so hätte man wahrscheinlich hier mehr Entschlossenheit an den Tag gelegt, aber dessen Nachfolger Freycinet war ein Politiker, dein es an Thatkraft und Mut mangelte. Er lehnte es mit einem ängstlichen Blicke nach der Ostgrenze ab, sich an der von England in Vorschlag gebrachten Flottentundgebnng gegen Alexandrien zu beteiligen, und schlug dem Abgeordnetenhause die Absendung eines französischen Korps zur Bewachung des Suezkcmals vor. Dies wurde zurück¬ gewiesen, und darauf dankte der Minister ab, und Frankreich befolgte von jetzt an während der Krisis am Nil eine Politik vollständiger Unthätigkeit, während alle seine Shmpathien im Lager Arabis waren und es dein Khedive den Unter¬ gang wünschte. Wäre der Feldzug der Engländer gegen Arabi mißglückt, so hätte es in den Zug der Ereignisse eintreten und den siegreichen Meuterer zu seinem Werkzeuge und Willensvollstrecker machen, also das Spiel von 1839 wiederholen können, wo es Mehemed Ali seiue Gunst zugewendet und ihn benutzt hatte. Dieser Plan mußte aufgegeben werden, als Arabi rasch erdrückt worden war. Seit dieser Zeit hat England, weil es Ruhe und Ordnung wiederhergestellt hatte, billigerweise in Kairo die erste Rolle gespielt und fast ausschließlich Einfluß geübt, ja thatsächlich verwaltet und regiert; Frankreich dagegen hat, weil es die Verantwortlichkeit für solches Eingreifen von der Hand gewiesen hatte, sich mit einer höchst untergeordneten Stellung begnügen müssen. England hat dann höchst segensreich gewirkt und sich Verdienste um das Land erworben, die ihre Frucht getragen haben und weitere und schönere Früchte verheißen. Unter der Leitung und dem Schutze der Briten ist den Fellahin eine gerechte und menschliche Behandlung zuteil geworden. Es giebt jetzt, was früher unerhört war, unparteiische und unbestechliche Richter, eine gute Polizei, die Peitsche aus Nilpferdhaut, die früher bei der geringste» Übertretung gegen das Landvolk angewendet wurde und auch die Eintreibung der Steuern erleichtern mußte, ist abgeschafft, man hat die Abgaben vermindert und nach festen Regeln ge¬ ordnet, die Befugnis, das niedere Volk nach Willkür zum Arbeiten für den Staat zu zwingen, ist beseitigt, und dem Bauer sind die Ertrügnisse seiner Arbeit sicher gestellt. Der Kredit des Staates hat sich fortwährend gehoben. Das alles ist ausschließlich das Werk der englischen Schutzherren und Ver¬ walter. Frankreich und die Türkei konnten sich daran beteiligen wie 1882 an der Niederwerfung der Militärrevolution, aber sie zogen es vor, der Gefahr auszuweichen und der Nefvrmarbeit zuzusehen. Da sie das Feld nicht bestellt haben, so ernten sie jetzt auch nicht, was es trägt. England ist am Nil allein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/358>, abgerufen am 22.12.2024.