Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Junge Liebe

Davon wußte ich gar nichts! übrigens gab er, was er wollte.

Er sah sie giftig an. -- Er erhielt wohl auch, was er wollte -- halt dein
Lügenmaul!

Es schwirrte förmlich im Zimmer, und Martha erbleichte. Mit einem
gräulichen Fluche schleuderte er seinen Hut in eine Ecke und warf sich selber
auf einen Stuhl.

Nach eiuer Weile lachte er wieder gellend auf. Wie schade, daß ich euch
gerade stören mußte! Ihr wart wohl sehr vergnügt mit einander? Und
meiner Treu, Ohrringe hast du auch bekommen? Dn wirst ja ganz Mords¬
mäßig sein, Marthn? Ein richtiges Zierpüppchen, wie? Und das Taschentuch
neulich, von reiner Seide natürlich, das war wohl mich von dem kleinen An¬
beter, der vorhin durch die Hinterthür schlüpfte, als ich kam?

Von dir war es jedenfalls nicht.

Das war, weiß Gott, eine recht männliche Erscheinung! ein herrlicher
Fang, meiner Treu ! Ha ha ha! Er sah wahrhaftig ans, als hätte ihn einer
ausgespieen! Aber einerlei! Wenn er glaubt, daß er jedem auf der Nase
herumtanzen kann, weil er ein bischen weiß und rot aussieht und ein paar
Schillinge mehr in der Tasche hat als audere, dann soll er bald sehen, daß
er sich geirrt hat, verstehst du mich! -- Er schlug mit der Faust auf den Tisch,
daß alle Gläser tanzten.

Dn hast deinen Rausch, mit dein d" dich in der letzten Zeit herum¬
getrieben hast, wohl noch nicht ausgeschlafen, sagte Martha endlich leise, aber
mit zornbebcnder Stimme. Übrigens habe ich es dir oft genug gesagt, daß
ich dich nicht gebeten habe, mich zu nehmen. Dn weißt doch gewiß selber,
daß ich am liebsten nichts mit dir zu thun haben will; und wenn dir die Sache
nicht mehr paßt, so kannst du ja gehen.

Das kaun ich much, Martha, und das will ich auch, erwiederte er nach
einer Weile laugsam und bedächtig. Seine Stimme klang plötzlich gebrochen
und traurig, er sah sie lange mit kummervollem Blicke an. Aber ich finde,
du solltest die Sache nicht so leicht nehmen, Martha. Laß es mit uns nur
aufhellt, es hat ja doch niemals Art gehabt, denn du hast dir vou vornherein
nichts aus mir gemacht, du hast immer hoch hinausgewollt, Martha! Aber
glaube mir, es nimmt ein Eude mit Schrecken! Hast du dich wirklich vergafft
in den kleinen Heuspriuger, weil er dir schön thut, so ist es natürlich für dich
am schlimmsten. Wenn du aber glaubst, daß ich mich herumgetrieben habe
-- jetzt ist es freilich einerlei, wo ich gewesen bin, denn zwischen uns ist es ans,
und deshalb kommt es nicht darauf an -- aber das will ich dir nur sage",
wer dir das erzählt hat, ist ein Lügner und Ehrabschneider! Hast dn mich
verstanden?

Martha erwiederte nichts. Sie hatte ihr Nähzeug auf die Bank gelegt
und sich nach dem Fenster umgewandt. Das Kinn auf ihre Hand und den


Junge Liebe

Davon wußte ich gar nichts! übrigens gab er, was er wollte.

Er sah sie giftig an. — Er erhielt wohl auch, was er wollte — halt dein
Lügenmaul!

Es schwirrte förmlich im Zimmer, und Martha erbleichte. Mit einem
gräulichen Fluche schleuderte er seinen Hut in eine Ecke und warf sich selber
auf einen Stuhl.

Nach eiuer Weile lachte er wieder gellend auf. Wie schade, daß ich euch
gerade stören mußte! Ihr wart wohl sehr vergnügt mit einander? Und
meiner Treu, Ohrringe hast du auch bekommen? Dn wirst ja ganz Mords¬
mäßig sein, Marthn? Ein richtiges Zierpüppchen, wie? Und das Taschentuch
neulich, von reiner Seide natürlich, das war wohl mich von dem kleinen An¬
beter, der vorhin durch die Hinterthür schlüpfte, als ich kam?

Von dir war es jedenfalls nicht.

Das war, weiß Gott, eine recht männliche Erscheinung! ein herrlicher
Fang, meiner Treu ! Ha ha ha! Er sah wahrhaftig ans, als hätte ihn einer
ausgespieen! Aber einerlei! Wenn er glaubt, daß er jedem auf der Nase
herumtanzen kann, weil er ein bischen weiß und rot aussieht und ein paar
Schillinge mehr in der Tasche hat als audere, dann soll er bald sehen, daß
er sich geirrt hat, verstehst du mich! — Er schlug mit der Faust auf den Tisch,
daß alle Gläser tanzten.

Dn hast deinen Rausch, mit dein d» dich in der letzten Zeit herum¬
getrieben hast, wohl noch nicht ausgeschlafen, sagte Martha endlich leise, aber
mit zornbebcnder Stimme. Übrigens habe ich es dir oft genug gesagt, daß
ich dich nicht gebeten habe, mich zu nehmen. Dn weißt doch gewiß selber,
daß ich am liebsten nichts mit dir zu thun haben will; und wenn dir die Sache
nicht mehr paßt, so kannst du ja gehen.

Das kaun ich much, Martha, und das will ich auch, erwiederte er nach
einer Weile laugsam und bedächtig. Seine Stimme klang plötzlich gebrochen
und traurig, er sah sie lange mit kummervollem Blicke an. Aber ich finde,
du solltest die Sache nicht so leicht nehmen, Martha. Laß es mit uns nur
aufhellt, es hat ja doch niemals Art gehabt, denn du hast dir vou vornherein
nichts aus mir gemacht, du hast immer hoch hinausgewollt, Martha! Aber
glaube mir, es nimmt ein Eude mit Schrecken! Hast du dich wirklich vergafft
in den kleinen Heuspriuger, weil er dir schön thut, so ist es natürlich für dich
am schlimmsten. Wenn du aber glaubst, daß ich mich herumgetrieben habe
— jetzt ist es freilich einerlei, wo ich gewesen bin, denn zwischen uns ist es ans,
und deshalb kommt es nicht darauf an — aber das will ich dir nur sage»,
wer dir das erzählt hat, ist ein Lügner und Ehrabschneider! Hast dn mich
verstanden?

Martha erwiederte nichts. Sie hatte ihr Nähzeug auf die Bank gelegt
und sich nach dem Fenster umgewandt. Das Kinn auf ihre Hand und den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206349"/>
          <fw type="header" place="top"> Junge Liebe</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1199"> Davon wußte ich gar nichts! übrigens gab er, was er wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1200"> Er sah sie giftig an. &#x2014; Er erhielt wohl auch, was er wollte &#x2014; halt dein<lb/>
Lügenmaul!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1201"> Es schwirrte förmlich im Zimmer, und Martha erbleichte. Mit einem<lb/>
gräulichen Fluche schleuderte er seinen Hut in eine Ecke und warf sich selber<lb/>
auf einen Stuhl.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1202"> Nach eiuer Weile lachte er wieder gellend auf. Wie schade, daß ich euch<lb/>
gerade stören mußte! Ihr wart wohl sehr vergnügt mit einander? Und<lb/>
meiner Treu, Ohrringe hast du auch bekommen? Dn wirst ja ganz Mords¬<lb/>
mäßig sein, Marthn? Ein richtiges Zierpüppchen, wie? Und das Taschentuch<lb/>
neulich, von reiner Seide natürlich, das war wohl mich von dem kleinen An¬<lb/>
beter, der vorhin durch die Hinterthür schlüpfte, als ich kam?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1203"> Von dir war es jedenfalls nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1204"> Das war, weiß Gott, eine recht männliche Erscheinung! ein herrlicher<lb/>
Fang, meiner Treu ! Ha ha ha! Er sah wahrhaftig ans, als hätte ihn einer<lb/>
ausgespieen! Aber einerlei! Wenn er glaubt, daß er jedem auf der Nase<lb/>
herumtanzen kann, weil er ein bischen weiß und rot aussieht und ein paar<lb/>
Schillinge mehr in der Tasche hat als audere, dann soll er bald sehen, daß<lb/>
er sich geirrt hat, verstehst du mich! &#x2014; Er schlug mit der Faust auf den Tisch,<lb/>
daß alle Gläser tanzten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1205"> Dn hast deinen Rausch, mit dein d» dich in der letzten Zeit herum¬<lb/>
getrieben hast, wohl noch nicht ausgeschlafen, sagte Martha endlich leise, aber<lb/>
mit zornbebcnder Stimme. Übrigens habe ich es dir oft genug gesagt, daß<lb/>
ich dich nicht gebeten habe, mich zu nehmen. Dn weißt doch gewiß selber,<lb/>
daß ich am liebsten nichts mit dir zu thun haben will; und wenn dir die Sache<lb/>
nicht mehr paßt, so kannst du ja gehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1206"> Das kaun ich much, Martha, und das will ich auch, erwiederte er nach<lb/>
einer Weile laugsam und bedächtig. Seine Stimme klang plötzlich gebrochen<lb/>
und traurig, er sah sie lange mit kummervollem Blicke an. Aber ich finde,<lb/>
du solltest die Sache nicht so leicht nehmen, Martha. Laß es mit uns nur<lb/>
aufhellt, es hat ja doch niemals Art gehabt, denn du hast dir vou vornherein<lb/>
nichts aus mir gemacht, du hast immer hoch hinausgewollt, Martha! Aber<lb/>
glaube mir, es nimmt ein Eude mit Schrecken! Hast du dich wirklich vergafft<lb/>
in den kleinen Heuspriuger, weil er dir schön thut, so ist es natürlich für dich<lb/>
am schlimmsten. Wenn du aber glaubst, daß ich mich herumgetrieben habe<lb/>
&#x2014; jetzt ist es freilich einerlei, wo ich gewesen bin, denn zwischen uns ist es ans,<lb/>
und deshalb kommt es nicht darauf an &#x2014; aber das will ich dir nur sage»,<lb/>
wer dir das erzählt hat, ist ein Lügner und Ehrabschneider! Hast dn mich<lb/>
verstanden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1207" next="#ID_1208"> Martha erwiederte nichts. Sie hatte ihr Nähzeug auf die Bank gelegt<lb/>
und sich nach dem Fenster umgewandt.  Das Kinn auf ihre Hand und den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] Junge Liebe Davon wußte ich gar nichts! übrigens gab er, was er wollte. Er sah sie giftig an. — Er erhielt wohl auch, was er wollte — halt dein Lügenmaul! Es schwirrte förmlich im Zimmer, und Martha erbleichte. Mit einem gräulichen Fluche schleuderte er seinen Hut in eine Ecke und warf sich selber auf einen Stuhl. Nach eiuer Weile lachte er wieder gellend auf. Wie schade, daß ich euch gerade stören mußte! Ihr wart wohl sehr vergnügt mit einander? Und meiner Treu, Ohrringe hast du auch bekommen? Dn wirst ja ganz Mords¬ mäßig sein, Marthn? Ein richtiges Zierpüppchen, wie? Und das Taschentuch neulich, von reiner Seide natürlich, das war wohl mich von dem kleinen An¬ beter, der vorhin durch die Hinterthür schlüpfte, als ich kam? Von dir war es jedenfalls nicht. Das war, weiß Gott, eine recht männliche Erscheinung! ein herrlicher Fang, meiner Treu ! Ha ha ha! Er sah wahrhaftig ans, als hätte ihn einer ausgespieen! Aber einerlei! Wenn er glaubt, daß er jedem auf der Nase herumtanzen kann, weil er ein bischen weiß und rot aussieht und ein paar Schillinge mehr in der Tasche hat als audere, dann soll er bald sehen, daß er sich geirrt hat, verstehst du mich! — Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß alle Gläser tanzten. Dn hast deinen Rausch, mit dein d» dich in der letzten Zeit herum¬ getrieben hast, wohl noch nicht ausgeschlafen, sagte Martha endlich leise, aber mit zornbebcnder Stimme. Übrigens habe ich es dir oft genug gesagt, daß ich dich nicht gebeten habe, mich zu nehmen. Dn weißt doch gewiß selber, daß ich am liebsten nichts mit dir zu thun haben will; und wenn dir die Sache nicht mehr paßt, so kannst du ja gehen. Das kaun ich much, Martha, und das will ich auch, erwiederte er nach einer Weile laugsam und bedächtig. Seine Stimme klang plötzlich gebrochen und traurig, er sah sie lange mit kummervollem Blicke an. Aber ich finde, du solltest die Sache nicht so leicht nehmen, Martha. Laß es mit uns nur aufhellt, es hat ja doch niemals Art gehabt, denn du hast dir vou vornherein nichts aus mir gemacht, du hast immer hoch hinausgewollt, Martha! Aber glaube mir, es nimmt ein Eude mit Schrecken! Hast du dich wirklich vergafft in den kleinen Heuspriuger, weil er dir schön thut, so ist es natürlich für dich am schlimmsten. Wenn du aber glaubst, daß ich mich herumgetrieben habe — jetzt ist es freilich einerlei, wo ich gewesen bin, denn zwischen uns ist es ans, und deshalb kommt es nicht darauf an — aber das will ich dir nur sage», wer dir das erzählt hat, ist ein Lügner und Ehrabschneider! Hast dn mich verstanden? Martha erwiederte nichts. Sie hatte ihr Nähzeug auf die Bank gelegt und sich nach dem Fenster umgewandt. Das Kinn auf ihre Hand und den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/350>, abgerufen am 22.12.2024.