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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Junge Liebe

Ellenbogen auf das Fensterbret stützend, blickte sie z" den letzten, scheidenden
Sonnenstrahlen über den Wipfeln des Waldes h nüber.

Es ist nur jammerschade, begann Jespcr wieder nach einer Weile in noch
leiseren, schwermütigerem Töne, indem er mit feuchten Augen um sich blickte,
es ist nur jammerschade, daß ich es uicht ein bischen früher gewußt habe.
Dann hätte ich es mir sparen können, das Mühlenhans zu kaufen.

Das Mühlenhaus? wiederholte Martha und wandte den Kopf halb nach
ihm herum. Hast du das Mühlenhaus gekauft? fragte sie nochmals, als er
schwieg.

Ich hatte gehört, daß dir es so gern hättest. Und da es gerade zu kaufen
war, dachte ich, daß ich dir den Willen wohl thun könnte, selbst ans die Ge¬
fahr hin, daß der Kauf ein etwas größres Loch in den Beutel reißen würde,
als gerade vernünftig ist. Es liegt ja auch hübsch und hat einen Garten und
ein stated. Und dann dachte ich, daß es wohl gehen würde, wenn ich es
ein bischen aufputzte und anmalte. Und jetzt habe ich gerade einen neuen Fu߬
boden im Erdgeschoß legen lassen, und nach dem Wege hinaus sind drei Fach
neue Fenster eingesetzt. Fein ist das Ganze freilich nicht, das weiß ich selber,
obwohl ich gethan habe, was in meinen Kräften stand. Aber es ist ja jetzt
doch alles einerlei, denn uun habe ich keine Verwendung mehr dafür.

Nach diesen Worten wurde es still im Zimmer, Martha hatte sich ihm
allmählich völlig zugewandt. Jetzt senkte sie deu Kopf und sah lange mit
zusammengebissnen Lippen auf ihre rechte Hand herab, die krampfhaft die
Kante der Bank umschloß.

Jesper, begann sie endlich, ohne die Augen zu erheben, mit heisrer, klang¬
loser Stimme, weshalb bist dn nur einmal so? ,

Weil ich nicht anders bin, antwortete er und blickte sie wieder fest an.
lind so, wie ich jetzt bin, so hast dn mir damals, an dem Abend, als wir
zusammen aus der Stadt kamen, dein Jawort gegeben. Aber warum bist du
nicht mehr so, wie du früher gewesen bist?

Warum bist dn immer so unbändig, Jesper?

Ach, du weißt sehr wohl, daß ich es nicht so schlimm meine. Aber du
selber machst mich rasend. Wenn du so gegen mich gewesen wärest, wie andre
Verlobte mit einander sind, so wäre ich auch wohl so geworden, wie ich hätte
werden sollen. Aber hast du mir auch nur ein einziges gutes Wort gegeben?
Wenn ich kam, wußtest du kaum, ob du mich überhaupt kennen oder mir die
Hand geben solltest; du betrachtetest mich, als sei ich ein Schaf oder ein Hund.
Glaubst du denn, daß aus einem solchen Verkehr etwas andres als Schlimmes
kommen kann? Und wie kannst du wissen, wie ich bin oder wie ich werde,
wenn du niemals mit mir reden, wenn du mich uicht anhören willst? das
möchte ich dich fragen. Und was glaubst du denn, was man im Dorfe dar¬
über redet? Es ist noch gar nicht lange her, als mich dieses Lästermaul, der


Junge Liebe

Ellenbogen auf das Fensterbret stützend, blickte sie z» den letzten, scheidenden
Sonnenstrahlen über den Wipfeln des Waldes h nüber.

Es ist nur jammerschade, begann Jespcr wieder nach einer Weile in noch
leiseren, schwermütigerem Töne, indem er mit feuchten Augen um sich blickte,
es ist nur jammerschade, daß ich es uicht ein bischen früher gewußt habe.
Dann hätte ich es mir sparen können, das Mühlenhans zu kaufen.

Das Mühlenhaus? wiederholte Martha und wandte den Kopf halb nach
ihm herum. Hast du das Mühlenhaus gekauft? fragte sie nochmals, als er
schwieg.

Ich hatte gehört, daß dir es so gern hättest. Und da es gerade zu kaufen
war, dachte ich, daß ich dir den Willen wohl thun könnte, selbst ans die Ge¬
fahr hin, daß der Kauf ein etwas größres Loch in den Beutel reißen würde,
als gerade vernünftig ist. Es liegt ja auch hübsch und hat einen Garten und
ein stated. Und dann dachte ich, daß es wohl gehen würde, wenn ich es
ein bischen aufputzte und anmalte. Und jetzt habe ich gerade einen neuen Fu߬
boden im Erdgeschoß legen lassen, und nach dem Wege hinaus sind drei Fach
neue Fenster eingesetzt. Fein ist das Ganze freilich nicht, das weiß ich selber,
obwohl ich gethan habe, was in meinen Kräften stand. Aber es ist ja jetzt
doch alles einerlei, denn uun habe ich keine Verwendung mehr dafür.

Nach diesen Worten wurde es still im Zimmer, Martha hatte sich ihm
allmählich völlig zugewandt. Jetzt senkte sie deu Kopf und sah lange mit
zusammengebissnen Lippen auf ihre rechte Hand herab, die krampfhaft die
Kante der Bank umschloß.

Jesper, begann sie endlich, ohne die Augen zu erheben, mit heisrer, klang¬
loser Stimme, weshalb bist dn nur einmal so? ,

Weil ich nicht anders bin, antwortete er und blickte sie wieder fest an.
lind so, wie ich jetzt bin, so hast dn mir damals, an dem Abend, als wir
zusammen aus der Stadt kamen, dein Jawort gegeben. Aber warum bist du
nicht mehr so, wie du früher gewesen bist?

Warum bist dn immer so unbändig, Jesper?

Ach, du weißt sehr wohl, daß ich es nicht so schlimm meine. Aber du
selber machst mich rasend. Wenn du so gegen mich gewesen wärest, wie andre
Verlobte mit einander sind, so wäre ich auch wohl so geworden, wie ich hätte
werden sollen. Aber hast du mir auch nur ein einziges gutes Wort gegeben?
Wenn ich kam, wußtest du kaum, ob du mich überhaupt kennen oder mir die
Hand geben solltest; du betrachtetest mich, als sei ich ein Schaf oder ein Hund.
Glaubst du denn, daß aus einem solchen Verkehr etwas andres als Schlimmes
kommen kann? Und wie kannst du wissen, wie ich bin oder wie ich werde,
wenn du niemals mit mir reden, wenn du mich uicht anhören willst? das
möchte ich dich fragen. Und was glaubst du denn, was man im Dorfe dar¬
über redet? Es ist noch gar nicht lange her, als mich dieses Lästermaul, der


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[0351] Junge Liebe Ellenbogen auf das Fensterbret stützend, blickte sie z» den letzten, scheidenden Sonnenstrahlen über den Wipfeln des Waldes h nüber. Es ist nur jammerschade, begann Jespcr wieder nach einer Weile in noch leiseren, schwermütigerem Töne, indem er mit feuchten Augen um sich blickte, es ist nur jammerschade, daß ich es uicht ein bischen früher gewußt habe. Dann hätte ich es mir sparen können, das Mühlenhans zu kaufen. Das Mühlenhaus? wiederholte Martha und wandte den Kopf halb nach ihm herum. Hast du das Mühlenhaus gekauft? fragte sie nochmals, als er schwieg. Ich hatte gehört, daß dir es so gern hättest. Und da es gerade zu kaufen war, dachte ich, daß ich dir den Willen wohl thun könnte, selbst ans die Ge¬ fahr hin, daß der Kauf ein etwas größres Loch in den Beutel reißen würde, als gerade vernünftig ist. Es liegt ja auch hübsch und hat einen Garten und ein stated. Und dann dachte ich, daß es wohl gehen würde, wenn ich es ein bischen aufputzte und anmalte. Und jetzt habe ich gerade einen neuen Fu߬ boden im Erdgeschoß legen lassen, und nach dem Wege hinaus sind drei Fach neue Fenster eingesetzt. Fein ist das Ganze freilich nicht, das weiß ich selber, obwohl ich gethan habe, was in meinen Kräften stand. Aber es ist ja jetzt doch alles einerlei, denn uun habe ich keine Verwendung mehr dafür. Nach diesen Worten wurde es still im Zimmer, Martha hatte sich ihm allmählich völlig zugewandt. Jetzt senkte sie deu Kopf und sah lange mit zusammengebissnen Lippen auf ihre rechte Hand herab, die krampfhaft die Kante der Bank umschloß. Jesper, begann sie endlich, ohne die Augen zu erheben, mit heisrer, klang¬ loser Stimme, weshalb bist dn nur einmal so? , Weil ich nicht anders bin, antwortete er und blickte sie wieder fest an. lind so, wie ich jetzt bin, so hast dn mir damals, an dem Abend, als wir zusammen aus der Stadt kamen, dein Jawort gegeben. Aber warum bist du nicht mehr so, wie du früher gewesen bist? Warum bist dn immer so unbändig, Jesper? Ach, du weißt sehr wohl, daß ich es nicht so schlimm meine. Aber du selber machst mich rasend. Wenn du so gegen mich gewesen wärest, wie andre Verlobte mit einander sind, so wäre ich auch wohl so geworden, wie ich hätte werden sollen. Aber hast du mir auch nur ein einziges gutes Wort gegeben? Wenn ich kam, wußtest du kaum, ob du mich überhaupt kennen oder mir die Hand geben solltest; du betrachtetest mich, als sei ich ein Schaf oder ein Hund. Glaubst du denn, daß aus einem solchen Verkehr etwas andres als Schlimmes kommen kann? Und wie kannst du wissen, wie ich bin oder wie ich werde, wenn du niemals mit mir reden, wenn du mich uicht anhören willst? das möchte ich dich fragen. Und was glaubst du denn, was man im Dorfe dar¬ über redet? Es ist noch gar nicht lange her, als mich dieses Lästermaul, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/351>, abgerufen am 24.06.2024.