Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Immermanns Theawrleitiuig l23. November 1834) an seine Schwester Rcbckkn in Berlin giebt Felix aus¬ Immermanns Theawrleitiuig l23. November 1834) an seine Schwester Rcbckkn in Berlin giebt Felix aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206333"/> <fw type="header" place="top"> Immermanns Theawrleitiuig</fw><lb/> <p xml:id="ID_1095" prev="#ID_1094" next="#ID_1096"> l23. November 1834) an seine Schwester Rcbckkn in Berlin giebt Felix aus¬<lb/> führlich Nachricht darüber- „Gleich als ich wieder herkam >von einer Reise<lb/> durch einen Teil von Deutschland, um Säuger und Sängerinnen für das<lb/> Stadttheater zu Suchens, wehte mich die Jnteudauteuluft an. Im Statut steht:<lb/> Die Intendanz besteht aus einem Intendanten und einem Musikdirektor. Der<lb/> Intendant sJmmermann^ wollte nun, ich sollte Musikiutendant sein, er Schau-<lb/> spielinteudant, und nun sollten nur sehen, wer dem andern den Rang abliefe,<lb/> darüber gab es gleich Skandal. Ich wollte nichts als dirigiren und ein-<lb/> studiren, und das war Immermann nicht genug. Wir wechselten verzweifelt<lb/> grobe Briefe sdie jetzt Felluer alle mitteilt^, in denen ich meinen Stil sehr<lb/> zusammennehmen mußte, um keine Spitze unerwidert zu lassen, und meinen<lb/> unabhängigen Grund und Boden zu behaupten, aber ich glaube, ich habe Herrn<lb/> Heyse sseinem Lehrers Ehre gemacht. Wir verständigten uns darauf und<lb/> zankten uns gleich wieder, weil ich nach Aachen reisen sollte, um eine Sängerin<lb/> dort zu prüfen und zu engagiren, und weil ich dos nicht wollte. Darauf<lb/> mußte ich das Orchester engagiren, d. h. für jedes Mitglied zwei Kontrakte<lb/> ausfertigen, mich über einen Thaler Monatsgage vorher bis aufs Blut streiten;<lb/> dann gingen sie weg, dann kamen sie wieder und unterschrieben doch; dann<lb/> wollten sie wieder nicht am zweiten Pult sitzen, dann kam die Tante eines<lb/> ganz erbärmlichen Musikers, den ich nicht engagiren konnte, und die Frau mit<lb/> zwei unmündigen Kindern eines andern Erbärmlichen, um ein gutes Wort beim<lb/> Herrn Direktor einzulegen, dann ließ ich drei Kerls Probe spielen, die geigten<lb/> so unter aller Würde, daß ich keinen von ihnen annehmen konnte; dann waren<lb/> sie demütig und gingen still und betrübt fort und hatten ihr Brot verloren,<lb/> dann kam die Frau noch einmal wieder und weinte; unter dreißig Leuten war<lb/> kein einziger, der kurz sagte: »Ich bin zufrieden« und seine Kontrakte unter¬<lb/> schrieb; alle andern handelten und mäkelten erst eine Stunde, bis sie mir<lb/> glaubten, daß ich nrix lixe hätte; mir fiel Vaters Spruch »Fordern und Bieten<lb/> machen den Kauf« den ganzen Tag ein, aber es waren vier Tage, die jämmer¬<lb/> lichsten, die ich erlebt habe. Am vierten kam Klingemann des Morgens und<lb/> sah das Wesen und entsetzte sich. Inzwischen studirte Rietz Morgen und<lb/> Abend den »Templer« ein; der Chor betrank sich, und ich mußte mit Autorität<lb/> reden; dann rebellirten sie gegen den Regisseur, und ich mußte sie anschreien<lb/> wie ein Hausknecht; dann wurden die Beutler heiser, und ich bekam Angst sür<lb/> sie (eine mir neue Art von Angst, eine der ekligsten); dann führte ich Cheru-<lb/> binis Requiem in der Kirche auf; zugleich kam das erste Konzert, kurz, ich<lb/> faßte meinen Entschluß: drei Wochen nach Wiedereröffnung des Theaters<lb/> meinen Jntendantenthrvn zu verlassen, den ich dann auch Gott sei Dank aus¬<lb/> geführt habe. Die übrigen Details schenke ich dir, du wirst genug Theater<lb/> haben. Seit ich aus der Geschichte bin, ist mir, als wäre ich ein Hecht,<lb/> der wieder ins Wasser kommt; die Vormittage gehören wieder mir; Abends</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
Immermanns Theawrleitiuig
l23. November 1834) an seine Schwester Rcbckkn in Berlin giebt Felix aus¬
führlich Nachricht darüber- „Gleich als ich wieder herkam >von einer Reise
durch einen Teil von Deutschland, um Säuger und Sängerinnen für das
Stadttheater zu Suchens, wehte mich die Jnteudauteuluft an. Im Statut steht:
Die Intendanz besteht aus einem Intendanten und einem Musikdirektor. Der
Intendant sJmmermann^ wollte nun, ich sollte Musikiutendant sein, er Schau-
spielinteudant, und nun sollten nur sehen, wer dem andern den Rang abliefe,
darüber gab es gleich Skandal. Ich wollte nichts als dirigiren und ein-
studiren, und das war Immermann nicht genug. Wir wechselten verzweifelt
grobe Briefe sdie jetzt Felluer alle mitteilt^, in denen ich meinen Stil sehr
zusammennehmen mußte, um keine Spitze unerwidert zu lassen, und meinen
unabhängigen Grund und Boden zu behaupten, aber ich glaube, ich habe Herrn
Heyse sseinem Lehrers Ehre gemacht. Wir verständigten uns darauf und
zankten uns gleich wieder, weil ich nach Aachen reisen sollte, um eine Sängerin
dort zu prüfen und zu engagiren, und weil ich dos nicht wollte. Darauf
mußte ich das Orchester engagiren, d. h. für jedes Mitglied zwei Kontrakte
ausfertigen, mich über einen Thaler Monatsgage vorher bis aufs Blut streiten;
dann gingen sie weg, dann kamen sie wieder und unterschrieben doch; dann
wollten sie wieder nicht am zweiten Pult sitzen, dann kam die Tante eines
ganz erbärmlichen Musikers, den ich nicht engagiren konnte, und die Frau mit
zwei unmündigen Kindern eines andern Erbärmlichen, um ein gutes Wort beim
Herrn Direktor einzulegen, dann ließ ich drei Kerls Probe spielen, die geigten
so unter aller Würde, daß ich keinen von ihnen annehmen konnte; dann waren
sie demütig und gingen still und betrübt fort und hatten ihr Brot verloren,
dann kam die Frau noch einmal wieder und weinte; unter dreißig Leuten war
kein einziger, der kurz sagte: »Ich bin zufrieden« und seine Kontrakte unter¬
schrieb; alle andern handelten und mäkelten erst eine Stunde, bis sie mir
glaubten, daß ich nrix lixe hätte; mir fiel Vaters Spruch »Fordern und Bieten
machen den Kauf« den ganzen Tag ein, aber es waren vier Tage, die jämmer¬
lichsten, die ich erlebt habe. Am vierten kam Klingemann des Morgens und
sah das Wesen und entsetzte sich. Inzwischen studirte Rietz Morgen und
Abend den »Templer« ein; der Chor betrank sich, und ich mußte mit Autorität
reden; dann rebellirten sie gegen den Regisseur, und ich mußte sie anschreien
wie ein Hausknecht; dann wurden die Beutler heiser, und ich bekam Angst sür
sie (eine mir neue Art von Angst, eine der ekligsten); dann führte ich Cheru-
binis Requiem in der Kirche auf; zugleich kam das erste Konzert, kurz, ich
faßte meinen Entschluß: drei Wochen nach Wiedereröffnung des Theaters
meinen Jntendantenthrvn zu verlassen, den ich dann auch Gott sei Dank aus¬
geführt habe. Die übrigen Details schenke ich dir, du wirst genug Theater
haben. Seit ich aus der Geschichte bin, ist mir, als wäre ich ein Hecht,
der wieder ins Wasser kommt; die Vormittage gehören wieder mir; Abends
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