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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Jnrmermanns Ideal von Schauspielkunst nicht fasse", locum man selbst erst
nachdrücklich den Ausgang deö Dichters von Weimar betont, wenn man ans
den entscheidenden Eindruck hingewiesen hat, den das in Halle von dem Studenten
Immermann (1819) mit angesehene Spiel Wolffs in unverlöschlicher Begeisterung
hinterlassen hatte, wenn man ferner weiß, daß Immermann stets den wesent¬
lichen Gegensatz zur Natur in der Kunst hervorgehoben hat, so in dem "Blick
ins Tirol," wo er von einem Besuch des Pradler Vnuerntheaters anmutig
erzählt und darauf hinweist, daß die naturalistischen Schauspielerinnen auf
ihrer Bühne einen eignen Tanzschritt gingen, um sich nur ja von der prosaischen
Alltäglichkeit in eine künstlerische Sphäre zu erheben. Wenn man eine Formel
für Immermanns dramatnrgisches Ideal schaffen will, muß man umgekehrt
hageln er war ein realistischer Idealist, auf den Idealismus muß man den
Nachdruck legen. Er ließ sich gern die Mitwirkung seiner lieben Maler zur
Schaffung prächtiger Dekorationsstücke gefallen, die nun auch den Calderonschen
Werken ("Der standhafte Prinz" und "Der wunderthätige Magus") zu gute
kamen. Aber er dachte vom Werte der Ausstattung gerade so wie Laube:
sie durfte sich nicht selbst breitmachen, die Aufmerksamkeit der Zuschauer sollte
nicht vom Spiel, vou der Rede und von der Handlung abgelenkt werden;
trug er sich doch mit der Absicht, die alte Shakespearesche Bühne herzustellen,
"Romeo und Julia" wurde sogar ans einer ganz eigens hergestellten, der Bühne
Shakespeares ähnlich gemachten Szene vorgeführt. Immermann war wesentlich
ein Idealist, und als solcher ist er zu Lebzeiten angegriffen worden, um aber
für die Dauer Recht zu behalten.

Weil wir gerade bei einem Widerspruch gegen Fellners Darstellung stehen,
"vollen wir gleich noch einen andern Fehler, der uns die Freude an dem bei
aller Jugendlichkeit des Tones und aller Breite der Darstellung doch tüchtigen
Buche beinahe verdorben hat, zur Sprache bringen, nämlich die leidenschaft¬
liche Art, wie Fellner Felix Mendelssohn-Bartholdh behandelt. Der Sach¬
verhalt ist der. Als die Gesellschaft deS Düsseldorfer Stadttheaters gegründet
wurde, geschah dies hauptsächlich, weil man auf die Mitwirkung zwei so
migewöhnlicher Männer wie Immermann und Mendelssohn rechnete. Beiden
war die künstlerische Leitung der Anstalt anvertraut, Immermann das
Schauspiel, Mendelssohn die Oper. Obgleich er damals kaum fünfund¬
zwanzig Jahre zählte, war er doch schon als Dirigent der rheinischen Musikfeste,
als Komponist und Virtuose berühmt und angesehen genug, um die Stellung
des Musikdirektors mit Würde einzunehmen. Immermann hatte ihn persönlich,
wie alle die ihn kannten, ins Herz geschlossen, sie standen auf dem Duzfuße,
und der Dichter war sehr glücklich über Mendelssohns Entschluß, mitzuwirken.
Es dauerte aber nicht lange, so ging das schöne Verhältnis in die Brüche.
Mendelssohn hatte sich nämlich seine Thätigkeit anders gedacht, als sie ihm
von Immermann zugemutet wurde. In einem Briefe ans Düsseldorf


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Jnrmermanns Ideal von Schauspielkunst nicht fasse», locum man selbst erst
nachdrücklich den Ausgang deö Dichters von Weimar betont, wenn man ans
den entscheidenden Eindruck hingewiesen hat, den das in Halle von dem Studenten
Immermann (1819) mit angesehene Spiel Wolffs in unverlöschlicher Begeisterung
hinterlassen hatte, wenn man ferner weiß, daß Immermann stets den wesent¬
lichen Gegensatz zur Natur in der Kunst hervorgehoben hat, so in dem „Blick
ins Tirol," wo er von einem Besuch des Pradler Vnuerntheaters anmutig
erzählt und darauf hinweist, daß die naturalistischen Schauspielerinnen auf
ihrer Bühne einen eignen Tanzschritt gingen, um sich nur ja von der prosaischen
Alltäglichkeit in eine künstlerische Sphäre zu erheben. Wenn man eine Formel
für Immermanns dramatnrgisches Ideal schaffen will, muß man umgekehrt
hageln er war ein realistischer Idealist, auf den Idealismus muß man den
Nachdruck legen. Er ließ sich gern die Mitwirkung seiner lieben Maler zur
Schaffung prächtiger Dekorationsstücke gefallen, die nun auch den Calderonschen
Werken („Der standhafte Prinz" und „Der wunderthätige Magus") zu gute
kamen. Aber er dachte vom Werte der Ausstattung gerade so wie Laube:
sie durfte sich nicht selbst breitmachen, die Aufmerksamkeit der Zuschauer sollte
nicht vom Spiel, vou der Rede und von der Handlung abgelenkt werden;
trug er sich doch mit der Absicht, die alte Shakespearesche Bühne herzustellen,
„Romeo und Julia" wurde sogar ans einer ganz eigens hergestellten, der Bühne
Shakespeares ähnlich gemachten Szene vorgeführt. Immermann war wesentlich
ein Idealist, und als solcher ist er zu Lebzeiten angegriffen worden, um aber
für die Dauer Recht zu behalten.

Weil wir gerade bei einem Widerspruch gegen Fellners Darstellung stehen,
»vollen wir gleich noch einen andern Fehler, der uns die Freude an dem bei
aller Jugendlichkeit des Tones und aller Breite der Darstellung doch tüchtigen
Buche beinahe verdorben hat, zur Sprache bringen, nämlich die leidenschaft¬
liche Art, wie Fellner Felix Mendelssohn-Bartholdh behandelt. Der Sach¬
verhalt ist der. Als die Gesellschaft deS Düsseldorfer Stadttheaters gegründet
wurde, geschah dies hauptsächlich, weil man auf die Mitwirkung zwei so
migewöhnlicher Männer wie Immermann und Mendelssohn rechnete. Beiden
war die künstlerische Leitung der Anstalt anvertraut, Immermann das
Schauspiel, Mendelssohn die Oper. Obgleich er damals kaum fünfund¬
zwanzig Jahre zählte, war er doch schon als Dirigent der rheinischen Musikfeste,
als Komponist und Virtuose berühmt und angesehen genug, um die Stellung
des Musikdirektors mit Würde einzunehmen. Immermann hatte ihn persönlich,
wie alle die ihn kannten, ins Herz geschlossen, sie standen auf dem Duzfuße,
und der Dichter war sehr glücklich über Mendelssohns Entschluß, mitzuwirken.
Es dauerte aber nicht lange, so ging das schöne Verhältnis in die Brüche.
Mendelssohn hatte sich nämlich seine Thätigkeit anders gedacht, als sie ihm
von Immermann zugemutet wurde. In einem Briefe ans Düsseldorf


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[0333] Iinmermamis Ti;cat>.>rleituilg Jnrmermanns Ideal von Schauspielkunst nicht fasse», locum man selbst erst nachdrücklich den Ausgang deö Dichters von Weimar betont, wenn man ans den entscheidenden Eindruck hingewiesen hat, den das in Halle von dem Studenten Immermann (1819) mit angesehene Spiel Wolffs in unverlöschlicher Begeisterung hinterlassen hatte, wenn man ferner weiß, daß Immermann stets den wesent¬ lichen Gegensatz zur Natur in der Kunst hervorgehoben hat, so in dem „Blick ins Tirol," wo er von einem Besuch des Pradler Vnuerntheaters anmutig erzählt und darauf hinweist, daß die naturalistischen Schauspielerinnen auf ihrer Bühne einen eignen Tanzschritt gingen, um sich nur ja von der prosaischen Alltäglichkeit in eine künstlerische Sphäre zu erheben. Wenn man eine Formel für Immermanns dramatnrgisches Ideal schaffen will, muß man umgekehrt hageln er war ein realistischer Idealist, auf den Idealismus muß man den Nachdruck legen. Er ließ sich gern die Mitwirkung seiner lieben Maler zur Schaffung prächtiger Dekorationsstücke gefallen, die nun auch den Calderonschen Werken („Der standhafte Prinz" und „Der wunderthätige Magus") zu gute kamen. Aber er dachte vom Werte der Ausstattung gerade so wie Laube: sie durfte sich nicht selbst breitmachen, die Aufmerksamkeit der Zuschauer sollte nicht vom Spiel, vou der Rede und von der Handlung abgelenkt werden; trug er sich doch mit der Absicht, die alte Shakespearesche Bühne herzustellen, „Romeo und Julia" wurde sogar ans einer ganz eigens hergestellten, der Bühne Shakespeares ähnlich gemachten Szene vorgeführt. Immermann war wesentlich ein Idealist, und als solcher ist er zu Lebzeiten angegriffen worden, um aber für die Dauer Recht zu behalten. Weil wir gerade bei einem Widerspruch gegen Fellners Darstellung stehen, »vollen wir gleich noch einen andern Fehler, der uns die Freude an dem bei aller Jugendlichkeit des Tones und aller Breite der Darstellung doch tüchtigen Buche beinahe verdorben hat, zur Sprache bringen, nämlich die leidenschaft¬ liche Art, wie Fellner Felix Mendelssohn-Bartholdh behandelt. Der Sach¬ verhalt ist der. Als die Gesellschaft deS Düsseldorfer Stadttheaters gegründet wurde, geschah dies hauptsächlich, weil man auf die Mitwirkung zwei so migewöhnlicher Männer wie Immermann und Mendelssohn rechnete. Beiden war die künstlerische Leitung der Anstalt anvertraut, Immermann das Schauspiel, Mendelssohn die Oper. Obgleich er damals kaum fünfund¬ zwanzig Jahre zählte, war er doch schon als Dirigent der rheinischen Musikfeste, als Komponist und Virtuose berühmt und angesehen genug, um die Stellung des Musikdirektors mit Würde einzunehmen. Immermann hatte ihn persönlich, wie alle die ihn kannten, ins Herz geschlossen, sie standen auf dem Duzfuße, und der Dichter war sehr glücklich über Mendelssohns Entschluß, mitzuwirken. Es dauerte aber nicht lange, so ging das schöne Verhältnis in die Brüche. Mendelssohn hatte sich nämlich seine Thätigkeit anders gedacht, als sie ihm von Immermann zugemutet wurde. In einem Briefe ans Düsseldorf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/333>, abgerufen am 02.07.2024.