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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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ImmMnanns Theaterleituttg

freudigen, fiir alle künstlerischen Unternehmungen begeisternngssähigeu Jngend
gab bald der Stadt ihr Gepräge, Dazu kamen noch, vom glücklichen Zufall
gelenkt, hervorragende Männer der Litteratur und Wissenschaft, wie Schmause
und Üchtrih, nach Düsseldorf, es entwickelte sich ein lebhaftes geselliges Treiben
von Dilettautentheateru, Maskeufesten, Vorleseabenden, und Immermann, von
Haus aus zwar zur Einsamkeit geneigt, wurde mit in diese geistreiche Gesell¬
schaft hineingezogen, um bald die erste Geige in ihr zu spielen. Nach Art
Tiecks, den er als Dramaturgen sehr verehrte und öfters in Dresden besucht
hatte, las er öfter hervorragende Dichtungen vor einem großen Kreise von
Zuhörern vor; in den Dilettanteutheatern spielte er selbst so gut mit, daß er
scherzhaft sagen konnte, zur Not könnte er sein Brot als Schauspieler ver¬
dienen. Unzufrieden mit den Leistungen des ärmlichen Theaters, das bestand,
versuchteer, von seineu Freunden unterstützt, endlich selbst "Mustervvrstellungen"
zu veranstalten, nachdem er von der Truppe einmal eingeladen worden war,
die Einstndiruug seines "Hofer" zu leiten. So wurde er die Seele jeuer
prächtigen Gesellschaft, mit deren hervorragendsten Mitgliedern ihn schon lange
warme Freundschaft verband, und so entstand allmählich der Plan, das
Düsseldorfer Theater ganz in die Hand zu nehmen und ihm durch reichere
Mittel und sorgfältigere Pflege einen künstlerischen Aufschwung zu geben.
Sein Amt am Landesgericht versah Immermann zwar stets mit großer Ge¬
wissenhaftigkeit und Einsicht; er hat manche juristische Abhandlung in wissen¬
schaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Aber seiue Neigung galt doch nur der
Kunst, dem Drama, Er hatte die Beaintenlaufbnhn nur von der Not gedrängt
betreten, und die Hoffnung, sich ausschließlich seinem natürlichen Künstlerberufe
widmen zu können, wurde für ihn eine leidenschaftlich ergriffene Wendung des
Lebens. Seine gesellschaftliche Stellung wurde überdies in Düsseldorf auch
durch sein von aller Welt nachsichtig beurteiltes Verhältnis zu der geistvollen
Gräfin Elise von Li'chow-Ahlefeld gefördert. Diese um acht Jahre ältere Frau
hatte sich 1821 in Münster in den damals dort als Auditeur des Garnisons-
gerichts bestellten jungen Dichter Immermann leidenschaftlich verliebt, hatte sich
dann von ihrem großmütiger Gatten, dem Grafen Lützow, scheiden lassen und
war dem Geliebten 1825 nach Düsseldorf nachgezogen, wo sie bis 1839 mit
ihm lebte, anfänglich sehr zurückgezogen, bald aber als der glänzende Mittel-
Punkt seines Kreises,

So war der Boden vorbereitet, auf dem sich Immermanns Theater er¬
heben sollte. Aber die Hauptsache war er selbst, sein Geist gab dem jedenfalls
kühnen Unternehmen, ohne staatliche oder höfische Unterstützung eine Mnster-
bühne zu schaffen, das Gepräge. Der wesentliche Unterschied von allen
andern Theaterleitungen war der: Immermann hatte nicht bloß den außer¬
ordentlich gebildeten litterarischen Geschmack, er war nicht bloß mit der drama¬
tischen Produktion seiner Zeit unzufrieden, er hatte nicht bloß Ursache, über


ImmMnanns Theaterleituttg

freudigen, fiir alle künstlerischen Unternehmungen begeisternngssähigeu Jngend
gab bald der Stadt ihr Gepräge, Dazu kamen noch, vom glücklichen Zufall
gelenkt, hervorragende Männer der Litteratur und Wissenschaft, wie Schmause
und Üchtrih, nach Düsseldorf, es entwickelte sich ein lebhaftes geselliges Treiben
von Dilettautentheateru, Maskeufesten, Vorleseabenden, und Immermann, von
Haus aus zwar zur Einsamkeit geneigt, wurde mit in diese geistreiche Gesell¬
schaft hineingezogen, um bald die erste Geige in ihr zu spielen. Nach Art
Tiecks, den er als Dramaturgen sehr verehrte und öfters in Dresden besucht
hatte, las er öfter hervorragende Dichtungen vor einem großen Kreise von
Zuhörern vor; in den Dilettanteutheatern spielte er selbst so gut mit, daß er
scherzhaft sagen konnte, zur Not könnte er sein Brot als Schauspieler ver¬
dienen. Unzufrieden mit den Leistungen des ärmlichen Theaters, das bestand,
versuchteer, von seineu Freunden unterstützt, endlich selbst „Mustervvrstellungen"
zu veranstalten, nachdem er von der Truppe einmal eingeladen worden war,
die Einstndiruug seines „Hofer" zu leiten. So wurde er die Seele jeuer
prächtigen Gesellschaft, mit deren hervorragendsten Mitgliedern ihn schon lange
warme Freundschaft verband, und so entstand allmählich der Plan, das
Düsseldorfer Theater ganz in die Hand zu nehmen und ihm durch reichere
Mittel und sorgfältigere Pflege einen künstlerischen Aufschwung zu geben.
Sein Amt am Landesgericht versah Immermann zwar stets mit großer Ge¬
wissenhaftigkeit und Einsicht; er hat manche juristische Abhandlung in wissen¬
schaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Aber seiue Neigung galt doch nur der
Kunst, dem Drama, Er hatte die Beaintenlaufbnhn nur von der Not gedrängt
betreten, und die Hoffnung, sich ausschließlich seinem natürlichen Künstlerberufe
widmen zu können, wurde für ihn eine leidenschaftlich ergriffene Wendung des
Lebens. Seine gesellschaftliche Stellung wurde überdies in Düsseldorf auch
durch sein von aller Welt nachsichtig beurteiltes Verhältnis zu der geistvollen
Gräfin Elise von Li'chow-Ahlefeld gefördert. Diese um acht Jahre ältere Frau
hatte sich 1821 in Münster in den damals dort als Auditeur des Garnisons-
gerichts bestellten jungen Dichter Immermann leidenschaftlich verliebt, hatte sich
dann von ihrem großmütiger Gatten, dem Grafen Lützow, scheiden lassen und
war dem Geliebten 1825 nach Düsseldorf nachgezogen, wo sie bis 1839 mit
ihm lebte, anfänglich sehr zurückgezogen, bald aber als der glänzende Mittel-
Punkt seines Kreises,

So war der Boden vorbereitet, auf dem sich Immermanns Theater er¬
heben sollte. Aber die Hauptsache war er selbst, sein Geist gab dem jedenfalls
kühnen Unternehmen, ohne staatliche oder höfische Unterstützung eine Mnster-
bühne zu schaffen, das Gepräge. Der wesentliche Unterschied von allen
andern Theaterleitungen war der: Immermann hatte nicht bloß den außer¬
ordentlich gebildeten litterarischen Geschmack, er war nicht bloß mit der drama¬
tischen Produktion seiner Zeit unzufrieden, er hatte nicht bloß Ursache, über


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[0330] ImmMnanns Theaterleituttg freudigen, fiir alle künstlerischen Unternehmungen begeisternngssähigeu Jngend gab bald der Stadt ihr Gepräge, Dazu kamen noch, vom glücklichen Zufall gelenkt, hervorragende Männer der Litteratur und Wissenschaft, wie Schmause und Üchtrih, nach Düsseldorf, es entwickelte sich ein lebhaftes geselliges Treiben von Dilettautentheateru, Maskeufesten, Vorleseabenden, und Immermann, von Haus aus zwar zur Einsamkeit geneigt, wurde mit in diese geistreiche Gesell¬ schaft hineingezogen, um bald die erste Geige in ihr zu spielen. Nach Art Tiecks, den er als Dramaturgen sehr verehrte und öfters in Dresden besucht hatte, las er öfter hervorragende Dichtungen vor einem großen Kreise von Zuhörern vor; in den Dilettanteutheatern spielte er selbst so gut mit, daß er scherzhaft sagen konnte, zur Not könnte er sein Brot als Schauspieler ver¬ dienen. Unzufrieden mit den Leistungen des ärmlichen Theaters, das bestand, versuchteer, von seineu Freunden unterstützt, endlich selbst „Mustervvrstellungen" zu veranstalten, nachdem er von der Truppe einmal eingeladen worden war, die Einstndiruug seines „Hofer" zu leiten. So wurde er die Seele jeuer prächtigen Gesellschaft, mit deren hervorragendsten Mitgliedern ihn schon lange warme Freundschaft verband, und so entstand allmählich der Plan, das Düsseldorfer Theater ganz in die Hand zu nehmen und ihm durch reichere Mittel und sorgfältigere Pflege einen künstlerischen Aufschwung zu geben. Sein Amt am Landesgericht versah Immermann zwar stets mit großer Ge¬ wissenhaftigkeit und Einsicht; er hat manche juristische Abhandlung in wissen¬ schaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Aber seiue Neigung galt doch nur der Kunst, dem Drama, Er hatte die Beaintenlaufbnhn nur von der Not gedrängt betreten, und die Hoffnung, sich ausschließlich seinem natürlichen Künstlerberufe widmen zu können, wurde für ihn eine leidenschaftlich ergriffene Wendung des Lebens. Seine gesellschaftliche Stellung wurde überdies in Düsseldorf auch durch sein von aller Welt nachsichtig beurteiltes Verhältnis zu der geistvollen Gräfin Elise von Li'chow-Ahlefeld gefördert. Diese um acht Jahre ältere Frau hatte sich 1821 in Münster in den damals dort als Auditeur des Garnisons- gerichts bestellten jungen Dichter Immermann leidenschaftlich verliebt, hatte sich dann von ihrem großmütiger Gatten, dem Grafen Lützow, scheiden lassen und war dem Geliebten 1825 nach Düsseldorf nachgezogen, wo sie bis 1839 mit ihm lebte, anfänglich sehr zurückgezogen, bald aber als der glänzende Mittel- Punkt seines Kreises, So war der Boden vorbereitet, auf dem sich Immermanns Theater er¬ heben sollte. Aber die Hauptsache war er selbst, sein Geist gab dem jedenfalls kühnen Unternehmen, ohne staatliche oder höfische Unterstützung eine Mnster- bühne zu schaffen, das Gepräge. Der wesentliche Unterschied von allen andern Theaterleitungen war der: Immermann hatte nicht bloß den außer¬ ordentlich gebildeten litterarischen Geschmack, er war nicht bloß mit der drama¬ tischen Produktion seiner Zeit unzufrieden, er hatte nicht bloß Ursache, über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/330>, abgerufen am 02.07.2024.