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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der Aronprinz Friedrich Wilhelm

in' die Seelen und Gewohnheiten der Deutschen. Das Wesen des alten
Kaisers, U'einher die Macht liebte, aber, wo es sich um Ernstes handelte, den
Schein gering achtete, der durchaus nicht bereitwillig die Kaiserkrone auf sein
Haupt genommen hatte, der von den angebornen Rechten der deutschen Fürsten
hoch dachte und dieselben, wo er irgend konnte, sorgfältig zu berücksichtigen
bestrebt war, dieses ruhige, maßvolle Wesen eines bejahrten Herrn, der schon
durch sein Alter vielen der Anspruchsvollen Ehrfurcht einflößte, war wie von
der Vorsehung zuerteilt, um dem deutscheu Landesherrn den Übergang in das
neue Wesen möglichst schmerzlos zu machen, Auch im Volke standen die
Parteien unter dem Zauber dieser greisen Gestalt, die immer ehrwürdiger
wurde, zuletzt wie ein Wunder erschien und berechtigte wie unberechtigte An¬
sprüche allein durch ihre Dauer auf die Zukunft verwies. Aber der ihm am
Nächsten stand in Ehren und in der Zuneigung des Volkes, verlebte diese Zeit
der Einrichtung eines neuen Lebens, die Feststellung des Kaiserreichs, das
gerade er so heiß ersehnt hatte, zur Seite stehend, in thatlosem Hnrreu. Er
fühlte die Leere, eine gewisse Ermüdung trat ein, Verstimmung überkam ihm,
welche immer großer wurde. Daß die Einwirkung dieser Zeit den Kronprinzen
so sehr niederdrückte, lag zum großen Teil in seiner Natur, die durchaus nicht
aktiv war. Wäre er mit rüstiger Thatkraft ausgestattet gewesen, so würde er
trotz mancher Hindernisse eine Beteiligung an der Staatsregierung auf allen
Gebieten durchgesetzt haben, welche dem Vater nicht vorzugsweise am Herzen
lagen. Doch er besaß zwar den Fleiß und die Pflichttreue der Hohenzollern
in der Erfüllung einer gestellten Aufgabe, aber nicht die Unternehmungslust
und Schaffensfreude, und auf den wichtigsten Gebieten der Verwaltung wohl
auch nicht das Geschick zu befehlen, wie etwas werden sollte. Was der Kaiser
nach dem Jahre 1870 that, um ihm eine bestimmte Thätigkeit zuzuleiten, das
reichte nicht aus. Der Kronprinz erhielt die Inspektion über die süddeutschen
Armeekorps und übte durch sein Erscheinen in der That eine sehr wohlthätige
Einwirkung aus, aber diese Thätigkeit war doch nicht viel andres als fürst¬
liche Repräsentation. Er wurde zum Protektor der Museen, der Knnstangelegen-
heiten ernannt, was ihm wohl mehr nach dem Herzen war. Er wurde nach
dem Beispiel seiner Gemahlin auch ein warmer Beförderer des Kunsthandwerks,
^ hat in diesen Richtungen und bei zahlreichen gelegentlichen Ehrenvorsitzen
durch seine warme Beistimmung und zuweilen durch seiue Einwirkung auf die
Regierung allerlei Förderliches gethan, aber solche Thätigkeit auf Seitenpfaden
war zuletzt für einen großen Fürsten nnr Zeitvertreib und Spiel. Noch einmal
hob sich seine Kraft, als er im Jahre 1878 nach der Verwundung des Kaisers
Mr Stellvertretung berufen wurde. Die gehäufte Arbeit, die Verantwortung,
das hohe Amt gaben ihm eine Zeit lang Spannung und seinem Geiste neue
Schwingen, zur Freude und Überraschung seiner Umgebung. Aber mit dieser
Verantwortlicher Thätigkeit entwich wieder der Lebensmut. Er gab sich mit


Der Aronprinz Friedrich Wilhelm

in' die Seelen und Gewohnheiten der Deutschen. Das Wesen des alten
Kaisers, U'einher die Macht liebte, aber, wo es sich um Ernstes handelte, den
Schein gering achtete, der durchaus nicht bereitwillig die Kaiserkrone auf sein
Haupt genommen hatte, der von den angebornen Rechten der deutschen Fürsten
hoch dachte und dieselben, wo er irgend konnte, sorgfältig zu berücksichtigen
bestrebt war, dieses ruhige, maßvolle Wesen eines bejahrten Herrn, der schon
durch sein Alter vielen der Anspruchsvollen Ehrfurcht einflößte, war wie von
der Vorsehung zuerteilt, um dem deutscheu Landesherrn den Übergang in das
neue Wesen möglichst schmerzlos zu machen, Auch im Volke standen die
Parteien unter dem Zauber dieser greisen Gestalt, die immer ehrwürdiger
wurde, zuletzt wie ein Wunder erschien und berechtigte wie unberechtigte An¬
sprüche allein durch ihre Dauer auf die Zukunft verwies. Aber der ihm am
Nächsten stand in Ehren und in der Zuneigung des Volkes, verlebte diese Zeit
der Einrichtung eines neuen Lebens, die Feststellung des Kaiserreichs, das
gerade er so heiß ersehnt hatte, zur Seite stehend, in thatlosem Hnrreu. Er
fühlte die Leere, eine gewisse Ermüdung trat ein, Verstimmung überkam ihm,
welche immer großer wurde. Daß die Einwirkung dieser Zeit den Kronprinzen
so sehr niederdrückte, lag zum großen Teil in seiner Natur, die durchaus nicht
aktiv war. Wäre er mit rüstiger Thatkraft ausgestattet gewesen, so würde er
trotz mancher Hindernisse eine Beteiligung an der Staatsregierung auf allen
Gebieten durchgesetzt haben, welche dem Vater nicht vorzugsweise am Herzen
lagen. Doch er besaß zwar den Fleiß und die Pflichttreue der Hohenzollern
in der Erfüllung einer gestellten Aufgabe, aber nicht die Unternehmungslust
und Schaffensfreude, und auf den wichtigsten Gebieten der Verwaltung wohl
auch nicht das Geschick zu befehlen, wie etwas werden sollte. Was der Kaiser
nach dem Jahre 1870 that, um ihm eine bestimmte Thätigkeit zuzuleiten, das
reichte nicht aus. Der Kronprinz erhielt die Inspektion über die süddeutschen
Armeekorps und übte durch sein Erscheinen in der That eine sehr wohlthätige
Einwirkung aus, aber diese Thätigkeit war doch nicht viel andres als fürst¬
liche Repräsentation. Er wurde zum Protektor der Museen, der Knnstangelegen-
heiten ernannt, was ihm wohl mehr nach dem Herzen war. Er wurde nach
dem Beispiel seiner Gemahlin auch ein warmer Beförderer des Kunsthandwerks,
^ hat in diesen Richtungen und bei zahlreichen gelegentlichen Ehrenvorsitzen
durch seine warme Beistimmung und zuweilen durch seiue Einwirkung auf die
Regierung allerlei Förderliches gethan, aber solche Thätigkeit auf Seitenpfaden
war zuletzt für einen großen Fürsten nnr Zeitvertreib und Spiel. Noch einmal
hob sich seine Kraft, als er im Jahre 1878 nach der Verwundung des Kaisers
Mr Stellvertretung berufen wurde. Die gehäufte Arbeit, die Verantwortung,
das hohe Amt gaben ihm eine Zeit lang Spannung und seinem Geiste neue
Schwingen, zur Freude und Überraschung seiner Umgebung. Aber mit dieser
Verantwortlicher Thätigkeit entwich wieder der Lebensmut. Er gab sich mit


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[0325] Der Aronprinz Friedrich Wilhelm in' die Seelen und Gewohnheiten der Deutschen. Das Wesen des alten Kaisers, U'einher die Macht liebte, aber, wo es sich um Ernstes handelte, den Schein gering achtete, der durchaus nicht bereitwillig die Kaiserkrone auf sein Haupt genommen hatte, der von den angebornen Rechten der deutschen Fürsten hoch dachte und dieselben, wo er irgend konnte, sorgfältig zu berücksichtigen bestrebt war, dieses ruhige, maßvolle Wesen eines bejahrten Herrn, der schon durch sein Alter vielen der Anspruchsvollen Ehrfurcht einflößte, war wie von der Vorsehung zuerteilt, um dem deutscheu Landesherrn den Übergang in das neue Wesen möglichst schmerzlos zu machen, Auch im Volke standen die Parteien unter dem Zauber dieser greisen Gestalt, die immer ehrwürdiger wurde, zuletzt wie ein Wunder erschien und berechtigte wie unberechtigte An¬ sprüche allein durch ihre Dauer auf die Zukunft verwies. Aber der ihm am Nächsten stand in Ehren und in der Zuneigung des Volkes, verlebte diese Zeit der Einrichtung eines neuen Lebens, die Feststellung des Kaiserreichs, das gerade er so heiß ersehnt hatte, zur Seite stehend, in thatlosem Hnrreu. Er fühlte die Leere, eine gewisse Ermüdung trat ein, Verstimmung überkam ihm, welche immer großer wurde. Daß die Einwirkung dieser Zeit den Kronprinzen so sehr niederdrückte, lag zum großen Teil in seiner Natur, die durchaus nicht aktiv war. Wäre er mit rüstiger Thatkraft ausgestattet gewesen, so würde er trotz mancher Hindernisse eine Beteiligung an der Staatsregierung auf allen Gebieten durchgesetzt haben, welche dem Vater nicht vorzugsweise am Herzen lagen. Doch er besaß zwar den Fleiß und die Pflichttreue der Hohenzollern in der Erfüllung einer gestellten Aufgabe, aber nicht die Unternehmungslust und Schaffensfreude, und auf den wichtigsten Gebieten der Verwaltung wohl auch nicht das Geschick zu befehlen, wie etwas werden sollte. Was der Kaiser nach dem Jahre 1870 that, um ihm eine bestimmte Thätigkeit zuzuleiten, das reichte nicht aus. Der Kronprinz erhielt die Inspektion über die süddeutschen Armeekorps und übte durch sein Erscheinen in der That eine sehr wohlthätige Einwirkung aus, aber diese Thätigkeit war doch nicht viel andres als fürst¬ liche Repräsentation. Er wurde zum Protektor der Museen, der Knnstangelegen- heiten ernannt, was ihm wohl mehr nach dem Herzen war. Er wurde nach dem Beispiel seiner Gemahlin auch ein warmer Beförderer des Kunsthandwerks, ^ hat in diesen Richtungen und bei zahlreichen gelegentlichen Ehrenvorsitzen durch seine warme Beistimmung und zuweilen durch seiue Einwirkung auf die Regierung allerlei Förderliches gethan, aber solche Thätigkeit auf Seitenpfaden war zuletzt für einen großen Fürsten nnr Zeitvertreib und Spiel. Noch einmal hob sich seine Kraft, als er im Jahre 1878 nach der Verwundung des Kaisers Mr Stellvertretung berufen wurde. Die gehäufte Arbeit, die Verantwortung, das hohe Amt gaben ihm eine Zeit lang Spannung und seinem Geiste neue Schwingen, zur Freude und Überraschung seiner Umgebung. Aber mit dieser Verantwortlicher Thätigkeit entwich wieder der Lebensmut. Er gab sich mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/325>, abgerufen am 01.07.2024.