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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der Kronprinz Friedrich Mlchelm

sagen, und das darf für keinen Hohenzollern gelten," schloß er heftig. Diese
Worte, schließt Freitag seine Mitteilung, gestatteten, tief in sei" Gemüt zu
sehen, er war erfüllt von dem fürstlichen Stolze, der das Höchste für sich be¬
gehrt, und die höchste fürstliche Stellung war für ihn die unter der Kaiser¬
krone, So tief war diese Forderung in seinem Wesen begründet und so eng
verbunden mit seiner Auffassung von fürstlicher Hoheit, daß alles weitere Ein¬
reden nichtig sein mußte." So verhalt sichs auch in Petersbach, Wenn er
dort und später an die Kaiserkrone dachte, so stand ihm dabei Erhöhung des
Glanzes seines Hauses und sein eignes Zukunftsbild vor Auge", aber nicht
oder doch nur sehr entfernt die Einheit Deutschlands und seiner Lebensinter-
essen, die diese Krone für uns in sich birgt und versinnbildlicht; wenigstens
enthalten die Berichte Freytags nichts, was von solcher patriotischen Auffassung
der Angelegenheit erzählte oder mit einiger Sicherheit darauf schließen ließe.
Daraus Folgerungen zu ziehen, überlassen wir unsern Lesern; es lassen sich
viele und darunter sehr wichtige daraus gewinnen.

Aus den Bemerkungen, die der Verfasser aus späterer Erfahrung hinzu¬
fügt, hebe" wir zunächst folgende hervor. Das Gemüt des Kronprinzen war
"weich und warm, menschenfreundlich und opferbereit, und wo er vertraute,
gab er mehr von seinem Wesen als wohl el" andrer Fürst. Aber untilgbar
haftete in seiner Seele die herkömmliche fürstliche Anfsnssuug von Rang und
Stand; wo er Veranlassung hatte, sich an seine eignen Ansprüche zu erinnern,
war er hochfahrender als andre seiner Standesgenossen, und wo er nicht
gemütlich stark angezogen wurde oder durch volkstümliches Gewähren wirken
wollte, betrachtete er die Menschen unwillkürlich nach deu Abstufungen, welche
die Monarchie auch denen zuleiten mochte, die nicht im Dienste stehen.
Er scherzte gern über die feinen Unterschiede und Bedeutungen der preußischen
Orden und Bänder, ihm selbst aber wäre es als eine ernste Sache erschienen,
den unfertigen Schwanenvrden, der durchaus nicht gelingen will, und ähnliches
einzurichten, was die Stufenleiter aller, die unter dem Regenten stehen, ver¬
längert. Einzelheiten der Zeremoniells, Einrichtung von Festlichkeiten, bei
denen der Fürst sich als Mittelpunkt Prächtig darstellt, waren für ihn von
Wichtigkeit, sein Banner und am Ende des Jahres 1870 die Erfindungen
Stillfrieds, eigne Krone und neue Wappen für ihn und die Kronprinzessin,
wären ihm ernste Angelegenheit." Der Kronprinz hatte in der oben erwähnten
Denkschrift für den Bundeskanzler "sich enthalten, etwas von dem zu erwähnen,
was für ihn das Wichtigste war." Erst am 20. August, wo er in das große
Hauptquartier nach^Nancy gefahren war, hat er davon gesprochen Sulche zum
Kanzler, der sich gar nicht in Nancy befand^, und in Reims sagte er, "daß
Graf Bismarck den Gedanken zu wohlwollender Erwägung aufgenommen habe."
Freytag meint, daß der letztere "als Preuße gerade keine Begeisterung für solche
Prächtige Zugabe zu wirklicher Macht gehabt haben wird, und daß er als


Der Kronprinz Friedrich Mlchelm

sagen, und das darf für keinen Hohenzollern gelten,« schloß er heftig. Diese
Worte, schließt Freitag seine Mitteilung, gestatteten, tief in sei» Gemüt zu
sehen, er war erfüllt von dem fürstlichen Stolze, der das Höchste für sich be¬
gehrt, und die höchste fürstliche Stellung war für ihn die unter der Kaiser¬
krone, So tief war diese Forderung in seinem Wesen begründet und so eng
verbunden mit seiner Auffassung von fürstlicher Hoheit, daß alles weitere Ein¬
reden nichtig sein mußte." So verhalt sichs auch in Petersbach, Wenn er
dort und später an die Kaiserkrone dachte, so stand ihm dabei Erhöhung des
Glanzes seines Hauses und sein eignes Zukunftsbild vor Auge», aber nicht
oder doch nur sehr entfernt die Einheit Deutschlands und seiner Lebensinter-
essen, die diese Krone für uns in sich birgt und versinnbildlicht; wenigstens
enthalten die Berichte Freytags nichts, was von solcher patriotischen Auffassung
der Angelegenheit erzählte oder mit einiger Sicherheit darauf schließen ließe.
Daraus Folgerungen zu ziehen, überlassen wir unsern Lesern; es lassen sich
viele und darunter sehr wichtige daraus gewinnen.

Aus den Bemerkungen, die der Verfasser aus späterer Erfahrung hinzu¬
fügt, hebe» wir zunächst folgende hervor. Das Gemüt des Kronprinzen war
„weich und warm, menschenfreundlich und opferbereit, und wo er vertraute,
gab er mehr von seinem Wesen als wohl el» andrer Fürst. Aber untilgbar
haftete in seiner Seele die herkömmliche fürstliche Anfsnssuug von Rang und
Stand; wo er Veranlassung hatte, sich an seine eignen Ansprüche zu erinnern,
war er hochfahrender als andre seiner Standesgenossen, und wo er nicht
gemütlich stark angezogen wurde oder durch volkstümliches Gewähren wirken
wollte, betrachtete er die Menschen unwillkürlich nach deu Abstufungen, welche
die Monarchie auch denen zuleiten mochte, die nicht im Dienste stehen.
Er scherzte gern über die feinen Unterschiede und Bedeutungen der preußischen
Orden und Bänder, ihm selbst aber wäre es als eine ernste Sache erschienen,
den unfertigen Schwanenvrden, der durchaus nicht gelingen will, und ähnliches
einzurichten, was die Stufenleiter aller, die unter dem Regenten stehen, ver¬
längert. Einzelheiten der Zeremoniells, Einrichtung von Festlichkeiten, bei
denen der Fürst sich als Mittelpunkt Prächtig darstellt, waren für ihn von
Wichtigkeit, sein Banner und am Ende des Jahres 1870 die Erfindungen
Stillfrieds, eigne Krone und neue Wappen für ihn und die Kronprinzessin,
wären ihm ernste Angelegenheit." Der Kronprinz hatte in der oben erwähnten
Denkschrift für den Bundeskanzler „sich enthalten, etwas von dem zu erwähnen,
was für ihn das Wichtigste war." Erst am 20. August, wo er in das große
Hauptquartier nach^Nancy gefahren war, hat er davon gesprochen Sulche zum
Kanzler, der sich gar nicht in Nancy befand^, und in Reims sagte er, „daß
Graf Bismarck den Gedanken zu wohlwollender Erwägung aufgenommen habe."
Freytag meint, daß der letztere „als Preuße gerade keine Begeisterung für solche
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[0323] Der Kronprinz Friedrich Mlchelm sagen, und das darf für keinen Hohenzollern gelten,« schloß er heftig. Diese Worte, schließt Freitag seine Mitteilung, gestatteten, tief in sei» Gemüt zu sehen, er war erfüllt von dem fürstlichen Stolze, der das Höchste für sich be¬ gehrt, und die höchste fürstliche Stellung war für ihn die unter der Kaiser¬ krone, So tief war diese Forderung in seinem Wesen begründet und so eng verbunden mit seiner Auffassung von fürstlicher Hoheit, daß alles weitere Ein¬ reden nichtig sein mußte." So verhalt sichs auch in Petersbach, Wenn er dort und später an die Kaiserkrone dachte, so stand ihm dabei Erhöhung des Glanzes seines Hauses und sein eignes Zukunftsbild vor Auge», aber nicht oder doch nur sehr entfernt die Einheit Deutschlands und seiner Lebensinter- essen, die diese Krone für uns in sich birgt und versinnbildlicht; wenigstens enthalten die Berichte Freytags nichts, was von solcher patriotischen Auffassung der Angelegenheit erzählte oder mit einiger Sicherheit darauf schließen ließe. Daraus Folgerungen zu ziehen, überlassen wir unsern Lesern; es lassen sich viele und darunter sehr wichtige daraus gewinnen. Aus den Bemerkungen, die der Verfasser aus späterer Erfahrung hinzu¬ fügt, hebe» wir zunächst folgende hervor. Das Gemüt des Kronprinzen war „weich und warm, menschenfreundlich und opferbereit, und wo er vertraute, gab er mehr von seinem Wesen als wohl el» andrer Fürst. Aber untilgbar haftete in seiner Seele die herkömmliche fürstliche Anfsnssuug von Rang und Stand; wo er Veranlassung hatte, sich an seine eignen Ansprüche zu erinnern, war er hochfahrender als andre seiner Standesgenossen, und wo er nicht gemütlich stark angezogen wurde oder durch volkstümliches Gewähren wirken wollte, betrachtete er die Menschen unwillkürlich nach deu Abstufungen, welche die Monarchie auch denen zuleiten mochte, die nicht im Dienste stehen. Er scherzte gern über die feinen Unterschiede und Bedeutungen der preußischen Orden und Bänder, ihm selbst aber wäre es als eine ernste Sache erschienen, den unfertigen Schwanenvrden, der durchaus nicht gelingen will, und ähnliches einzurichten, was die Stufenleiter aller, die unter dem Regenten stehen, ver¬ längert. Einzelheiten der Zeremoniells, Einrichtung von Festlichkeiten, bei denen der Fürst sich als Mittelpunkt Prächtig darstellt, waren für ihn von Wichtigkeit, sein Banner und am Ende des Jahres 1870 die Erfindungen Stillfrieds, eigne Krone und neue Wappen für ihn und die Kronprinzessin, wären ihm ernste Angelegenheit." Der Kronprinz hatte in der oben erwähnten Denkschrift für den Bundeskanzler „sich enthalten, etwas von dem zu erwähnen, was für ihn das Wichtigste war." Erst am 20. August, wo er in das große Hauptquartier nach^Nancy gefahren war, hat er davon gesprochen Sulche zum Kanzler, der sich gar nicht in Nancy befand^, und in Reims sagte er, „daß Graf Bismarck den Gedanken zu wohlwollender Erwägung aufgenommen habe." Freytag meint, daß der letztere „als Preuße gerade keine Begeisterung für solche Prächtige Zugabe zu wirklicher Macht gehabt haben wird, und daß er als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/323>, abgerufen am 02.07.2024.