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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Junge Tiede

sah mit glühenden Wangen und mit unruhigem Eifer ihr Haar flechtend.
Es kam auch allmählich el" Ausdruck von wirklicher Angst in ihr Gesicht
und ein schwaches Lebe" in ihre Auge", während sie Martha ""verwandt
anstarrte.

Willst du nicht mit zum Fest? fragte sie endlich.

Beim Klang ihrer Stimme wandte Martha sich um und betrachtete sie
mit halb erstaunten, halb gleichgiltigem Blick.

Nein, antwortete sie kurz und drehte sich wieder nach dem Spiegel um.

Darauf wurde es eine Weile still. Ellen trat abermals einige Schritte
vor und legte die Hand auf einen Stnhlriicken, ihr Ange aber hing unbeweglich
an dem des Kindes.

Vielleicht kommt Jesper und holt dich? fragte sie darauf, und ihre Stimme
zitterte leise.

Ha ha ha! Jesper! Das wollt'ich meinen ! Nein, die Umstände macht er
sich wohl nicht! Es sind übrigens, glaube ich, acht Tage her, seit wir ihn
zuletzt gesehen haben, also ist er wohl auf Reisen gegangen. Wenn er sich
nur allein zurechtfindet, der Arme! War es nicht Sören, der ihn neulich in
einem Graben getroffen hat? Am Ende liegt er noch dort!

Ellen setzte sich schwerfällig auf einen Stuhl. Das -- das ist nicht
wahr! stammelte sie eifrig. Sören ist ein Esel, der nicht weiß, was er sieht.
Du solltest nicht so über Jesper reden, Martha. Er ist doch dein Bräutigam.
Vielleicht macht er sich auch mehr aus dir, als du denkst. Und wenn er in den
letzten Tagen nicht hier gewesen ist, so kann das ganz andre Gründe haben,
als du glaubst. Ich sage nur, daß du wohl auf andre Gedanken kommen
wirst, wenn du einsiehst, wie viel besser er ist, als du meinst. Und darum,
Martha, solltest dn auch nicht --

Martha wandte sich jetzt völlig um und blickte die Mutter mit wachsendem
Staunen an. Dies war die längste Rede, die sie seit vielen Jahren aus ihrem
Munde vernommen hatte.

Nun, sagte sie endlich, du läßt es dir ja auf einmal ordentlich sauer
werden, ihn herauszustreichen. Hast du neulich nicht selbst gesehen, daß er mir
mit geballter Faust drohte, oder daß er die Fensterscheibe zu meiner Kammer
einschlug? Wenn das seine Liebe zu mir ist, dann will ich am liebsten nichts
davon wissen.

Du weißt es recht gut, Martha, daß du ihn selber so wütend machst.
Wenn du nur wolltest --

Unsinn! wenn er mich nur in Ruhe lassen wollte, würde ich ihm auch
keinen Schaden thun. Ich habe ihn nicht gebeten, mich zu nehmen, und
wenn er meiner überdrüssig ist, so kann er mich ja laufen lassen!

Sie schleuderte heftig die fertige Flechte über die Schulter, wie um das
Gespräch zum Abschluß zu bringen.


Junge Tiede

sah mit glühenden Wangen und mit unruhigem Eifer ihr Haar flechtend.
Es kam auch allmählich el» Ausdruck von wirklicher Angst in ihr Gesicht
und ein schwaches Lebe» in ihre Auge», während sie Martha »»verwandt
anstarrte.

Willst du nicht mit zum Fest? fragte sie endlich.

Beim Klang ihrer Stimme wandte Martha sich um und betrachtete sie
mit halb erstaunten, halb gleichgiltigem Blick.

Nein, antwortete sie kurz und drehte sich wieder nach dem Spiegel um.

Darauf wurde es eine Weile still. Ellen trat abermals einige Schritte
vor und legte die Hand auf einen Stnhlriicken, ihr Ange aber hing unbeweglich
an dem des Kindes.

Vielleicht kommt Jesper und holt dich? fragte sie darauf, und ihre Stimme
zitterte leise.

Ha ha ha! Jesper! Das wollt'ich meinen ! Nein, die Umstände macht er
sich wohl nicht! Es sind übrigens, glaube ich, acht Tage her, seit wir ihn
zuletzt gesehen haben, also ist er wohl auf Reisen gegangen. Wenn er sich
nur allein zurechtfindet, der Arme! War es nicht Sören, der ihn neulich in
einem Graben getroffen hat? Am Ende liegt er noch dort!

Ellen setzte sich schwerfällig auf einen Stuhl. Das — das ist nicht
wahr! stammelte sie eifrig. Sören ist ein Esel, der nicht weiß, was er sieht.
Du solltest nicht so über Jesper reden, Martha. Er ist doch dein Bräutigam.
Vielleicht macht er sich auch mehr aus dir, als du denkst. Und wenn er in den
letzten Tagen nicht hier gewesen ist, so kann das ganz andre Gründe haben,
als du glaubst. Ich sage nur, daß du wohl auf andre Gedanken kommen
wirst, wenn du einsiehst, wie viel besser er ist, als du meinst. Und darum,
Martha, solltest dn auch nicht —

Martha wandte sich jetzt völlig um und blickte die Mutter mit wachsendem
Staunen an. Dies war die längste Rede, die sie seit vielen Jahren aus ihrem
Munde vernommen hatte.

Nun, sagte sie endlich, du läßt es dir ja auf einmal ordentlich sauer
werden, ihn herauszustreichen. Hast du neulich nicht selbst gesehen, daß er mir
mit geballter Faust drohte, oder daß er die Fensterscheibe zu meiner Kammer
einschlug? Wenn das seine Liebe zu mir ist, dann will ich am liebsten nichts
davon wissen.

Du weißt es recht gut, Martha, daß du ihn selber so wütend machst.
Wenn du nur wolltest —

Unsinn! wenn er mich nur in Ruhe lassen wollte, würde ich ihm auch
keinen Schaden thun. Ich habe ihn nicht gebeten, mich zu nehmen, und
wenn er meiner überdrüssig ist, so kann er mich ja laufen lassen!

Sie schleuderte heftig die fertige Flechte über die Schulter, wie um das
Gespräch zum Abschluß zu bringen.


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[0299] Junge Tiede sah mit glühenden Wangen und mit unruhigem Eifer ihr Haar flechtend. Es kam auch allmählich el» Ausdruck von wirklicher Angst in ihr Gesicht und ein schwaches Lebe» in ihre Auge», während sie Martha »»verwandt anstarrte. Willst du nicht mit zum Fest? fragte sie endlich. Beim Klang ihrer Stimme wandte Martha sich um und betrachtete sie mit halb erstaunten, halb gleichgiltigem Blick. Nein, antwortete sie kurz und drehte sich wieder nach dem Spiegel um. Darauf wurde es eine Weile still. Ellen trat abermals einige Schritte vor und legte die Hand auf einen Stnhlriicken, ihr Ange aber hing unbeweglich an dem des Kindes. Vielleicht kommt Jesper und holt dich? fragte sie darauf, und ihre Stimme zitterte leise. Ha ha ha! Jesper! Das wollt'ich meinen ! Nein, die Umstände macht er sich wohl nicht! Es sind übrigens, glaube ich, acht Tage her, seit wir ihn zuletzt gesehen haben, also ist er wohl auf Reisen gegangen. Wenn er sich nur allein zurechtfindet, der Arme! War es nicht Sören, der ihn neulich in einem Graben getroffen hat? Am Ende liegt er noch dort! Ellen setzte sich schwerfällig auf einen Stuhl. Das — das ist nicht wahr! stammelte sie eifrig. Sören ist ein Esel, der nicht weiß, was er sieht. Du solltest nicht so über Jesper reden, Martha. Er ist doch dein Bräutigam. Vielleicht macht er sich auch mehr aus dir, als du denkst. Und wenn er in den letzten Tagen nicht hier gewesen ist, so kann das ganz andre Gründe haben, als du glaubst. Ich sage nur, daß du wohl auf andre Gedanken kommen wirst, wenn du einsiehst, wie viel besser er ist, als du meinst. Und darum, Martha, solltest dn auch nicht — Martha wandte sich jetzt völlig um und blickte die Mutter mit wachsendem Staunen an. Dies war die längste Rede, die sie seit vielen Jahren aus ihrem Munde vernommen hatte. Nun, sagte sie endlich, du läßt es dir ja auf einmal ordentlich sauer werden, ihn herauszustreichen. Hast du neulich nicht selbst gesehen, daß er mir mit geballter Faust drohte, oder daß er die Fensterscheibe zu meiner Kammer einschlug? Wenn das seine Liebe zu mir ist, dann will ich am liebsten nichts davon wissen. Du weißt es recht gut, Martha, daß du ihn selber so wütend machst. Wenn du nur wolltest — Unsinn! wenn er mich nur in Ruhe lassen wollte, würde ich ihm auch keinen Schaden thun. Ich habe ihn nicht gebeten, mich zu nehmen, und wenn er meiner überdrüssig ist, so kann er mich ja laufen lassen! Sie schleuderte heftig die fertige Flechte über die Schulter, wie um das Gespräch zum Abschluß zu bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/299>, abgerufen am 22.12.2024.