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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Kurv ihre Verurteilung von dem deutsche" Volke und der deutschen Reichs¬
regierung erhalten hatte, sich allgemeinen sozialen Problemen, die besonders
brennend geworden sind, zuwenden.

Die neueste Veröffentlichung des Vereins enthält eine Schilderung der
Litteratur, der heutigen Zustände und der Entstehung der deutschen Haus-
industrie, einer geluerblichen IlnternehmuugSfvrni, die erst seit kurzer Zeit die
Wnuschenswerte Berücksichtigung in Theorie und Praxis gefunden hat, von
Professor Dr, Wilhelm Stieda (Leipzig, Duncker nud Humblot, 18.W). Die
Wahl dieses Verfassers muß von vornherein als eine glückliche bezeichnet werden.
Stieda ist derjenige deutsche Theoretiker, der sich mit dieser Unternehmnngsfvrm
am eingehendsten und liebevollsten beschäftigt und schon mehrfach bedeutende
Arbeiten darüber veröffentlicht hat. Seine Darstellung darf als mustergiltig
bezeichnet werdeu. Stieda behandelt deu Stoff auf Grund des vorhandnen
gedruckten Materials, indem er es sichtet, ordnet, iritisirt. Der Wunsch nach
einem vollständigern Erfassen der gegenwärtigen hansindnstriellen Erscheinungen
liegt nahe, da selbst die Berufszähluug von t"82, die das entschiedne Verdienst
hat, zum erstenmale eine statistische Erhebung über die deutsche Hausindustrie
geliefert zu haben, nicht als erschöpfend betrachtet werden kann, zum Teil auch
veraltet ist. Der Verein für Sozialpolitik hat es in die Hand genommen, neue
Ermittlungen über die deutsche Hausindustrie anzustellen und weiteres Material
zu sammeln, um dann die wichtige Frage entscheiden zu können, ob eine
Besserung der unzweifelhaft in der Hausindustrie vorhandnen Mißstände ans
dem Wege der Gesetzgebung oder besser ans dem der Selbsthilfe zu hoffen sei.
Die Bezirke Berlin, Breslau, Leipzig, Dresden, Bremen, Lothringen, der
württembergische Schwarzwaldkreis, Reus; ältere und jüngere Linie, Erfurt,
Schwarzburg-Rudolstadt und SchU'arzbnrg-Sondershausen, Schaumburg-Lippe
sind noch gar nicht hinsichtlich ihrer hausindustriellen Verhältnisse beschrieben
worden, hier sind wir allein auf die Neichsstatistik angewiesen. Für diese Ge¬
biete werden die Ermittlungen des Vereins für Sozialpolitik eine hervorragende
Bedeutung erlangen. Ihrer Veröffentlichung, die dem genannten ersten Baude
alsbald folgen soll, darf man daher mit Spannung entgegensehen.

Wenn auch die deutsche Hausindustrie erst in neuester Zeit die Beachtung
gefunden hat, die ihrer Bedeutung für das nationale Wirtschaftsleben entspricht,
so haben sich doch Männer wie Moritz Mohl, O. Schwarz, David Born,
Schmoller, Karl Marx, Max Wirth, Engel/A. Held, Röscher, Lcxis, Schön-
berg n. a. schon seit dem Jahre 1328 theoretisch mit ihr beschäftigt und ihre
Abweichungen von Handwerk und Fnbrikthätigkeit mit mehr oder weniger
Klarheit dargestellt. Als charakteristische Eigentümlichkeiten der Hnusiudnstrie
hat man festgestellt Massenproduktion, Arbeit im Hanse, abhängige Lage von,
Großkapital, Absatz außerhalb des Produktivnsortes durch Vertrieb im Großen
ans Rechnung eines Kaufmanns oder Fabrikanten. Vom Handwerk unter-


?le deutsche l^aosixdüstrie

Kurv ihre Verurteilung von dem deutsche» Volke und der deutschen Reichs¬
regierung erhalten hatte, sich allgemeinen sozialen Problemen, die besonders
brennend geworden sind, zuwenden.

Die neueste Veröffentlichung des Vereins enthält eine Schilderung der
Litteratur, der heutigen Zustände und der Entstehung der deutschen Haus-
industrie, einer geluerblichen IlnternehmuugSfvrni, die erst seit kurzer Zeit die
Wnuschenswerte Berücksichtigung in Theorie und Praxis gefunden hat, von
Professor Dr, Wilhelm Stieda (Leipzig, Duncker nud Humblot, 18.W). Die
Wahl dieses Verfassers muß von vornherein als eine glückliche bezeichnet werden.
Stieda ist derjenige deutsche Theoretiker, der sich mit dieser Unternehmnngsfvrm
am eingehendsten und liebevollsten beschäftigt und schon mehrfach bedeutende
Arbeiten darüber veröffentlicht hat. Seine Darstellung darf als mustergiltig
bezeichnet werdeu. Stieda behandelt deu Stoff auf Grund des vorhandnen
gedruckten Materials, indem er es sichtet, ordnet, iritisirt. Der Wunsch nach
einem vollständigern Erfassen der gegenwärtigen hansindnstriellen Erscheinungen
liegt nahe, da selbst die Berufszähluug von t»82, die das entschiedne Verdienst
hat, zum erstenmale eine statistische Erhebung über die deutsche Hausindustrie
geliefert zu haben, nicht als erschöpfend betrachtet werden kann, zum Teil auch
veraltet ist. Der Verein für Sozialpolitik hat es in die Hand genommen, neue
Ermittlungen über die deutsche Hausindustrie anzustellen und weiteres Material
zu sammeln, um dann die wichtige Frage entscheiden zu können, ob eine
Besserung der unzweifelhaft in der Hausindustrie vorhandnen Mißstände ans
dem Wege der Gesetzgebung oder besser ans dem der Selbsthilfe zu hoffen sei.
Die Bezirke Berlin, Breslau, Leipzig, Dresden, Bremen, Lothringen, der
württembergische Schwarzwaldkreis, Reus; ältere und jüngere Linie, Erfurt,
Schwarzburg-Rudolstadt und SchU'arzbnrg-Sondershausen, Schaumburg-Lippe
sind noch gar nicht hinsichtlich ihrer hausindustriellen Verhältnisse beschrieben
worden, hier sind wir allein auf die Neichsstatistik angewiesen. Für diese Ge¬
biete werden die Ermittlungen des Vereins für Sozialpolitik eine hervorragende
Bedeutung erlangen. Ihrer Veröffentlichung, die dem genannten ersten Baude
alsbald folgen soll, darf man daher mit Spannung entgegensehen.

Wenn auch die deutsche Hausindustrie erst in neuester Zeit die Beachtung
gefunden hat, die ihrer Bedeutung für das nationale Wirtschaftsleben entspricht,
so haben sich doch Männer wie Moritz Mohl, O. Schwarz, David Born,
Schmoller, Karl Marx, Max Wirth, Engel/A. Held, Röscher, Lcxis, Schön-
berg n. a. schon seit dem Jahre 1328 theoretisch mit ihr beschäftigt und ihre
Abweichungen von Handwerk und Fnbrikthätigkeit mit mehr oder weniger
Klarheit dargestellt. Als charakteristische Eigentümlichkeiten der Hnusiudnstrie
hat man festgestellt Massenproduktion, Arbeit im Hanse, abhängige Lage von,
Großkapital, Absatz außerhalb des Produktivnsortes durch Vertrieb im Großen
ans Rechnung eines Kaufmanns oder Fabrikanten. Vom Handwerk unter-


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[0264] ?le deutsche l^aosixdüstrie Kurv ihre Verurteilung von dem deutsche» Volke und der deutschen Reichs¬ regierung erhalten hatte, sich allgemeinen sozialen Problemen, die besonders brennend geworden sind, zuwenden. Die neueste Veröffentlichung des Vereins enthält eine Schilderung der Litteratur, der heutigen Zustände und der Entstehung der deutschen Haus- industrie, einer geluerblichen IlnternehmuugSfvrni, die erst seit kurzer Zeit die Wnuschenswerte Berücksichtigung in Theorie und Praxis gefunden hat, von Professor Dr, Wilhelm Stieda (Leipzig, Duncker nud Humblot, 18.W). Die Wahl dieses Verfassers muß von vornherein als eine glückliche bezeichnet werden. Stieda ist derjenige deutsche Theoretiker, der sich mit dieser Unternehmnngsfvrm am eingehendsten und liebevollsten beschäftigt und schon mehrfach bedeutende Arbeiten darüber veröffentlicht hat. Seine Darstellung darf als mustergiltig bezeichnet werdeu. Stieda behandelt deu Stoff auf Grund des vorhandnen gedruckten Materials, indem er es sichtet, ordnet, iritisirt. Der Wunsch nach einem vollständigern Erfassen der gegenwärtigen hansindnstriellen Erscheinungen liegt nahe, da selbst die Berufszähluug von t»82, die das entschiedne Verdienst hat, zum erstenmale eine statistische Erhebung über die deutsche Hausindustrie geliefert zu haben, nicht als erschöpfend betrachtet werden kann, zum Teil auch veraltet ist. Der Verein für Sozialpolitik hat es in die Hand genommen, neue Ermittlungen über die deutsche Hausindustrie anzustellen und weiteres Material zu sammeln, um dann die wichtige Frage entscheiden zu können, ob eine Besserung der unzweifelhaft in der Hausindustrie vorhandnen Mißstände ans dem Wege der Gesetzgebung oder besser ans dem der Selbsthilfe zu hoffen sei. Die Bezirke Berlin, Breslau, Leipzig, Dresden, Bremen, Lothringen, der württembergische Schwarzwaldkreis, Reus; ältere und jüngere Linie, Erfurt, Schwarzburg-Rudolstadt und SchU'arzbnrg-Sondershausen, Schaumburg-Lippe sind noch gar nicht hinsichtlich ihrer hausindustriellen Verhältnisse beschrieben worden, hier sind wir allein auf die Neichsstatistik angewiesen. Für diese Ge¬ biete werden die Ermittlungen des Vereins für Sozialpolitik eine hervorragende Bedeutung erlangen. Ihrer Veröffentlichung, die dem genannten ersten Baude alsbald folgen soll, darf man daher mit Spannung entgegensehen. Wenn auch die deutsche Hausindustrie erst in neuester Zeit die Beachtung gefunden hat, die ihrer Bedeutung für das nationale Wirtschaftsleben entspricht, so haben sich doch Männer wie Moritz Mohl, O. Schwarz, David Born, Schmoller, Karl Marx, Max Wirth, Engel/A. Held, Röscher, Lcxis, Schön- berg n. a. schon seit dem Jahre 1328 theoretisch mit ihr beschäftigt und ihre Abweichungen von Handwerk und Fnbrikthätigkeit mit mehr oder weniger Klarheit dargestellt. Als charakteristische Eigentümlichkeiten der Hnusiudnstrie hat man festgestellt Massenproduktion, Arbeit im Hanse, abhängige Lage von, Großkapital, Absatz außerhalb des Produktivnsortes durch Vertrieb im Großen ans Rechnung eines Kaufmanns oder Fabrikanten. Vom Handwerk unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/264>, abgerufen am 02.07.2024.