Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn sie ihn am Barte gezupft, ihres muntern Lachens, wenn sie ihm eine
Rolle Kautabak gestohlen oder seine Nasenlöcher voll Schnupftabak gestopft
hatte. Und Mieder schüttelte er seinen alten, runzlige" Kopf und seufzte tief
auf durch das schnarchende Pfeifenrohr.

Was hast du ihm geantwortet, Martha? fragte er endlich, ohne sie an¬
zusehen oder seine Stellung zu verändern.

Wein? erwiderte sie, ebenfalls ohne aufzublicken.

Ihm -- Jesper.

Ach so!

Hat er nicht um dich angehalten?

Freilich hat er das gethan!

Nun, nud was sagst du denn dazu?

Da sie aber nichts darauf erwiderte, nahm er die Pfeife ans seinem
Munde, fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen und wandte sich dem"
zu ihr.

Hör eiumnl, mein Herz, begann er eindringlich. Es kann, weis; Gott,
nicht so fort gehen, daß du den Kopf so hängen läßt. Was ist dir denn nur
zugestoßen? Ist dir denn die gute Laune ganz abhanden gekommen? Oder --
sollte es da drinnen mit dem Uhrwerk uicht ganz seine Nichtigkeit haben? Ist
etwa irgend eine kleine Feder gesprungen? -- Er beugte sich liebevoll zu ihr hinab
und schaute ihr ins Antlitz. -- Hast dn nicht Beklemmungen, mein Kind? Etwa
einen Druck vor der Herzgrube? und tritt dir uicht das Wasser in die Augen?
Laß dir darum wirklich keine grauen Haare wachsen, mein Schatz! Soll
ich dir sagen, was das ist? -- er senkte liebevoll die Stimme -- daS ist Liebe!
nicht wahr? Das ist, hol mich der Teufel! nichts andre? als die Liebe! Ich
bin auch einmal jung gewesen, ich weiß recht gut damit Bescheid. Die Liebe
kommt im Frühling ebenso sicher wie der Staar und der Storch, deswegen
braucht dir aber nicht bange zu sein. Das ist der Segen des lieben Gottes,
mein Kind, wie unser alter Küster sagte. Das soll nun einmal so sein, sagte
er, und darum muß man es geduldig hinnehmen. Aber sag mir doch,
Martha, was hast du im Gründe gegen Jesper? Ist er nicht ein Prächtiger
Kerl, klar und fest vom Kopf bis zum Fuß und ein so tüchtiger Arbeiter, mie
sich ihn ein Mädchen nur wünschen kann? Was hat es da zu sagen, wenn er
vielleicht einmal einen über den Durst trinkt, oder wenn ihn: die Faust ein
bißchen lockrer sitzt, als gut ist? Dn meines Lebens Herr! Darauf kommt
es doch wirklich nicht an; wir haben alle unsre Fehler. Wodurch bin ich
denn selber zum Krüppel geworden? Und doch kann ich vor Gott und allen
Menschen behaupten, daß meine alte Lene, Gott hab sie selig, dankbar in ihr
Grab gestiegen ist. Ach was, sagte sie manch liebes mal, wenns Herz nur frisch
ist! Und dann -- das giebt sich alles, wenn ihr erst bei einander seid. Die
Liebe zieht besser als sechs Pferde, sagt ein altes Sprichwort; und Jesper


Gmizlwte" IV 1889 ÜI,

wenn sie ihn am Barte gezupft, ihres muntern Lachens, wenn sie ihm eine
Rolle Kautabak gestohlen oder seine Nasenlöcher voll Schnupftabak gestopft
hatte. Und Mieder schüttelte er seinen alten, runzlige» Kopf und seufzte tief
auf durch das schnarchende Pfeifenrohr.

Was hast du ihm geantwortet, Martha? fragte er endlich, ohne sie an¬
zusehen oder seine Stellung zu verändern.

Wein? erwiderte sie, ebenfalls ohne aufzublicken.

Ihm — Jesper.

Ach so!

Hat er nicht um dich angehalten?

Freilich hat er das gethan!

Nun, nud was sagst du denn dazu?

Da sie aber nichts darauf erwiderte, nahm er die Pfeife ans seinem
Munde, fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen und wandte sich dem»
zu ihr.

Hör eiumnl, mein Herz, begann er eindringlich. Es kann, weis; Gott,
nicht so fort gehen, daß du den Kopf so hängen läßt. Was ist dir denn nur
zugestoßen? Ist dir denn die gute Laune ganz abhanden gekommen? Oder —
sollte es da drinnen mit dem Uhrwerk uicht ganz seine Nichtigkeit haben? Ist
etwa irgend eine kleine Feder gesprungen? — Er beugte sich liebevoll zu ihr hinab
und schaute ihr ins Antlitz. — Hast dn nicht Beklemmungen, mein Kind? Etwa
einen Druck vor der Herzgrube? und tritt dir uicht das Wasser in die Augen?
Laß dir darum wirklich keine grauen Haare wachsen, mein Schatz! Soll
ich dir sagen, was das ist? — er senkte liebevoll die Stimme — daS ist Liebe!
nicht wahr? Das ist, hol mich der Teufel! nichts andre? als die Liebe! Ich
bin auch einmal jung gewesen, ich weiß recht gut damit Bescheid. Die Liebe
kommt im Frühling ebenso sicher wie der Staar und der Storch, deswegen
braucht dir aber nicht bange zu sein. Das ist der Segen des lieben Gottes,
mein Kind, wie unser alter Küster sagte. Das soll nun einmal so sein, sagte
er, und darum muß man es geduldig hinnehmen. Aber sag mir doch,
Martha, was hast du im Gründe gegen Jesper? Ist er nicht ein Prächtiger
Kerl, klar und fest vom Kopf bis zum Fuß und ein so tüchtiger Arbeiter, mie
sich ihn ein Mädchen nur wünschen kann? Was hat es da zu sagen, wenn er
vielleicht einmal einen über den Durst trinkt, oder wenn ihn: die Faust ein
bißchen lockrer sitzt, als gut ist? Dn meines Lebens Herr! Darauf kommt
es doch wirklich nicht an; wir haben alle unsre Fehler. Wodurch bin ich
denn selber zum Krüppel geworden? Und doch kann ich vor Gott und allen
Menschen behaupten, daß meine alte Lene, Gott hab sie selig, dankbar in ihr
Grab gestiegen ist. Ach was, sagte sie manch liebes mal, wenns Herz nur frisch
ist! Und dann — das giebt sich alles, wenn ihr erst bei einander seid. Die
Liebe zieht besser als sechs Pferde, sagt ein altes Sprichwort; und Jesper


Gmizlwte» IV 1889 ÜI,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206248"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_845" prev="#ID_844"> wenn sie ihn am Barte gezupft, ihres muntern Lachens, wenn sie ihm eine<lb/>
Rolle Kautabak gestohlen oder seine Nasenlöcher voll Schnupftabak gestopft<lb/>
hatte. Und Mieder schüttelte er seinen alten, runzlige» Kopf und seufzte tief<lb/>
auf durch das schnarchende Pfeifenrohr.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_846"> Was hast du ihm geantwortet, Martha? fragte er endlich, ohne sie an¬<lb/>
zusehen oder seine Stellung zu verändern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_847"> Wein? erwiderte sie, ebenfalls ohne aufzublicken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_848"> Ihm &#x2014; Jesper.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_849"> Ach so!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_850"> Hat er nicht um dich angehalten?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_851"> Freilich hat er das gethan!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_852"> Nun, nud was sagst du denn dazu?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_853"> Da sie aber nichts darauf erwiderte, nahm er die Pfeife ans seinem<lb/>
Munde, fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen und wandte sich dem»<lb/>
zu ihr.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_854" next="#ID_855"> Hör eiumnl, mein Herz, begann er eindringlich. Es kann, weis; Gott,<lb/>
nicht so fort gehen, daß du den Kopf so hängen läßt. Was ist dir denn nur<lb/>
zugestoßen? Ist dir denn die gute Laune ganz abhanden gekommen? Oder &#x2014;<lb/>
sollte es da drinnen mit dem Uhrwerk uicht ganz seine Nichtigkeit haben? Ist<lb/>
etwa irgend eine kleine Feder gesprungen? &#x2014; Er beugte sich liebevoll zu ihr hinab<lb/>
und schaute ihr ins Antlitz. &#x2014; Hast dn nicht Beklemmungen, mein Kind? Etwa<lb/>
einen Druck vor der Herzgrube? und tritt dir uicht das Wasser in die Augen?<lb/>
Laß dir darum wirklich keine grauen Haare wachsen, mein Schatz! Soll<lb/>
ich dir sagen, was das ist? &#x2014; er senkte liebevoll die Stimme &#x2014; daS ist Liebe!<lb/>
nicht wahr? Das ist, hol mich der Teufel! nichts andre? als die Liebe! Ich<lb/>
bin auch einmal jung gewesen, ich weiß recht gut damit Bescheid. Die Liebe<lb/>
kommt im Frühling ebenso sicher wie der Staar und der Storch, deswegen<lb/>
braucht dir aber nicht bange zu sein. Das ist der Segen des lieben Gottes,<lb/>
mein Kind, wie unser alter Küster sagte. Das soll nun einmal so sein, sagte<lb/>
er, und darum muß man es geduldig hinnehmen. Aber sag mir doch,<lb/>
Martha, was hast du im Gründe gegen Jesper? Ist er nicht ein Prächtiger<lb/>
Kerl, klar und fest vom Kopf bis zum Fuß und ein so tüchtiger Arbeiter, mie<lb/>
sich ihn ein Mädchen nur wünschen kann? Was hat es da zu sagen, wenn er<lb/>
vielleicht einmal einen über den Durst trinkt, oder wenn ihn: die Faust ein<lb/>
bißchen lockrer sitzt, als gut ist? Dn meines Lebens Herr! Darauf kommt<lb/>
es doch wirklich nicht an; wir haben alle unsre Fehler. Wodurch bin ich<lb/>
denn selber zum Krüppel geworden? Und doch kann ich vor Gott und allen<lb/>
Menschen behaupten, daß meine alte Lene, Gott hab sie selig, dankbar in ihr<lb/>
Grab gestiegen ist. Ach was, sagte sie manch liebes mal, wenns Herz nur frisch<lb/>
ist! Und dann &#x2014; das giebt sich alles, wenn ihr erst bei einander seid. Die<lb/>
Liebe zieht besser als sechs Pferde, sagt ein altes Sprichwort; und Jesper</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Gmizlwte» IV 1889 ÜI,</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0249] wenn sie ihn am Barte gezupft, ihres muntern Lachens, wenn sie ihm eine Rolle Kautabak gestohlen oder seine Nasenlöcher voll Schnupftabak gestopft hatte. Und Mieder schüttelte er seinen alten, runzlige» Kopf und seufzte tief auf durch das schnarchende Pfeifenrohr. Was hast du ihm geantwortet, Martha? fragte er endlich, ohne sie an¬ zusehen oder seine Stellung zu verändern. Wein? erwiderte sie, ebenfalls ohne aufzublicken. Ihm — Jesper. Ach so! Hat er nicht um dich angehalten? Freilich hat er das gethan! Nun, nud was sagst du denn dazu? Da sie aber nichts darauf erwiderte, nahm er die Pfeife ans seinem Munde, fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen und wandte sich dem» zu ihr. Hör eiumnl, mein Herz, begann er eindringlich. Es kann, weis; Gott, nicht so fort gehen, daß du den Kopf so hängen läßt. Was ist dir denn nur zugestoßen? Ist dir denn die gute Laune ganz abhanden gekommen? Oder — sollte es da drinnen mit dem Uhrwerk uicht ganz seine Nichtigkeit haben? Ist etwa irgend eine kleine Feder gesprungen? — Er beugte sich liebevoll zu ihr hinab und schaute ihr ins Antlitz. — Hast dn nicht Beklemmungen, mein Kind? Etwa einen Druck vor der Herzgrube? und tritt dir uicht das Wasser in die Augen? Laß dir darum wirklich keine grauen Haare wachsen, mein Schatz! Soll ich dir sagen, was das ist? — er senkte liebevoll die Stimme — daS ist Liebe! nicht wahr? Das ist, hol mich der Teufel! nichts andre? als die Liebe! Ich bin auch einmal jung gewesen, ich weiß recht gut damit Bescheid. Die Liebe kommt im Frühling ebenso sicher wie der Staar und der Storch, deswegen braucht dir aber nicht bange zu sein. Das ist der Segen des lieben Gottes, mein Kind, wie unser alter Küster sagte. Das soll nun einmal so sein, sagte er, und darum muß man es geduldig hinnehmen. Aber sag mir doch, Martha, was hast du im Gründe gegen Jesper? Ist er nicht ein Prächtiger Kerl, klar und fest vom Kopf bis zum Fuß und ein so tüchtiger Arbeiter, mie sich ihn ein Mädchen nur wünschen kann? Was hat es da zu sagen, wenn er vielleicht einmal einen über den Durst trinkt, oder wenn ihn: die Faust ein bißchen lockrer sitzt, als gut ist? Dn meines Lebens Herr! Darauf kommt es doch wirklich nicht an; wir haben alle unsre Fehler. Wodurch bin ich denn selber zum Krüppel geworden? Und doch kann ich vor Gott und allen Menschen behaupten, daß meine alte Lene, Gott hab sie selig, dankbar in ihr Grab gestiegen ist. Ach was, sagte sie manch liebes mal, wenns Herz nur frisch ist! Und dann — das giebt sich alles, wenn ihr erst bei einander seid. Die Liebe zieht besser als sechs Pferde, sagt ein altes Sprichwort; und Jesper Gmizlwte» IV 1889 ÜI,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/249
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/249>, abgerufen am 30.06.2024.