Gluht und Jetzt Betrachtungen bei Gelegenheit der Münchener Icchresausstellung Von Max Zimmer manu
wei Bilder möchte ich nur als "Pendants" -- man verzeihe das harte Wort, "Pendants" nannte man früher zwei Bilder, die inhaltlich zusanummgehörten, und bellte ist ja das erste Er¬ fordernis eines Bildes, keinen Inhalt zu haben. Doppelte Sünde! Denn als "Pendants" schuf und verwertete man kleine Bilder, und wer begnügte sich heute noch mit einer kleinen Leinwand? -- also zwei Bilder möchte ich mir zusammenhängen mit der Unterschrift: Einst und Jetzt. Das eine befindet sich in der Galerie des Grafen von Schack und ist von Leopold Bode, glücklich verschollenen Namens, wie der Künstler an¬ merkt, das andere, augenblicklich ans der Jahresausstellnng in München, von Louis Jimenez in Paris. Der Jung-Münchener Künstler horcht auf bei dem Namen der allerheiligsten, kunstgralhütenden Stadt. Bodes Bild: Ans ein¬ samem Waldespfade wandelt eine anmutige weibliche Gestalt, Wemnt zuckt um ihre" jugendlichen Mund, sie hat vor kurzem ach! den jungen Gatten be¬ graben. Aber da fällt ihr Blick auf das Kind in ihren Armen, und durch alle Wehmut lächelt sie selig: Für meinen Schmerz giebt es einen kräftigen Balsam. Mein Dasein hat noch einen köstlichen Wert, dir habe ich das Leben gegeben, mir verdankst dn es, wenn du herangewachsen in dieser reichen, schönen Gvtteswelt ringen und dir ein Glück erkämpfen kannst! Auch das Bild des Jung-Parisers zeigt eine junge Mutter mit ihrem Sällgling am Wnldesrande, aber ihr Gesicht steht in traurigem Gegensatz zu ihrem Lebensalter, Elend, Sorge und schwere Arbeit haben frühe Furchen darein gegraben, mit Schmerz betrachtet sie den kleinen Erdenbürger. O daß ich dich zu deinem Elend ge¬ boren habe, seufzt sie, denn die Welt ist voller Not und Sorge, wie wirst du gleich mir in blutigem Schweiße arbeiten müssen und doch oft darben! O Jammer und Fluch dieser Erde, entsetzliches Los, Mensch zu sein!
In der Galerie Schack hängt noch ein andres kleines Bild, der Name des Malers hat keinen glänzenden Nachruhm hinterlassen. Ein Minnesänger zieht mit seinem Knappe" durch das Laud, seine Schimmel ist mit Blumen
Glenzbvten IV 1889 W
Gluht und Jetzt Betrachtungen bei Gelegenheit der Münchener Icchresausstellung Von Max Zimmer manu
wei Bilder möchte ich nur als „Pendants" — man verzeihe das harte Wort, „Pendants" nannte man früher zwei Bilder, die inhaltlich zusanummgehörten, und bellte ist ja das erste Er¬ fordernis eines Bildes, keinen Inhalt zu haben. Doppelte Sünde! Denn als „Pendants" schuf und verwertete man kleine Bilder, und wer begnügte sich heute noch mit einer kleinen Leinwand? — also zwei Bilder möchte ich mir zusammenhängen mit der Unterschrift: Einst und Jetzt. Das eine befindet sich in der Galerie des Grafen von Schack und ist von Leopold Bode, glücklich verschollenen Namens, wie der Künstler an¬ merkt, das andere, augenblicklich ans der Jahresausstellnng in München, von Louis Jimenez in Paris. Der Jung-Münchener Künstler horcht auf bei dem Namen der allerheiligsten, kunstgralhütenden Stadt. Bodes Bild: Ans ein¬ samem Waldespfade wandelt eine anmutige weibliche Gestalt, Wemnt zuckt um ihre» jugendlichen Mund, sie hat vor kurzem ach! den jungen Gatten be¬ graben. Aber da fällt ihr Blick auf das Kind in ihren Armen, und durch alle Wehmut lächelt sie selig: Für meinen Schmerz giebt es einen kräftigen Balsam. Mein Dasein hat noch einen köstlichen Wert, dir habe ich das Leben gegeben, mir verdankst dn es, wenn du herangewachsen in dieser reichen, schönen Gvtteswelt ringen und dir ein Glück erkämpfen kannst! Auch das Bild des Jung-Parisers zeigt eine junge Mutter mit ihrem Sällgling am Wnldesrande, aber ihr Gesicht steht in traurigem Gegensatz zu ihrem Lebensalter, Elend, Sorge und schwere Arbeit haben frühe Furchen darein gegraben, mit Schmerz betrachtet sie den kleinen Erdenbürger. O daß ich dich zu deinem Elend ge¬ boren habe, seufzt sie, denn die Welt ist voller Not und Sorge, wie wirst du gleich mir in blutigem Schweiße arbeiten müssen und doch oft darben! O Jammer und Fluch dieser Erde, entsetzliches Los, Mensch zu sein!
In der Galerie Schack hängt noch ein andres kleines Bild, der Name des Malers hat keinen glänzenden Nachruhm hinterlassen. Ein Minnesänger zieht mit seinem Knappe» durch das Laud, seine Schimmel ist mit Blumen
Glenzbvten IV 1889 W
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0241"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206240"/><figurefacs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341849_205998/figures/grenzboten_341849_205998_206240_000.jpg"/><lb/></div><divn="1"><head> Gluht und Jetzt<lb/>
Betrachtungen bei Gelegenheit der Münchener Icchresausstellung<lb/><notetype="byline"> Von Max Zimmer manu</note></head><lb/><pxml:id="ID_813"> wei Bilder möchte ich nur als „Pendants" — man verzeihe<lb/>
das harte Wort, „Pendants" nannte man früher zwei Bilder,<lb/>
die inhaltlich zusanummgehörten, und bellte ist ja das erste Er¬<lb/>
fordernis eines Bildes, keinen Inhalt zu haben. Doppelte<lb/>
Sünde! Denn als „Pendants" schuf und verwertete man kleine<lb/>
Bilder, und wer begnügte sich heute noch mit einer kleinen Leinwand? —<lb/>
also zwei Bilder möchte ich mir zusammenhängen mit der Unterschrift: Einst<lb/>
und Jetzt. Das eine befindet sich in der Galerie des Grafen von Schack und<lb/>
ist von Leopold Bode, glücklich verschollenen Namens, wie der Künstler an¬<lb/>
merkt, das andere, augenblicklich ans der Jahresausstellnng in München, von<lb/>
Louis Jimenez in Paris. Der Jung-Münchener Künstler horcht auf bei dem<lb/>
Namen der allerheiligsten, kunstgralhütenden Stadt. Bodes Bild: Ans ein¬<lb/>
samem Waldespfade wandelt eine anmutige weibliche Gestalt, Wemnt zuckt um<lb/>
ihre» jugendlichen Mund, sie hat vor kurzem ach! den jungen Gatten be¬<lb/>
graben. Aber da fällt ihr Blick auf das Kind in ihren Armen, und durch<lb/>
alle Wehmut lächelt sie selig: Für meinen Schmerz giebt es einen kräftigen<lb/>
Balsam. Mein Dasein hat noch einen köstlichen Wert, dir habe ich das Leben<lb/>
gegeben, mir verdankst dn es, wenn du herangewachsen in dieser reichen, schönen<lb/>
Gvtteswelt ringen und dir ein Glück erkämpfen kannst! Auch das Bild des<lb/>
Jung-Parisers zeigt eine junge Mutter mit ihrem Sällgling am Wnldesrande,<lb/>
aber ihr Gesicht steht in traurigem Gegensatz zu ihrem Lebensalter, Elend,<lb/>
Sorge und schwere Arbeit haben frühe Furchen darein gegraben, mit Schmerz<lb/>
betrachtet sie den kleinen Erdenbürger. O daß ich dich zu deinem Elend ge¬<lb/>
boren habe, seufzt sie, denn die Welt ist voller Not und Sorge, wie wirst<lb/>
du gleich mir in blutigem Schweiße arbeiten müssen und doch oft darben! O<lb/>
Jammer und Fluch dieser Erde, entsetzliches Los, Mensch zu sein!</p><lb/><pxml:id="ID_814"next="#ID_815"> In der Galerie Schack hängt noch ein andres kleines Bild, der Name<lb/>
des Malers hat keinen glänzenden Nachruhm hinterlassen. Ein Minnesänger<lb/>
zieht mit seinem Knappe» durch das Laud, seine Schimmel ist mit Blumen</p><lb/><fwtype="sig"place="bottom"> Glenzbvten IV 1889 W</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0241]
[Abbildung]
Gluht und Jetzt
Betrachtungen bei Gelegenheit der Münchener Icchresausstellung
Von Max Zimmer manu
wei Bilder möchte ich nur als „Pendants" — man verzeihe
das harte Wort, „Pendants" nannte man früher zwei Bilder,
die inhaltlich zusanummgehörten, und bellte ist ja das erste Er¬
fordernis eines Bildes, keinen Inhalt zu haben. Doppelte
Sünde! Denn als „Pendants" schuf und verwertete man kleine
Bilder, und wer begnügte sich heute noch mit einer kleinen Leinwand? —
also zwei Bilder möchte ich mir zusammenhängen mit der Unterschrift: Einst
und Jetzt. Das eine befindet sich in der Galerie des Grafen von Schack und
ist von Leopold Bode, glücklich verschollenen Namens, wie der Künstler an¬
merkt, das andere, augenblicklich ans der Jahresausstellnng in München, von
Louis Jimenez in Paris. Der Jung-Münchener Künstler horcht auf bei dem
Namen der allerheiligsten, kunstgralhütenden Stadt. Bodes Bild: Ans ein¬
samem Waldespfade wandelt eine anmutige weibliche Gestalt, Wemnt zuckt um
ihre» jugendlichen Mund, sie hat vor kurzem ach! den jungen Gatten be¬
graben. Aber da fällt ihr Blick auf das Kind in ihren Armen, und durch
alle Wehmut lächelt sie selig: Für meinen Schmerz giebt es einen kräftigen
Balsam. Mein Dasein hat noch einen köstlichen Wert, dir habe ich das Leben
gegeben, mir verdankst dn es, wenn du herangewachsen in dieser reichen, schönen
Gvtteswelt ringen und dir ein Glück erkämpfen kannst! Auch das Bild des
Jung-Parisers zeigt eine junge Mutter mit ihrem Sällgling am Wnldesrande,
aber ihr Gesicht steht in traurigem Gegensatz zu ihrem Lebensalter, Elend,
Sorge und schwere Arbeit haben frühe Furchen darein gegraben, mit Schmerz
betrachtet sie den kleinen Erdenbürger. O daß ich dich zu deinem Elend ge¬
boren habe, seufzt sie, denn die Welt ist voller Not und Sorge, wie wirst
du gleich mir in blutigem Schweiße arbeiten müssen und doch oft darben! O
Jammer und Fluch dieser Erde, entsetzliches Los, Mensch zu sein!
In der Galerie Schack hängt noch ein andres kleines Bild, der Name
des Malers hat keinen glänzenden Nachruhm hinterlassen. Ein Minnesänger
zieht mit seinem Knappe» durch das Laud, seine Schimmel ist mit Blumen
Glenzbvten IV 1889 W
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/241>, abgerufen am 07.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.