Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

fehlt bei einer solchen Mahlzeit Gott, und es geht dabei oft ans wie bei dem
Gelage der Centauren und Lapithen." Allerdings setzen diese Vorschriften
größtenteils voraus, daß die Studenten nicht vereinzelt in der Stadt, sondern
in Bursen, Alumnaten, Kontnbernien und Kollegienhäusern unter Aufsicht
wohnten, und so wurden solche Anstalten zu gemeinsamem Leben an den meisten
evangelischen Universitäten angestrebt und vielfach auch geschaffen, wozu auch
die Armut der meisten Studenten aufforderte.

Zum Schlüsse schildern wir nach unsrer Quelle Melanchthon als Gründer
und Umbildner einzelner Hochschulen anßer Wittenberg. Nachdem Ulrich von
Württemberg sein Herzogtum wieder erlaugt hatte, ging er sofort an die Evcm-
gelisirung desselben und damit an die Reorganisation der bisher katholischen
Universität Tübingen durch zwei Kommissare. Die letztern begegneten bei vielen
dortigen Professoren hartnäckigem Widerstand, und der Herzog dachte damit am
besten fertig zu werden, wenn er Melanchthon zur Rückkehr in sein früheres
Heimatsland und zur Leitung des Werkes aufforderte. Dieser konnte sich aber
nicht so leicht zur Trennung von Wittenberg entschließen und blieb dort, nachdem
er die Entscheidung dem Kurfürsten anheimgestellt und dieser sein Verbleiben
gewünscht hatte. Wenige Wochen spater erging eine zweite Aufforderung aus'
Württemberg an ihn, in der er gebeten wurde, wenigstens zu der Disputation
zu erscheinen, worin der Kommissar Ambrosius Blarrer die katholischen Pro¬
fessoren von der Notwendigkeit der Neugestaltung überzeugen sollte. Der Bitte
des Herzogs schlössen sich auch die katholischen Gegner desselben an, "die hohe
Schule, die Äbte und Prälaten des ganzen Landes," "weil Melanchthon nicht
bissig und neidisch, sondern sittig, freundlich und friedsam sei." Auch daraus
wurde aber nichts, doch schickte Melanchthon seinen Freund Camerarius, der
dann von Nürnberg nach Tübingen übersiedelte und bei der Umwandlung der
Universität eine wichtige Rolle spielte. Nochmals vom Herzog eingeladen,
kam Melanchthon zwei Jahre später im September 1536 selbst, verkehrte mit
Camerarius und Ulrich und sorgte durch allerlei Ratschläge und namentlich
dadurch, daß er die Berufung des Gräcisten Mieyllus und des berühmten
Johannes Brenz veranlaßte, für das weitere Gedeihen der aus ihrem Verfall
wieder aufblühenden Hochschule. Später besuchte ihn Camerarius in deren
Angelegenheiten in Wittenberg, sodnß sein Einfluß auch ferner auf sie wirkte.

Die 1506 von Joachim dem Ersten in Frankfurt a. d. Oder gegründete
Universität bekämpfte anfänglich die Lehre Luthers. Als aber Joachim der
Zweite zur Regierung gelangte, der ihr geneigt war und sie in seinein Lande
einzuführen vorhatte, dachte er an eine Reform der Hochschule, die allerdings
sehr notthat, und berief zu diesem Zwecke 1537 Melanchthon zu Beratungen
über die Gewinnung tüchtiger Lehrer und über eine neue Unterrichtsmethode.
Im nächsten Jahre schon wurde Sabinus, der Schwiegersohn Melanchthvns, nach
Frankfurt berufen, und später folgten ihm andre Schüler Melanchthvns, z.V.


fehlt bei einer solchen Mahlzeit Gott, und es geht dabei oft ans wie bei dem
Gelage der Centauren und Lapithen." Allerdings setzen diese Vorschriften
größtenteils voraus, daß die Studenten nicht vereinzelt in der Stadt, sondern
in Bursen, Alumnaten, Kontnbernien und Kollegienhäusern unter Aufsicht
wohnten, und so wurden solche Anstalten zu gemeinsamem Leben an den meisten
evangelischen Universitäten angestrebt und vielfach auch geschaffen, wozu auch
die Armut der meisten Studenten aufforderte.

Zum Schlüsse schildern wir nach unsrer Quelle Melanchthon als Gründer
und Umbildner einzelner Hochschulen anßer Wittenberg. Nachdem Ulrich von
Württemberg sein Herzogtum wieder erlaugt hatte, ging er sofort an die Evcm-
gelisirung desselben und damit an die Reorganisation der bisher katholischen
Universität Tübingen durch zwei Kommissare. Die letztern begegneten bei vielen
dortigen Professoren hartnäckigem Widerstand, und der Herzog dachte damit am
besten fertig zu werden, wenn er Melanchthon zur Rückkehr in sein früheres
Heimatsland und zur Leitung des Werkes aufforderte. Dieser konnte sich aber
nicht so leicht zur Trennung von Wittenberg entschließen und blieb dort, nachdem
er die Entscheidung dem Kurfürsten anheimgestellt und dieser sein Verbleiben
gewünscht hatte. Wenige Wochen spater erging eine zweite Aufforderung aus'
Württemberg an ihn, in der er gebeten wurde, wenigstens zu der Disputation
zu erscheinen, worin der Kommissar Ambrosius Blarrer die katholischen Pro¬
fessoren von der Notwendigkeit der Neugestaltung überzeugen sollte. Der Bitte
des Herzogs schlössen sich auch die katholischen Gegner desselben an, „die hohe
Schule, die Äbte und Prälaten des ganzen Landes," „weil Melanchthon nicht
bissig und neidisch, sondern sittig, freundlich und friedsam sei." Auch daraus
wurde aber nichts, doch schickte Melanchthon seinen Freund Camerarius, der
dann von Nürnberg nach Tübingen übersiedelte und bei der Umwandlung der
Universität eine wichtige Rolle spielte. Nochmals vom Herzog eingeladen,
kam Melanchthon zwei Jahre später im September 1536 selbst, verkehrte mit
Camerarius und Ulrich und sorgte durch allerlei Ratschläge und namentlich
dadurch, daß er die Berufung des Gräcisten Mieyllus und des berühmten
Johannes Brenz veranlaßte, für das weitere Gedeihen der aus ihrem Verfall
wieder aufblühenden Hochschule. Später besuchte ihn Camerarius in deren
Angelegenheiten in Wittenberg, sodnß sein Einfluß auch ferner auf sie wirkte.

Die 1506 von Joachim dem Ersten in Frankfurt a. d. Oder gegründete
Universität bekämpfte anfänglich die Lehre Luthers. Als aber Joachim der
Zweite zur Regierung gelangte, der ihr geneigt war und sie in seinein Lande
einzuführen vorhatte, dachte er an eine Reform der Hochschule, die allerdings
sehr notthat, und berief zu diesem Zwecke 1537 Melanchthon zu Beratungen
über die Gewinnung tüchtiger Lehrer und über eine neue Unterrichtsmethode.
Im nächsten Jahre schon wurde Sabinus, der Schwiegersohn Melanchthvns, nach
Frankfurt berufen, und später folgten ihm andre Schüler Melanchthvns, z.V.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206235"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799"> fehlt bei einer solchen Mahlzeit Gott, und es geht dabei oft ans wie bei dem<lb/>
Gelage der Centauren und Lapithen." Allerdings setzen diese Vorschriften<lb/>
größtenteils voraus, daß die Studenten nicht vereinzelt in der Stadt, sondern<lb/>
in Bursen, Alumnaten, Kontnbernien und Kollegienhäusern unter Aufsicht<lb/>
wohnten, und so wurden solche Anstalten zu gemeinsamem Leben an den meisten<lb/>
evangelischen Universitäten angestrebt und vielfach auch geschaffen, wozu auch<lb/>
die Armut der meisten Studenten aufforderte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_801"> Zum Schlüsse schildern wir nach unsrer Quelle Melanchthon als Gründer<lb/>
und Umbildner einzelner Hochschulen anßer Wittenberg. Nachdem Ulrich von<lb/>
Württemberg sein Herzogtum wieder erlaugt hatte, ging er sofort an die Evcm-<lb/>
gelisirung desselben und damit an die Reorganisation der bisher katholischen<lb/>
Universität Tübingen durch zwei Kommissare. Die letztern begegneten bei vielen<lb/>
dortigen Professoren hartnäckigem Widerstand, und der Herzog dachte damit am<lb/>
besten fertig zu werden, wenn er Melanchthon zur Rückkehr in sein früheres<lb/>
Heimatsland und zur Leitung des Werkes aufforderte. Dieser konnte sich aber<lb/>
nicht so leicht zur Trennung von Wittenberg entschließen und blieb dort, nachdem<lb/>
er die Entscheidung dem Kurfürsten anheimgestellt und dieser sein Verbleiben<lb/>
gewünscht hatte. Wenige Wochen spater erging eine zweite Aufforderung aus'<lb/>
Württemberg an ihn, in der er gebeten wurde, wenigstens zu der Disputation<lb/>
zu erscheinen, worin der Kommissar Ambrosius Blarrer die katholischen Pro¬<lb/>
fessoren von der Notwendigkeit der Neugestaltung überzeugen sollte. Der Bitte<lb/>
des Herzogs schlössen sich auch die katholischen Gegner desselben an, &#x201E;die hohe<lb/>
Schule, die Äbte und Prälaten des ganzen Landes," &#x201E;weil Melanchthon nicht<lb/>
bissig und neidisch, sondern sittig, freundlich und friedsam sei." Auch daraus<lb/>
wurde aber nichts, doch schickte Melanchthon seinen Freund Camerarius, der<lb/>
dann von Nürnberg nach Tübingen übersiedelte und bei der Umwandlung der<lb/>
Universität eine wichtige Rolle spielte. Nochmals vom Herzog eingeladen,<lb/>
kam Melanchthon zwei Jahre später im September 1536 selbst, verkehrte mit<lb/>
Camerarius und Ulrich und sorgte durch allerlei Ratschläge und namentlich<lb/>
dadurch, daß er die Berufung des Gräcisten Mieyllus und des berühmten<lb/>
Johannes Brenz veranlaßte, für das weitere Gedeihen der aus ihrem Verfall<lb/>
wieder aufblühenden Hochschule. Später besuchte ihn Camerarius in deren<lb/>
Angelegenheiten in Wittenberg, sodnß sein Einfluß auch ferner auf sie wirkte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_802" next="#ID_803"> Die 1506 von Joachim dem Ersten in Frankfurt a. d. Oder gegründete<lb/>
Universität bekämpfte anfänglich die Lehre Luthers. Als aber Joachim der<lb/>
Zweite zur Regierung gelangte, der ihr geneigt war und sie in seinein Lande<lb/>
einzuführen vorhatte, dachte er an eine Reform der Hochschule, die allerdings<lb/>
sehr notthat, und berief zu diesem Zwecke 1537 Melanchthon zu Beratungen<lb/>
über die Gewinnung tüchtiger Lehrer und über eine neue Unterrichtsmethode.<lb/>
Im nächsten Jahre schon wurde Sabinus, der Schwiegersohn Melanchthvns, nach<lb/>
Frankfurt berufen, und später folgten ihm andre Schüler Melanchthvns, z.V.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0236] fehlt bei einer solchen Mahlzeit Gott, und es geht dabei oft ans wie bei dem Gelage der Centauren und Lapithen." Allerdings setzen diese Vorschriften größtenteils voraus, daß die Studenten nicht vereinzelt in der Stadt, sondern in Bursen, Alumnaten, Kontnbernien und Kollegienhäusern unter Aufsicht wohnten, und so wurden solche Anstalten zu gemeinsamem Leben an den meisten evangelischen Universitäten angestrebt und vielfach auch geschaffen, wozu auch die Armut der meisten Studenten aufforderte. Zum Schlüsse schildern wir nach unsrer Quelle Melanchthon als Gründer und Umbildner einzelner Hochschulen anßer Wittenberg. Nachdem Ulrich von Württemberg sein Herzogtum wieder erlaugt hatte, ging er sofort an die Evcm- gelisirung desselben und damit an die Reorganisation der bisher katholischen Universität Tübingen durch zwei Kommissare. Die letztern begegneten bei vielen dortigen Professoren hartnäckigem Widerstand, und der Herzog dachte damit am besten fertig zu werden, wenn er Melanchthon zur Rückkehr in sein früheres Heimatsland und zur Leitung des Werkes aufforderte. Dieser konnte sich aber nicht so leicht zur Trennung von Wittenberg entschließen und blieb dort, nachdem er die Entscheidung dem Kurfürsten anheimgestellt und dieser sein Verbleiben gewünscht hatte. Wenige Wochen spater erging eine zweite Aufforderung aus' Württemberg an ihn, in der er gebeten wurde, wenigstens zu der Disputation zu erscheinen, worin der Kommissar Ambrosius Blarrer die katholischen Pro¬ fessoren von der Notwendigkeit der Neugestaltung überzeugen sollte. Der Bitte des Herzogs schlössen sich auch die katholischen Gegner desselben an, „die hohe Schule, die Äbte und Prälaten des ganzen Landes," „weil Melanchthon nicht bissig und neidisch, sondern sittig, freundlich und friedsam sei." Auch daraus wurde aber nichts, doch schickte Melanchthon seinen Freund Camerarius, der dann von Nürnberg nach Tübingen übersiedelte und bei der Umwandlung der Universität eine wichtige Rolle spielte. Nochmals vom Herzog eingeladen, kam Melanchthon zwei Jahre später im September 1536 selbst, verkehrte mit Camerarius und Ulrich und sorgte durch allerlei Ratschläge und namentlich dadurch, daß er die Berufung des Gräcisten Mieyllus und des berühmten Johannes Brenz veranlaßte, für das weitere Gedeihen der aus ihrem Verfall wieder aufblühenden Hochschule. Später besuchte ihn Camerarius in deren Angelegenheiten in Wittenberg, sodnß sein Einfluß auch ferner auf sie wirkte. Die 1506 von Joachim dem Ersten in Frankfurt a. d. Oder gegründete Universität bekämpfte anfänglich die Lehre Luthers. Als aber Joachim der Zweite zur Regierung gelangte, der ihr geneigt war und sie in seinein Lande einzuführen vorhatte, dachte er an eine Reform der Hochschule, die allerdings sehr notthat, und berief zu diesem Zwecke 1537 Melanchthon zu Beratungen über die Gewinnung tüchtiger Lehrer und über eine neue Unterrichtsmethode. Im nächsten Jahre schon wurde Sabinus, der Schwiegersohn Melanchthvns, nach Frankfurt berufen, und später folgten ihm andre Schüler Melanchthvns, z.V.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/236
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/236>, abgerufen am 30.06.2024.