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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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so sollte ihn der Dekan dem Rektor anzeigen und dieser dafür Sorge tragen,
daß nach geschehener Untersuchung die Bestrafung erfolgte."

Die Organisation der neuen Universität ist vielfach und wesentlich ver¬
schieden von der der alten. Bei der theologischen Fakultät tritt an die Stelle
der Scholastik, vor der das eigentliche Bibelstudium nur eine Nebenrolle hatte,
die Exegese; das übliche Lehrbuch des ausgehenden Mittelalters, die Lontentms
des Petrus Lombardus, wurde abgeschafft, und der Sententinrius erhielt den
Auftrag, über Psalmen und Propheten zu lesen; endlich fand von den Kirchen-
Vätern einzig Augustinus Aufnahme in den Lektionskatalog. Die juristischen
und medizinischen Fächer wurden fast garnicht umgestaltet; dagegen erlitt die
Artistenfakultät eine fast vollständige Neubildung. Da werden neben den Bor¬
lesungen über Latein, die auch im Studienplane von 1507 nicht gefehlt
hatten, Griechisch und Hebräisch dargeboten, sodaß man, um in drei Sprachen
bewandert zu werden, nicht mehr nach Italien zu gehen brauchte. Früher
hatten zehn Lehrer Philosophie gelesen und zwar in parallelen Vorträgen nach
Thomas von Aauino und nach statistischer Weise. Davon ist jetzt nicht mehr
die Rede. Dialektik, Rhetorik, Ethik und Physik wurden ganz humanistisch
aufgefaßt und vorgetragen. Wie die Theologie vorzüglich zur Bibelnnslegung,
so waren diese Wissenschaften zur Erläuterung der klassischen Schriftsteller und
Dichter geworden. Wie in der ersten Fakultät die Theologie Luthers die Lehre
der mittelalterlichen Kirche verdrängte, so ersetzte in der letzten der Humanismus
mit seiner sprachlichen Bildung die Scholastik mit ihrer logischen. Ein besonders
charakteristisches Zeichen humanistischen Geistes war die Errichtung zweier
Lehrstühle für die Mathematik. Eine Neuerung von größter Bedeutung ist
endlich die rsguln liäöi, die nicht bloß für die theologische, sondern auch für
die philosophische Fakultät galt. Sie sah wie eine Fessel des wissenschaftlichen
Geistes aus, diese Verpflichtung auf die ökumenischen Shmbvle und das Augs¬
burgische Bekenntnis, und so fand schon Osiander mit seinen Angriffen auf sie
viele Anhänger. Aber im ganzen hatte die Einrichtung ihren guten Sinn.
Sie war notwendig wegen der Fanatiker, die statt der christlichen Lehre ihre
eigne Phantasie predigten, wegen der Wiedertäufer und ähnlicher Schwärmer
z- B. Campanus, Servet nud Schweukfeld, wegen des Bestandes der Kirche
und wegen des einheitlichen Studiums ein der Universität. Die Schüler der
Artistenfakultät, der vorbereitende Kursus für die drei obern, rückten größten¬
teils später in dit! theologische und juristische ein, nud es war selbstverständlich,
zu verhüten, daß die Vorbereitung dem Hauptstudium widersprach und schadete.
Sollten die theologischen Legenden Diener der evangelischen Kirche, die juristische!?
solche des evangelischen Staates heranbilden, so mußten auch die Vorlesungen
der philosophischen Fakultät so eingerichtet sein, daß dadurch mindestens keine
feindselige Stimmung gegen die Evangelischen entstand. Übrigens tötete die
theologische Fessel den freien v'issenschaftlichen Trieb im, allgemeinen nicht;


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so sollte ihn der Dekan dem Rektor anzeigen und dieser dafür Sorge tragen,
daß nach geschehener Untersuchung die Bestrafung erfolgte."

Die Organisation der neuen Universität ist vielfach und wesentlich ver¬
schieden von der der alten. Bei der theologischen Fakultät tritt an die Stelle
der Scholastik, vor der das eigentliche Bibelstudium nur eine Nebenrolle hatte,
die Exegese; das übliche Lehrbuch des ausgehenden Mittelalters, die Lontentms
des Petrus Lombardus, wurde abgeschafft, und der Sententinrius erhielt den
Auftrag, über Psalmen und Propheten zu lesen; endlich fand von den Kirchen-
Vätern einzig Augustinus Aufnahme in den Lektionskatalog. Die juristischen
und medizinischen Fächer wurden fast garnicht umgestaltet; dagegen erlitt die
Artistenfakultät eine fast vollständige Neubildung. Da werden neben den Bor¬
lesungen über Latein, die auch im Studienplane von 1507 nicht gefehlt
hatten, Griechisch und Hebräisch dargeboten, sodaß man, um in drei Sprachen
bewandert zu werden, nicht mehr nach Italien zu gehen brauchte. Früher
hatten zehn Lehrer Philosophie gelesen und zwar in parallelen Vorträgen nach
Thomas von Aauino und nach statistischer Weise. Davon ist jetzt nicht mehr
die Rede. Dialektik, Rhetorik, Ethik und Physik wurden ganz humanistisch
aufgefaßt und vorgetragen. Wie die Theologie vorzüglich zur Bibelnnslegung,
so waren diese Wissenschaften zur Erläuterung der klassischen Schriftsteller und
Dichter geworden. Wie in der ersten Fakultät die Theologie Luthers die Lehre
der mittelalterlichen Kirche verdrängte, so ersetzte in der letzten der Humanismus
mit seiner sprachlichen Bildung die Scholastik mit ihrer logischen. Ein besonders
charakteristisches Zeichen humanistischen Geistes war die Errichtung zweier
Lehrstühle für die Mathematik. Eine Neuerung von größter Bedeutung ist
endlich die rsguln liäöi, die nicht bloß für die theologische, sondern auch für
die philosophische Fakultät galt. Sie sah wie eine Fessel des wissenschaftlichen
Geistes aus, diese Verpflichtung auf die ökumenischen Shmbvle und das Augs¬
burgische Bekenntnis, und so fand schon Osiander mit seinen Angriffen auf sie
viele Anhänger. Aber im ganzen hatte die Einrichtung ihren guten Sinn.
Sie war notwendig wegen der Fanatiker, die statt der christlichen Lehre ihre
eigne Phantasie predigten, wegen der Wiedertäufer und ähnlicher Schwärmer
z- B. Campanus, Servet nud Schweukfeld, wegen des Bestandes der Kirche
und wegen des einheitlichen Studiums ein der Universität. Die Schüler der
Artistenfakultät, der vorbereitende Kursus für die drei obern, rückten größten¬
teils später in dit! theologische und juristische ein, nud es war selbstverständlich,
zu verhüten, daß die Vorbereitung dem Hauptstudium widersprach und schadete.
Sollten die theologischen Legenden Diener der evangelischen Kirche, die juristische!?
solche des evangelischen Staates heranbilden, so mußten auch die Vorlesungen
der philosophischen Fakultät so eingerichtet sein, daß dadurch mindestens keine
feindselige Stimmung gegen die Evangelischen entstand. Übrigens tötete die
theologische Fessel den freien v'issenschaftlichen Trieb im, allgemeinen nicht;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/234>, abgerufen am 22.12.2024.