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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Lndämonismtts wider Pessimismus

So viel im allgemeinen, Nun zu einer kurzen Andeutung des Haupt¬
inhalts des Buches.

Ein Gut ist etwas, das Wert hat. Damit beginnt der Verfasser, indem
er uns sofort mitten in die,Sache einführt. Der eigentliche Grund, daß einem
Objekt Wert beigemessen wird, beruht auf der Erregung des Gefühls durch
dasselbe. Ein Gut ist ein Objekt, das Lust, ein Übel ein Objekt, das Unlust
erregt. Die Lust an sich ist für daS Individuum der letzte Wert, das eigent¬
liche Gut an sich, die Unlust der letzte Unwert, das eigentliche Übel an sich.
Die Güterlehre soll nun nicht nur allgemein giltige Bestimmungen hinsichtlich
der einzelne" Wertobjekte aufstellen, sondern anch die Frage beantworten, ob
Glückseligkeit als unzweifelhaftes Überwiegen der Lust über die Unlust möglich
sei, und in welchem Maße, und zerfällt somit in zwei Hauptteile, eine elemen¬
tare Güterlehre und eine zusammenfassende Güterlehre, anch Glückseligkeitslehre
genannt. Richtig aufgefaßt, ist sie, da sie die notwendige Voraussetzung der
praktischen Wissenschaften ist und die theoretische Erkenntnis der gesamten
Welteinrichtung zur Voraussetzung hat, das verbindende Band zwischen den
beiden dadurch gegebenen Gruppen, sonach auch übergeordnete Fundamental-
wissenschaft, Wissenschaft der Wissenschaften. Nachdem sich in ihr früher der
Dogmatismus mannichfach geltend gemacht hat, mit dem Pessimismus aber
ein ernstlich kritischer Geist in sie eingedrungen ist, muß sie nun rein kritisch
zu Werke gehen.

In der Elementarlehre wird nun zunächst aus dein Zeugnis der innern
unbefangenen Erfahrung die innere Möglichkeit der Güter erwiesen gegen
Schopenhauer, nach welchem der Primat in der Seele dem Willen zu¬
kommt und stets entweder die Unlust des Begehrens oder die der Langenweile
am Werk ist, jede im Entstehen begriffene Lust zu vernichten, sodaß auch im
Fall der adäquaten Befriedigung des Wunsches nnr ein Nullpunkt der
wahren Befriedigung herauskommt. Es wird nun folgerichtig dargethan, daß
nicht der Wille den Primat in der Seele hat und daß, wie anch aus den
durch das Gefäßsystem vermittelten körperlichen Wirkungen der Gefühle hervor¬
geht -- die motorischen Nerven kommen dabei wohl zu kurz --, die Lust nicht
ein sekundäres Produkt aus vorhergehender Unlust ist, sondern ihr als gleich¬
berechtigter selbständiger Gegensatz gegenübersteht.

Die Möglichkeit der Lust und Unlust beruht nun für uns ans unsern Be¬
dürfnissen. Bedürfnisse heißen nämlich die Erfordernisse der menschliche" Natur,
sofern sie imstande sind, sich im Bewußtsein, soweit ihnen Genüge geschieht,
als Lust, soweit nicht, als Unlust zu reflektiren. Denn nicht unmittelbar
tritt das Bedürfnis ins Bewußtsein, sondern nur, soweit ihm Befriedigung
zu teil wird, als Lust, soweit nicht, als Unlust. Das Bedürfnis ist der
innere Nealgrnnd deS Gefühls, das Gefühl der Erkenntnisgrnnd des Be¬
dürfnisses.


Lndämonismtts wider Pessimismus

So viel im allgemeinen, Nun zu einer kurzen Andeutung des Haupt¬
inhalts des Buches.

Ein Gut ist etwas, das Wert hat. Damit beginnt der Verfasser, indem
er uns sofort mitten in die,Sache einführt. Der eigentliche Grund, daß einem
Objekt Wert beigemessen wird, beruht auf der Erregung des Gefühls durch
dasselbe. Ein Gut ist ein Objekt, das Lust, ein Übel ein Objekt, das Unlust
erregt. Die Lust an sich ist für daS Individuum der letzte Wert, das eigent¬
liche Gut an sich, die Unlust der letzte Unwert, das eigentliche Übel an sich.
Die Güterlehre soll nun nicht nur allgemein giltige Bestimmungen hinsichtlich
der einzelne» Wertobjekte aufstellen, sondern anch die Frage beantworten, ob
Glückseligkeit als unzweifelhaftes Überwiegen der Lust über die Unlust möglich
sei, und in welchem Maße, und zerfällt somit in zwei Hauptteile, eine elemen¬
tare Güterlehre und eine zusammenfassende Güterlehre, anch Glückseligkeitslehre
genannt. Richtig aufgefaßt, ist sie, da sie die notwendige Voraussetzung der
praktischen Wissenschaften ist und die theoretische Erkenntnis der gesamten
Welteinrichtung zur Voraussetzung hat, das verbindende Band zwischen den
beiden dadurch gegebenen Gruppen, sonach auch übergeordnete Fundamental-
wissenschaft, Wissenschaft der Wissenschaften. Nachdem sich in ihr früher der
Dogmatismus mannichfach geltend gemacht hat, mit dem Pessimismus aber
ein ernstlich kritischer Geist in sie eingedrungen ist, muß sie nun rein kritisch
zu Werke gehen.

In der Elementarlehre wird nun zunächst aus dein Zeugnis der innern
unbefangenen Erfahrung die innere Möglichkeit der Güter erwiesen gegen
Schopenhauer, nach welchem der Primat in der Seele dem Willen zu¬
kommt und stets entweder die Unlust des Begehrens oder die der Langenweile
am Werk ist, jede im Entstehen begriffene Lust zu vernichten, sodaß auch im
Fall der adäquaten Befriedigung des Wunsches nnr ein Nullpunkt der
wahren Befriedigung herauskommt. Es wird nun folgerichtig dargethan, daß
nicht der Wille den Primat in der Seele hat und daß, wie anch aus den
durch das Gefäßsystem vermittelten körperlichen Wirkungen der Gefühle hervor¬
geht — die motorischen Nerven kommen dabei wohl zu kurz —, die Lust nicht
ein sekundäres Produkt aus vorhergehender Unlust ist, sondern ihr als gleich¬
berechtigter selbständiger Gegensatz gegenübersteht.

Die Möglichkeit der Lust und Unlust beruht nun für uns ans unsern Be¬
dürfnissen. Bedürfnisse heißen nämlich die Erfordernisse der menschliche» Natur,
sofern sie imstande sind, sich im Bewußtsein, soweit ihnen Genüge geschieht,
als Lust, soweit nicht, als Unlust zu reflektiren. Denn nicht unmittelbar
tritt das Bedürfnis ins Bewußtsein, sondern nur, soweit ihm Befriedigung
zu teil wird, als Lust, soweit nicht, als Unlust. Das Bedürfnis ist der
innere Nealgrnnd deS Gefühls, das Gefühl der Erkenntnisgrnnd des Be¬
dürfnisses.


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[0224] Lndämonismtts wider Pessimismus So viel im allgemeinen, Nun zu einer kurzen Andeutung des Haupt¬ inhalts des Buches. Ein Gut ist etwas, das Wert hat. Damit beginnt der Verfasser, indem er uns sofort mitten in die,Sache einführt. Der eigentliche Grund, daß einem Objekt Wert beigemessen wird, beruht auf der Erregung des Gefühls durch dasselbe. Ein Gut ist ein Objekt, das Lust, ein Übel ein Objekt, das Unlust erregt. Die Lust an sich ist für daS Individuum der letzte Wert, das eigent¬ liche Gut an sich, die Unlust der letzte Unwert, das eigentliche Übel an sich. Die Güterlehre soll nun nicht nur allgemein giltige Bestimmungen hinsichtlich der einzelne» Wertobjekte aufstellen, sondern anch die Frage beantworten, ob Glückseligkeit als unzweifelhaftes Überwiegen der Lust über die Unlust möglich sei, und in welchem Maße, und zerfällt somit in zwei Hauptteile, eine elemen¬ tare Güterlehre und eine zusammenfassende Güterlehre, anch Glückseligkeitslehre genannt. Richtig aufgefaßt, ist sie, da sie die notwendige Voraussetzung der praktischen Wissenschaften ist und die theoretische Erkenntnis der gesamten Welteinrichtung zur Voraussetzung hat, das verbindende Band zwischen den beiden dadurch gegebenen Gruppen, sonach auch übergeordnete Fundamental- wissenschaft, Wissenschaft der Wissenschaften. Nachdem sich in ihr früher der Dogmatismus mannichfach geltend gemacht hat, mit dem Pessimismus aber ein ernstlich kritischer Geist in sie eingedrungen ist, muß sie nun rein kritisch zu Werke gehen. In der Elementarlehre wird nun zunächst aus dein Zeugnis der innern unbefangenen Erfahrung die innere Möglichkeit der Güter erwiesen gegen Schopenhauer, nach welchem der Primat in der Seele dem Willen zu¬ kommt und stets entweder die Unlust des Begehrens oder die der Langenweile am Werk ist, jede im Entstehen begriffene Lust zu vernichten, sodaß auch im Fall der adäquaten Befriedigung des Wunsches nnr ein Nullpunkt der wahren Befriedigung herauskommt. Es wird nun folgerichtig dargethan, daß nicht der Wille den Primat in der Seele hat und daß, wie anch aus den durch das Gefäßsystem vermittelten körperlichen Wirkungen der Gefühle hervor¬ geht — die motorischen Nerven kommen dabei wohl zu kurz —, die Lust nicht ein sekundäres Produkt aus vorhergehender Unlust ist, sondern ihr als gleich¬ berechtigter selbständiger Gegensatz gegenübersteht. Die Möglichkeit der Lust und Unlust beruht nun für uns ans unsern Be¬ dürfnissen. Bedürfnisse heißen nämlich die Erfordernisse der menschliche» Natur, sofern sie imstande sind, sich im Bewußtsein, soweit ihnen Genüge geschieht, als Lust, soweit nicht, als Unlust zu reflektiren. Denn nicht unmittelbar tritt das Bedürfnis ins Bewußtsein, sondern nur, soweit ihm Befriedigung zu teil wird, als Lust, soweit nicht, als Unlust. Das Bedürfnis ist der innere Nealgrnnd deS Gefühls, das Gefühl der Erkenntnisgrnnd des Be¬ dürfnisses.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/224>, abgerufen am 30.06.2024.