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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die böhmische Uönigskrönimg

wir getreulich entgegen sein, und Eure Majestät ohne Verzug warnen, und
sonst alles das thun, was gehorsamen, getreue,? Unterthanen gegen ihren Erb¬
herrn gebührt."

Dieser Text, der zuerst in tschechischer, darauf in deutscher Sprache vor¬
gelesen wurde, laßt deutlich erkennen, daß er unmittelbar nach einer Rebellion
abgefaßt wurde. Die Besorgnis vor der Wiederholung derselben scheint dabei
maßgebend gewesen zu sein.

Die Erwiderung auf die Huldigung gab der König in dein sogenannten
"ständischen" Kröuuugseide, der auf die dem Erzbischof von Prag als Kou-
sekratvr erteilten Versicherungen religiösen Charakters folgte. Er lautete: "Wir
schwören Gott dem Allmächtigen einen Eid, daß Wir die katholische Religion
festhalten, die Gerechtigkeit für jedermann verwalten und die Stände bei den
ihnen von Ihren Majestäten und Liebden bestätigten Privilegien handhaben,
anch von dem Königreiche nichts veräußern, sondern dieses vielmehr nach unserm
Vermögen vermehren und erweitern, und alles das, was zum Nutzen desselben
gereicht, vorkehren wollen. So wahr als Uns Gott helfe!" Es wird jeder¬
mann einleuchten, daß diese Formel für die gegenwärtigen Verhältnisse aus
dein Grunde nicht taugt, weil die Privilegien der böhmischen Stände, nämlich
der Geistlichkeit, des Herreilstandes, des Ritterstandes und der königlichen Städte
seit 1849 außer Kraft gesetzt und in der Landesordnung vom 26. Februar 1L61
durch die Rechte der Abgeordneten des Großgrundbesitzes, der Handelskammern,
der Stadt- und Landgemeinde" ersetzt worden sind. Es ist aber auch klar,
daß die Anpassung des Kröunugseides an die neue Verfassung keine besondre
Schwierigkeit ergeben wird. Der König wird beschwören, daß er die (namentlich
aufzuführenden) Diplome, Patente und Gesetze, auf denen die Verfassung des
Königreiches Böhmen und dessen Verhältnis zu den übrigen Kviügreichcn und
Ländern beruht, aufrecht halten und die daraus hervorgehenden Rechte der
Gesamtbevölkerung, wie der einzelnen Wahlkörper schützen wolle. Ähnliche
Eide könnten in jedem Kronlande geleistet werden, wenn es die gesetzlichen Ver¬
treter verlangen, ohne daß die Verfassung der "im Reichsrnte vertretenen König¬
reiche und- Länder" irgendwie berührt oder verletzt werden müßte. Ebenso
würde die Ersetzung der Landesoffiziere, die in der ständischen Zeit bei der
Krönung beschäftigt waren, durch die gegenwärtigen Vorstünde der wichtigsten
Landesämter, Verwaltuugs-, Gerichts- und Finanzbehörden leicht durchzuführen,
endlich auch das Zeremoniell selbst zu vereinfachen sein, ohne daß an dem Wesen
der Krönung etwas geändert würde. Nicht eine staatsrechtliche Sonderstellung,
sondern nur eine staatsrechtlich begründete Auszeichnung wurde dem König¬
reiche Böhmen gewährt, wenn der Kaiser von Österreich den durch vielhundert-
mhrigen Brauch dem Lande wert gewordnen Akt der Krönung von neuem
vollziehen ließe. Den Vergleich mit der Fronleichuamsprozessivii, den Herr
von Pierer gebraucht hat, wollen wir uns gern gefallen lassen, denn er übt


Die böhmische Uönigskrönimg

wir getreulich entgegen sein, und Eure Majestät ohne Verzug warnen, und
sonst alles das thun, was gehorsamen, getreue,? Unterthanen gegen ihren Erb¬
herrn gebührt."

Dieser Text, der zuerst in tschechischer, darauf in deutscher Sprache vor¬
gelesen wurde, laßt deutlich erkennen, daß er unmittelbar nach einer Rebellion
abgefaßt wurde. Die Besorgnis vor der Wiederholung derselben scheint dabei
maßgebend gewesen zu sein.

Die Erwiderung auf die Huldigung gab der König in dein sogenannten
„ständischen" Kröuuugseide, der auf die dem Erzbischof von Prag als Kou-
sekratvr erteilten Versicherungen religiösen Charakters folgte. Er lautete: „Wir
schwören Gott dem Allmächtigen einen Eid, daß Wir die katholische Religion
festhalten, die Gerechtigkeit für jedermann verwalten und die Stände bei den
ihnen von Ihren Majestäten und Liebden bestätigten Privilegien handhaben,
anch von dem Königreiche nichts veräußern, sondern dieses vielmehr nach unserm
Vermögen vermehren und erweitern, und alles das, was zum Nutzen desselben
gereicht, vorkehren wollen. So wahr als Uns Gott helfe!" Es wird jeder¬
mann einleuchten, daß diese Formel für die gegenwärtigen Verhältnisse aus
dein Grunde nicht taugt, weil die Privilegien der böhmischen Stände, nämlich
der Geistlichkeit, des Herreilstandes, des Ritterstandes und der königlichen Städte
seit 1849 außer Kraft gesetzt und in der Landesordnung vom 26. Februar 1L61
durch die Rechte der Abgeordneten des Großgrundbesitzes, der Handelskammern,
der Stadt- und Landgemeinde» ersetzt worden sind. Es ist aber auch klar,
daß die Anpassung des Kröunugseides an die neue Verfassung keine besondre
Schwierigkeit ergeben wird. Der König wird beschwören, daß er die (namentlich
aufzuführenden) Diplome, Patente und Gesetze, auf denen die Verfassung des
Königreiches Böhmen und dessen Verhältnis zu den übrigen Kviügreichcn und
Ländern beruht, aufrecht halten und die daraus hervorgehenden Rechte der
Gesamtbevölkerung, wie der einzelnen Wahlkörper schützen wolle. Ähnliche
Eide könnten in jedem Kronlande geleistet werden, wenn es die gesetzlichen Ver¬
treter verlangen, ohne daß die Verfassung der „im Reichsrnte vertretenen König¬
reiche und- Länder" irgendwie berührt oder verletzt werden müßte. Ebenso
würde die Ersetzung der Landesoffiziere, die in der ständischen Zeit bei der
Krönung beschäftigt waren, durch die gegenwärtigen Vorstünde der wichtigsten
Landesämter, Verwaltuugs-, Gerichts- und Finanzbehörden leicht durchzuführen,
endlich auch das Zeremoniell selbst zu vereinfachen sein, ohne daß an dem Wesen
der Krönung etwas geändert würde. Nicht eine staatsrechtliche Sonderstellung,
sondern nur eine staatsrechtlich begründete Auszeichnung wurde dem König¬
reiche Böhmen gewährt, wenn der Kaiser von Österreich den durch vielhundert-
mhrigen Brauch dem Lande wert gewordnen Akt der Krönung von neuem
vollziehen ließe. Den Vergleich mit der Fronleichuamsprozessivii, den Herr
von Pierer gebraucht hat, wollen wir uns gern gefallen lassen, denn er übt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/219>, abgerufen am 30.06.2024.