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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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?le böhmische Aönigskrönmig

die komische Wirkung nicht aus, die sich der geistreiche Redner davon erwartet
hat. Die katholische Kirche hält an der Fronleichnamsprozession nicht Spaßes
halber sest, sie weiß sehr genau, welche Zwecke sie damit verbindet, und der
Staat thut ganz gut daran, an dieser Einrichtung, die ihm nicht schadet, auf
die jedoch ein einflußreicher Teil der Bevölkerung großen Wert legt, nicht zu
rütteln, ja ihr sogar eine gewisse Achtung zu bezeugen. Wenn man erwarten
kann, daß die Tscheche" durch das Zugeständnis der Krönung ausgleichs¬
freundlich gestimmt würden, daß sie darin ein schützenswertes Entgegenkommen
der Deutschen erblicken würden, so ist gar nicht abzusehen, was die Deutschen
hindern sollte, darauf einzugehen. Ihre nationale Stellung wird dadurch in
keiner Weise gefährdet, der zu krönende König macht keinen Unterschied der
Nationalität nnter den Bewohnern des Königreiches, er leistet seinen Eid den
Deutschen so gilt wie den Tschechen. Kaiser Franz Josef wird von dem Zu¬
sammenhange seiner Staaten und von dem Charakter des Reiches keine andern
Begriffe bekommen, wenn er einige Stunden hindurch die Krone des heiligen
Wenzel ans seinem Haupte getragen hat, er wird die Bedeutung des Aktes so
richtig beurteilen, wie Maria Theresia, die in einem Schreiben um den Hof-
kanzler Philipp Kinskh die Bemerkung machte: "Der Landtag in Prag ist von
keiner solchen Jmpvrtanz als in Ungarn," und ihm in Aussicht stellte, sie
werde bei der Krönung "grandig" sein. Sie hat sogar von der böhmischen
Krone behauptet, daß sie einem "Narrenhäubel" gleiche, aber dies hinderte sie
nicht, sich dem gewiß nicht besonders ergnicklicheu Zeremoniell willig zu unter¬
ziehen.

Es sind offenbar mehr liberale Antipathien, als ernste nationale Be¬
denken, die die Deutschböhmen zu unnachgiebigen Gegnern der Krönung machen.
Sie hängen noch immer dem Glauben an, die liberalen Gesetze der sechziger
Jahre seien das Palladium ihrer Freiheit und Unabhängigkeit, während sie
doch in den letzten zehn Jahren reichliche Erfahrungen über die Deutbarkeit
und Dehnbarkeit liberaler Institutionen machen konnten. Trotzdem fürchten
sie jede dem liberalen Katechismus nicht entsprechende Neuerung, selbst dann,
wenn sie sich dadurch in nationaler Hinsicht besser stellen konnten. Dies würde
ohne Zweifel geschehen, wenn sich die Dentschen gegen die Kvnigskrönung nicht
kurzer Hand ablehnend verhielten. Etwas guter Wille und Nachsicht gegen
gewisse geschichtlich-politische Schwächen würde die Feudalen und Alttschechen
zu Zugeständnisse" in der Sprachenfrage veranlassen. Es ist freilich voraus¬
zusehen, daß eine Lnndtagsverhandlung über die Krönung mich die Berfasfuugs-
frage in Anregung bringen, daß dabei die Fnndamentalartikel wieder hervor¬
gezogen werden, kurz, daß von den extremen nationalen unter den Tschechen
der Versuch gemacht werden würde, ein neues höhnisches Staatsrecht aufzu-
zimmern, durch das der zukünftige Wenzelsstaat den Ländern der Stefauskrvne
gleichgestellt werden sollte.


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die komische Wirkung nicht aus, die sich der geistreiche Redner davon erwartet
hat. Die katholische Kirche hält an der Fronleichnamsprozession nicht Spaßes
halber sest, sie weiß sehr genau, welche Zwecke sie damit verbindet, und der
Staat thut ganz gut daran, an dieser Einrichtung, die ihm nicht schadet, auf
die jedoch ein einflußreicher Teil der Bevölkerung großen Wert legt, nicht zu
rütteln, ja ihr sogar eine gewisse Achtung zu bezeugen. Wenn man erwarten
kann, daß die Tscheche» durch das Zugeständnis der Krönung ausgleichs¬
freundlich gestimmt würden, daß sie darin ein schützenswertes Entgegenkommen
der Deutschen erblicken würden, so ist gar nicht abzusehen, was die Deutschen
hindern sollte, darauf einzugehen. Ihre nationale Stellung wird dadurch in
keiner Weise gefährdet, der zu krönende König macht keinen Unterschied der
Nationalität nnter den Bewohnern des Königreiches, er leistet seinen Eid den
Deutschen so gilt wie den Tschechen. Kaiser Franz Josef wird von dem Zu¬
sammenhange seiner Staaten und von dem Charakter des Reiches keine andern
Begriffe bekommen, wenn er einige Stunden hindurch die Krone des heiligen
Wenzel ans seinem Haupte getragen hat, er wird die Bedeutung des Aktes so
richtig beurteilen, wie Maria Theresia, die in einem Schreiben um den Hof-
kanzler Philipp Kinskh die Bemerkung machte: „Der Landtag in Prag ist von
keiner solchen Jmpvrtanz als in Ungarn," und ihm in Aussicht stellte, sie
werde bei der Krönung „grandig" sein. Sie hat sogar von der böhmischen
Krone behauptet, daß sie einem „Narrenhäubel" gleiche, aber dies hinderte sie
nicht, sich dem gewiß nicht besonders ergnicklicheu Zeremoniell willig zu unter¬
ziehen.

Es sind offenbar mehr liberale Antipathien, als ernste nationale Be¬
denken, die die Deutschböhmen zu unnachgiebigen Gegnern der Krönung machen.
Sie hängen noch immer dem Glauben an, die liberalen Gesetze der sechziger
Jahre seien das Palladium ihrer Freiheit und Unabhängigkeit, während sie
doch in den letzten zehn Jahren reichliche Erfahrungen über die Deutbarkeit
und Dehnbarkeit liberaler Institutionen machen konnten. Trotzdem fürchten
sie jede dem liberalen Katechismus nicht entsprechende Neuerung, selbst dann,
wenn sie sich dadurch in nationaler Hinsicht besser stellen konnten. Dies würde
ohne Zweifel geschehen, wenn sich die Dentschen gegen die Kvnigskrönung nicht
kurzer Hand ablehnend verhielten. Etwas guter Wille und Nachsicht gegen
gewisse geschichtlich-politische Schwächen würde die Feudalen und Alttschechen
zu Zugeständnisse» in der Sprachenfrage veranlassen. Es ist freilich voraus¬
zusehen, daß eine Lnndtagsverhandlung über die Krönung mich die Berfasfuugs-
frage in Anregung bringen, daß dabei die Fnndamentalartikel wieder hervor¬
gezogen werden, kurz, daß von den extremen nationalen unter den Tschechen
der Versuch gemacht werden würde, ein neues höhnisches Staatsrecht aufzu-
zimmern, durch das der zukünftige Wenzelsstaat den Ländern der Stefauskrvne
gleichgestellt werden sollte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/220>, abgerufen am 30.06.2024.