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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die böhmische Rönigst'römmg

Verleihung der Königswürde belohnen. Der Przemyslide Ottokar I. ließ sich
"ach einander von dem Staufer Philipp und dein Welsen Otto krönen und
erreichte endlich von Friedrich II. den großen Freiheitsbrief vom 20. September
1212, durch den Böhmen zum Königreiche erhoben und der Königstitel den
böhmischen Fürsten auch für die Zukunft verliehen wurde. Die Stellung Böhmens
"um Reiche war eine von den Reichsländern verschiedne, die Verpflichtung
des Königs beschränkte sich auf die Teilnahme am Römerzuge mit 120 Mann,
die kurfürstlichen Rechte wurden nur bei der Wahlhandlung ausgeübt; bei der
Verfassung der Wnhlkapitnlativn, in der Kaiser und Reichsstände die Grenzen
ihrer Befugnisse zogen, war Böhmen nicht mit thätig; erst 1708 nach Ein-
setzung der neunten (hannoverschen) Kur wurde dem Kaiser als Inhaber der
böhmischen Knrwürde das Stimmrecht auf Reichs- und DePntationStagen eim
geräumt.

Was die Beziehungen des Hanfes Habsburg zu den böhmische" Ständen
betrifft, so spielte die Frage, ob Böhmen ein Wahl- oder ein Erdreich sei, im
sechzehnten und in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts ans allen
Krönnngslandtagen eine hervorragende Rolle; thatsächlich war die Wahl Friedrichs
von der Pfalz (1619) die letzte, und durch die von Ferdinand II. am 10. Mai
1b27 erlassene "vernewerte" Landesordnung wurde das Erbrecht der Dynastie
unwiderruflich festgestellt. Da diese Landesordnung von den böhmischen Stauden
ohne Widerspruch angenommen und das Königreich bis 1848 auf Grund der¬
selben verwaltet wurde, so bildet sie den Inbegriff des bis zum Beginne der
konstitutionellen Ära geltenden böhmischen Stantsrechtes; nach deu in ihr ent¬
haltenen Bestimmungen wurde die Krönung an sämtlichen Regenten, mit Aus¬
nahme Josefs I. und Josefs II., zuletzt um Kaiser Ferdinand, als König von
Böhmen Ferdinand V., am 7. September 1836 vollzogen. Es wird demnach
kaum bestritten werdeu können, daß eine jetzt vorzunehmende Krönung an diese
Bestimmungen und an eine mehr als zweihnndertjährige Gewohnheit den An¬
schluß zu suchen haben .wird.

Von Wichtigkeit ist dabei zunächst die Teilnahme der Vertreter von Mähren
und Schlesien. Auf sie beschränkt sich seit dem fünfzehnten Jahrhundert der
staatsrechtliche Zusammenhang dieser Länder mit dem Königreiche Böhmen,
dessen Lehen sie unter den Pzremysliden und Luxemburgern waren. Die Ver¬
waltung war seit Ladislaus Postnmus und Mathias Corvinus vollständig
getrennt, und die Stände der Markgrafschaft Mähren haben ihre Selbständig¬
keit eifersüchtig zu wahren gesucht. Kaiser Leopold II. mußte ihnen dnrch Hof¬
dekret vom 1. Juli 1791 die Versicherung geben, daß "die Erscheinung der
mährisch-schlesischen Deputirten bei der böhmischen Krönung zur Huldigung in
Prag weder der Independenz dieser Stände von der böhmischen, noch ihren
Gerechtsamen nachteilig sei," bevor sie sich zur Entsendung der Krönungs-
deputntivn entschlossen. Selbst vom Standpunkte des böhmischen Staatsrechtes


Gvenzlwte" IV 18M 27
Die böhmische Rönigst'römmg

Verleihung der Königswürde belohnen. Der Przemyslide Ottokar I. ließ sich
»ach einander von dem Staufer Philipp und dein Welsen Otto krönen und
erreichte endlich von Friedrich II. den großen Freiheitsbrief vom 20. September
1212, durch den Böhmen zum Königreiche erhoben und der Königstitel den
böhmischen Fürsten auch für die Zukunft verliehen wurde. Die Stellung Böhmens
»um Reiche war eine von den Reichsländern verschiedne, die Verpflichtung
des Königs beschränkte sich auf die Teilnahme am Römerzuge mit 120 Mann,
die kurfürstlichen Rechte wurden nur bei der Wahlhandlung ausgeübt; bei der
Verfassung der Wnhlkapitnlativn, in der Kaiser und Reichsstände die Grenzen
ihrer Befugnisse zogen, war Böhmen nicht mit thätig; erst 1708 nach Ein-
setzung der neunten (hannoverschen) Kur wurde dem Kaiser als Inhaber der
böhmischen Knrwürde das Stimmrecht auf Reichs- und DePntationStagen eim
geräumt.

Was die Beziehungen des Hanfes Habsburg zu den böhmische» Ständen
betrifft, so spielte die Frage, ob Böhmen ein Wahl- oder ein Erdreich sei, im
sechzehnten und in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts ans allen
Krönnngslandtagen eine hervorragende Rolle; thatsächlich war die Wahl Friedrichs
von der Pfalz (1619) die letzte, und durch die von Ferdinand II. am 10. Mai
1b27 erlassene „vernewerte" Landesordnung wurde das Erbrecht der Dynastie
unwiderruflich festgestellt. Da diese Landesordnung von den böhmischen Stauden
ohne Widerspruch angenommen und das Königreich bis 1848 auf Grund der¬
selben verwaltet wurde, so bildet sie den Inbegriff des bis zum Beginne der
konstitutionellen Ära geltenden böhmischen Stantsrechtes; nach deu in ihr ent¬
haltenen Bestimmungen wurde die Krönung an sämtlichen Regenten, mit Aus¬
nahme Josefs I. und Josefs II., zuletzt um Kaiser Ferdinand, als König von
Böhmen Ferdinand V., am 7. September 1836 vollzogen. Es wird demnach
kaum bestritten werdeu können, daß eine jetzt vorzunehmende Krönung an diese
Bestimmungen und an eine mehr als zweihnndertjährige Gewohnheit den An¬
schluß zu suchen haben .wird.

Von Wichtigkeit ist dabei zunächst die Teilnahme der Vertreter von Mähren
und Schlesien. Auf sie beschränkt sich seit dem fünfzehnten Jahrhundert der
staatsrechtliche Zusammenhang dieser Länder mit dem Königreiche Böhmen,
dessen Lehen sie unter den Pzremysliden und Luxemburgern waren. Die Ver¬
waltung war seit Ladislaus Postnmus und Mathias Corvinus vollständig
getrennt, und die Stände der Markgrafschaft Mähren haben ihre Selbständig¬
keit eifersüchtig zu wahren gesucht. Kaiser Leopold II. mußte ihnen dnrch Hof¬
dekret vom 1. Juli 1791 die Versicherung geben, daß „die Erscheinung der
mährisch-schlesischen Deputirten bei der böhmischen Krönung zur Huldigung in
Prag weder der Independenz dieser Stände von der böhmischen, noch ihren
Gerechtsamen nachteilig sei," bevor sie sich zur Entsendung der Krönungs-
deputntivn entschlossen. Selbst vom Standpunkte des böhmischen Staatsrechtes


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[0217] Die böhmische Rönigst'römmg Verleihung der Königswürde belohnen. Der Przemyslide Ottokar I. ließ sich »ach einander von dem Staufer Philipp und dein Welsen Otto krönen und erreichte endlich von Friedrich II. den großen Freiheitsbrief vom 20. September 1212, durch den Böhmen zum Königreiche erhoben und der Königstitel den böhmischen Fürsten auch für die Zukunft verliehen wurde. Die Stellung Böhmens »um Reiche war eine von den Reichsländern verschiedne, die Verpflichtung des Königs beschränkte sich auf die Teilnahme am Römerzuge mit 120 Mann, die kurfürstlichen Rechte wurden nur bei der Wahlhandlung ausgeübt; bei der Verfassung der Wnhlkapitnlativn, in der Kaiser und Reichsstände die Grenzen ihrer Befugnisse zogen, war Böhmen nicht mit thätig; erst 1708 nach Ein- setzung der neunten (hannoverschen) Kur wurde dem Kaiser als Inhaber der böhmischen Knrwürde das Stimmrecht auf Reichs- und DePntationStagen eim geräumt. Was die Beziehungen des Hanfes Habsburg zu den böhmische» Ständen betrifft, so spielte die Frage, ob Böhmen ein Wahl- oder ein Erdreich sei, im sechzehnten und in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts ans allen Krönnngslandtagen eine hervorragende Rolle; thatsächlich war die Wahl Friedrichs von der Pfalz (1619) die letzte, und durch die von Ferdinand II. am 10. Mai 1b27 erlassene „vernewerte" Landesordnung wurde das Erbrecht der Dynastie unwiderruflich festgestellt. Da diese Landesordnung von den böhmischen Stauden ohne Widerspruch angenommen und das Königreich bis 1848 auf Grund der¬ selben verwaltet wurde, so bildet sie den Inbegriff des bis zum Beginne der konstitutionellen Ära geltenden böhmischen Stantsrechtes; nach deu in ihr ent¬ haltenen Bestimmungen wurde die Krönung an sämtlichen Regenten, mit Aus¬ nahme Josefs I. und Josefs II., zuletzt um Kaiser Ferdinand, als König von Böhmen Ferdinand V., am 7. September 1836 vollzogen. Es wird demnach kaum bestritten werdeu können, daß eine jetzt vorzunehmende Krönung an diese Bestimmungen und an eine mehr als zweihnndertjährige Gewohnheit den An¬ schluß zu suchen haben .wird. Von Wichtigkeit ist dabei zunächst die Teilnahme der Vertreter von Mähren und Schlesien. Auf sie beschränkt sich seit dem fünfzehnten Jahrhundert der staatsrechtliche Zusammenhang dieser Länder mit dem Königreiche Böhmen, dessen Lehen sie unter den Pzremysliden und Luxemburgern waren. Die Ver¬ waltung war seit Ladislaus Postnmus und Mathias Corvinus vollständig getrennt, und die Stände der Markgrafschaft Mähren haben ihre Selbständig¬ keit eifersüchtig zu wahren gesucht. Kaiser Leopold II. mußte ihnen dnrch Hof¬ dekret vom 1. Juli 1791 die Versicherung geben, daß „die Erscheinung der mährisch-schlesischen Deputirten bei der böhmischen Krönung zur Huldigung in Prag weder der Independenz dieser Stände von der böhmischen, noch ihren Gerechtsamen nachteilig sei," bevor sie sich zur Entsendung der Krönungs- deputntivn entschlossen. Selbst vom Standpunkte des böhmischen Staatsrechtes Gvenzlwte» IV 18M 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/217>, abgerufen am 22.12.2024.