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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die böhmische 'Königskrönuug

Landtagsabgeordneten erklärten in einer einstimmig gefaßten Resolution, sie
seien nicht in der Lage, sich um den Sitzungen des Landtags zu beteiligen, da
die bei Gelegenheit des Auftrittes der Deutschen aus dein böhmischen Landtage
am 22, Dezember 1886 aufgestellte Bedingung für den Wiedereintritt nicht
erfüllt worden sei, indem man ihnen noch keine Bürgschaften für die Erfüllung
ihrer Forderungen geboten habe.

Worin diese Bürgschaften bestehen sollen und wer sie zu leiste" hätte,
wurde bei. dieser Gelegenheit nicht ausgesprochen, es ist auch ziemlich einleuchtend,
daß sie erst den Gegenstand jener Beratungen hätten abgeben müssen, die ein¬
zuleiten sich Fürst Schönburg oder richtiger Graf Taasfe, durch den die Aktion
des Fürsten veranlaßt worden war, vergeblich bemüht hatte. Herr von Pierer,
gegenwärtig der staatsmnnnische Führer der Deutschböhmen, berührte zwar in
seiner Rede in der Abgevrdnetenversammlnng die Forderung nach nationaler Ab¬
grenzung der Gerichtsbezirke und Errichtung eines deutschen Senates beim böh¬
mischen Oberlandesgericht, legte aber doch das SchwergeU'icht auf die staatsrechtlichen
Verhältnisse, die durch die Krönung des Kaisers als König von Böhmen eine
0vu der geltenden Verfassung abweichende Gestaltung erfahre" müßten. Er
meinte, daß durch die Ernennung des Grafen Franz von Thun, der im ab¬
gelaufenen Landtage für die Krönung eingetreten ist, die Negierung zum min¬
desten ebenfalls eine Neigung für sie verrate, daß die Deutschen daher das
Recht und die Pflicht hätten, sich über die Bedeutung zu unterrichten, die die
Regierung diesem staatsrechtlichen Akte beilege.

Somit ist die böhmische Köuigskrönung zum Mittelpunkte des Kampfes
zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen gemacht worden, und es dürfte
daher Wohl angezeigt sein, diese Angelegenheit hinsichtlich ihrer geschichtlichen
Etttwicklung und ihres gegenwärtigen Standes einer Untersuchung zu unterziehen.

Die Krönung war in Böhmen, wie in allen übrigen Monarchien, ein
feierlicher, zugleich politischer und religiöser Akt, durch deu die Übertragung
der verfassungsmäßig begründeten Regierungsgewalt ans den durch Wahl oder
Erbrecht berufenen nach vorausgegangener Feststellung der Bedingungen, an
die die Ausübung der Regierungsgewalt in dem betreffenden Lande geknüpft
war, öffentlich ausgesprochen wurde. Huldigung und Krönungseid bildeten
natürlich auch hier einen notwendigen Bestandteil des Vorganges, durch deu
die Beziehungen zwischen dem Fürsten und den übrigen Rechtsinhabern zum
Ausdrucke kamen. Das böhmische Königtum ist eine deutsche Gründung. Wra-
dislaw II. erhielt zum erstenmal 1086 in Mainz vom Kaiser Heinrich IV. eine
Königskrone als persönliche Auszeichnung, auch Wladislaw I. wurde in dieser
Weise 1158 von Friedrich Barbarossa geehrt, nachdem sich das Verhältnis
Böhmens zum deutschen Reich als das der Lehensnbhängigkeit ausgebildet hatte.
Der deutsche König, der sich dnrch die Gewalt des Schwertes das Necht er¬
worben hatte, die böhmischen Herzöge ein- und abzusetzen, konnte sie anch durch


Die böhmische 'Königskrönuug

Landtagsabgeordneten erklärten in einer einstimmig gefaßten Resolution, sie
seien nicht in der Lage, sich um den Sitzungen des Landtags zu beteiligen, da
die bei Gelegenheit des Auftrittes der Deutschen aus dein böhmischen Landtage
am 22, Dezember 1886 aufgestellte Bedingung für den Wiedereintritt nicht
erfüllt worden sei, indem man ihnen noch keine Bürgschaften für die Erfüllung
ihrer Forderungen geboten habe.

Worin diese Bürgschaften bestehen sollen und wer sie zu leiste» hätte,
wurde bei. dieser Gelegenheit nicht ausgesprochen, es ist auch ziemlich einleuchtend,
daß sie erst den Gegenstand jener Beratungen hätten abgeben müssen, die ein¬
zuleiten sich Fürst Schönburg oder richtiger Graf Taasfe, durch den die Aktion
des Fürsten veranlaßt worden war, vergeblich bemüht hatte. Herr von Pierer,
gegenwärtig der staatsmnnnische Führer der Deutschböhmen, berührte zwar in
seiner Rede in der Abgevrdnetenversammlnng die Forderung nach nationaler Ab¬
grenzung der Gerichtsbezirke und Errichtung eines deutschen Senates beim böh¬
mischen Oberlandesgericht, legte aber doch das SchwergeU'icht auf die staatsrechtlichen
Verhältnisse, die durch die Krönung des Kaisers als König von Böhmen eine
0vu der geltenden Verfassung abweichende Gestaltung erfahre« müßten. Er
meinte, daß durch die Ernennung des Grafen Franz von Thun, der im ab¬
gelaufenen Landtage für die Krönung eingetreten ist, die Negierung zum min¬
desten ebenfalls eine Neigung für sie verrate, daß die Deutschen daher das
Recht und die Pflicht hätten, sich über die Bedeutung zu unterrichten, die die
Regierung diesem staatsrechtlichen Akte beilege.

Somit ist die böhmische Köuigskrönung zum Mittelpunkte des Kampfes
zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen gemacht worden, und es dürfte
daher Wohl angezeigt sein, diese Angelegenheit hinsichtlich ihrer geschichtlichen
Etttwicklung und ihres gegenwärtigen Standes einer Untersuchung zu unterziehen.

Die Krönung war in Böhmen, wie in allen übrigen Monarchien, ein
feierlicher, zugleich politischer und religiöser Akt, durch deu die Übertragung
der verfassungsmäßig begründeten Regierungsgewalt ans den durch Wahl oder
Erbrecht berufenen nach vorausgegangener Feststellung der Bedingungen, an
die die Ausübung der Regierungsgewalt in dem betreffenden Lande geknüpft
war, öffentlich ausgesprochen wurde. Huldigung und Krönungseid bildeten
natürlich auch hier einen notwendigen Bestandteil des Vorganges, durch deu
die Beziehungen zwischen dem Fürsten und den übrigen Rechtsinhabern zum
Ausdrucke kamen. Das böhmische Königtum ist eine deutsche Gründung. Wra-
dislaw II. erhielt zum erstenmal 1086 in Mainz vom Kaiser Heinrich IV. eine
Königskrone als persönliche Auszeichnung, auch Wladislaw I. wurde in dieser
Weise 1158 von Friedrich Barbarossa geehrt, nachdem sich das Verhältnis
Böhmens zum deutschen Reich als das der Lehensnbhängigkeit ausgebildet hatte.
Der deutsche König, der sich dnrch die Gewalt des Schwertes das Necht er¬
worben hatte, die böhmischen Herzöge ein- und abzusetzen, konnte sie anch durch


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[0216] Die böhmische 'Königskrönuug Landtagsabgeordneten erklärten in einer einstimmig gefaßten Resolution, sie seien nicht in der Lage, sich um den Sitzungen des Landtags zu beteiligen, da die bei Gelegenheit des Auftrittes der Deutschen aus dein böhmischen Landtage am 22, Dezember 1886 aufgestellte Bedingung für den Wiedereintritt nicht erfüllt worden sei, indem man ihnen noch keine Bürgschaften für die Erfüllung ihrer Forderungen geboten habe. Worin diese Bürgschaften bestehen sollen und wer sie zu leiste» hätte, wurde bei. dieser Gelegenheit nicht ausgesprochen, es ist auch ziemlich einleuchtend, daß sie erst den Gegenstand jener Beratungen hätten abgeben müssen, die ein¬ zuleiten sich Fürst Schönburg oder richtiger Graf Taasfe, durch den die Aktion des Fürsten veranlaßt worden war, vergeblich bemüht hatte. Herr von Pierer, gegenwärtig der staatsmnnnische Führer der Deutschböhmen, berührte zwar in seiner Rede in der Abgevrdnetenversammlnng die Forderung nach nationaler Ab¬ grenzung der Gerichtsbezirke und Errichtung eines deutschen Senates beim böh¬ mischen Oberlandesgericht, legte aber doch das SchwergeU'icht auf die staatsrechtlichen Verhältnisse, die durch die Krönung des Kaisers als König von Böhmen eine 0vu der geltenden Verfassung abweichende Gestaltung erfahre« müßten. Er meinte, daß durch die Ernennung des Grafen Franz von Thun, der im ab¬ gelaufenen Landtage für die Krönung eingetreten ist, die Negierung zum min¬ desten ebenfalls eine Neigung für sie verrate, daß die Deutschen daher das Recht und die Pflicht hätten, sich über die Bedeutung zu unterrichten, die die Regierung diesem staatsrechtlichen Akte beilege. Somit ist die böhmische Köuigskrönung zum Mittelpunkte des Kampfes zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen gemacht worden, und es dürfte daher Wohl angezeigt sein, diese Angelegenheit hinsichtlich ihrer geschichtlichen Etttwicklung und ihres gegenwärtigen Standes einer Untersuchung zu unterziehen. Die Krönung war in Böhmen, wie in allen übrigen Monarchien, ein feierlicher, zugleich politischer und religiöser Akt, durch deu die Übertragung der verfassungsmäßig begründeten Regierungsgewalt ans den durch Wahl oder Erbrecht berufenen nach vorausgegangener Feststellung der Bedingungen, an die die Ausübung der Regierungsgewalt in dem betreffenden Lande geknüpft war, öffentlich ausgesprochen wurde. Huldigung und Krönungseid bildeten natürlich auch hier einen notwendigen Bestandteil des Vorganges, durch deu die Beziehungen zwischen dem Fürsten und den übrigen Rechtsinhabern zum Ausdrucke kamen. Das böhmische Königtum ist eine deutsche Gründung. Wra- dislaw II. erhielt zum erstenmal 1086 in Mainz vom Kaiser Heinrich IV. eine Königskrone als persönliche Auszeichnung, auch Wladislaw I. wurde in dieser Weise 1158 von Friedrich Barbarossa geehrt, nachdem sich das Verhältnis Böhmens zum deutschen Reich als das der Lehensnbhängigkeit ausgebildet hatte. Der deutsche König, der sich dnrch die Gewalt des Schwertes das Necht er¬ worben hatte, die böhmischen Herzöge ein- und abzusetzen, konnte sie anch durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/216>, abgerufen am 22.12.2024.