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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaszgebliches

Möglichkeit einzuschränken. So z. B. dürfen die ländlichen Gastwirte nur einmal
im Monat Tanzmusik veranstalten, und fällt In den Monat ein Vereinsfest, ein
Patriotisches Fest oder eine andre außerordentliche Festlichkeit mit Tanz, so wird
sie als jene einmalige erlaubte Tanzlustbarkeit in Rechnung gebracht und eine zweite
nicht bewilligt. Selbst die Kirmes macht keine Ausnahme: auch im Kirmesmonat
ist nur einmal Tanzmusik gestattet. Schon vor mehr als zwanzig Jahren wurde,
verordnet, daß alle Kirmessen des Kreises in einem Monat abgehalten werden sollten,
und einzelne Behörden haben sogar versucht, sie in eine Woche zusammenzudrängen.
In den städtischen Wirtschaften dagegen darf an allen Sonntagen des Jahres mit
Ausnahme des Oster- und Pfiugstsouutages getanzt werden. Mau darf bezweifeln,
ob das an sich löbliche Streben, die Vergnügungssucht einzuschränken, an der rich¬
tigen Stelle in Wirksamkeit tritt.

Die Landleute, Bauer und Bäuerin, Knecht und Magd samt dem herrschaft¬
lichen Gesinde, arbeiten sieben Monate des Jahres von früh vier Uhr bis abends
acht Uhr fast ununterbrochen, sodnß sie einschlafen, sobald sie ihre Abendsuppe verzehrt
haben. Dafür ist ihnen dann Sonntags eine Erholung zu gönnen, die der Vor¬
nehme gar nicht braucht, weil er sich täglich beim "Diner," in der Abendgesellschaft,
im Theater n. s. w. erholt. Der Bauer und die Bäuerin sind nun, am Sonntag
schon zufrieden, wenn sie früh ihr bißchen Kirchenschlaf haben (den man namentlich
der Bäuerin nicht verargen darf, weil sie sich mit Besorgung des Viehes halb tot
gerackert hat, ehe sie in die Kirche geht), nachmittags aber er beim Glase Brannt¬
wein und sie beim Schinesen Kaffee sitzen können. ' Junges Volk jedoch, das sich
mit einem Sitzvergnügen begütigte, wollen wir uns beileibe nicht wünschen! Denn
Bursche" und Mädel, die nicht das Bedürfnis fühlen, zu jauchzen und zu hopsen,
denen es nicht in allen Gliedern kribbelt, juckt und zuckt, sobald sie einmal nichts zu
arbeiten haben, die sind so wenig gesund, wie ein Kalb oder Füllen, das den ganzen,
^.ag regungslos daliegt. Lustigkeit ist die naturnotwendige Äußerung der Gesund¬
heit und Jugendkraft,' und wo die Äußerung fehlt, da fehlt die Sache. Nun ist
es gewiß eine merkwürdige Einrichtung, daß eine natürliche Lebensäußerung bloß
aller vier Wochen einmal gestattet sein soll. Aber, wird man einwenden, muß es
denn gerade Wirtshaustanz'sein? Nun, die gymnastischen Spiele der Griechen oder
die spanische Tertulicn zwanglose, allabendliche Zusammenkunft der Nachbarn im
Garten oder Hofraum, wo die Alten plaudern, die Jungen tanzen, und wo nichts
getrunken wird als Wasser, oder der altdeutsche Ringelreige" um die Dorflinde
wäre mir auch lieber, und eine allmähliche Umgestaltung der Volkssitte nach dieser
Richtung hin ist gewiß nicht unmöglich. Allein vorläufig stehen der eingewurzelte
Geschmack, der "rnhestllreude Lärm"-Pnrngraph, der Umstand, daß die Knechte und
Mägde nicht mehr als Familienmitglieder behandelt werden, noch für lange im
Wege. Dazu unser Klima! Als die deutschen Jünglinge noch nackt ihren Schwerter¬
tanz aufführten und nackt sich im Schnee wälzten, da freilich hatten ein paar Regen¬
tropfen nichts zu bedeuten. Heute würden sie dem Dorfstntzer seine gestärkte"
Manschette" und der Kuhmagd ihren ont 60 ?nrl8 verderben. Die "moderne
Geselligkeit ist nun einmal in die Kneipe gebannt, ausgenommen die der wenigen
Glücklichen, die ihren eignen "Salon" haben. Es ist 'wahr, der ländliche Tanz¬
boden mutet Svuutngs abends um elf Uhr nicht sehr ästhetisch an und eignet sich
vielleicht mich nicht zur Tugendschule für junge Mädchen. Aber wie bei Geheimrath
kann es dort eben weder aussehen noch riechen, und ob die Unterhaltung angeheiterter
Knechte unmoralischer ist als manche vornehme Lektüre, das mag dahingestellt bleiben;
in der größern Aufrichtigkeit wenigstens liegt das Unmoralische gewiß nicht.


Maßgebliches und Unmaszgebliches

Möglichkeit einzuschränken. So z. B. dürfen die ländlichen Gastwirte nur einmal
im Monat Tanzmusik veranstalten, und fällt In den Monat ein Vereinsfest, ein
Patriotisches Fest oder eine andre außerordentliche Festlichkeit mit Tanz, so wird
sie als jene einmalige erlaubte Tanzlustbarkeit in Rechnung gebracht und eine zweite
nicht bewilligt. Selbst die Kirmes macht keine Ausnahme: auch im Kirmesmonat
ist nur einmal Tanzmusik gestattet. Schon vor mehr als zwanzig Jahren wurde,
verordnet, daß alle Kirmessen des Kreises in einem Monat abgehalten werden sollten,
und einzelne Behörden haben sogar versucht, sie in eine Woche zusammenzudrängen.
In den städtischen Wirtschaften dagegen darf an allen Sonntagen des Jahres mit
Ausnahme des Oster- und Pfiugstsouutages getanzt werden. Mau darf bezweifeln,
ob das an sich löbliche Streben, die Vergnügungssucht einzuschränken, an der rich¬
tigen Stelle in Wirksamkeit tritt.

Die Landleute, Bauer und Bäuerin, Knecht und Magd samt dem herrschaft¬
lichen Gesinde, arbeiten sieben Monate des Jahres von früh vier Uhr bis abends
acht Uhr fast ununterbrochen, sodnß sie einschlafen, sobald sie ihre Abendsuppe verzehrt
haben. Dafür ist ihnen dann Sonntags eine Erholung zu gönnen, die der Vor¬
nehme gar nicht braucht, weil er sich täglich beim „Diner," in der Abendgesellschaft,
im Theater n. s. w. erholt. Der Bauer und die Bäuerin sind nun, am Sonntag
schon zufrieden, wenn sie früh ihr bißchen Kirchenschlaf haben (den man namentlich
der Bäuerin nicht verargen darf, weil sie sich mit Besorgung des Viehes halb tot
gerackert hat, ehe sie in die Kirche geht), nachmittags aber er beim Glase Brannt¬
wein und sie beim Schinesen Kaffee sitzen können. ' Junges Volk jedoch, das sich
mit einem Sitzvergnügen begütigte, wollen wir uns beileibe nicht wünschen! Denn
Bursche» und Mädel, die nicht das Bedürfnis fühlen, zu jauchzen und zu hopsen,
denen es nicht in allen Gliedern kribbelt, juckt und zuckt, sobald sie einmal nichts zu
arbeiten haben, die sind so wenig gesund, wie ein Kalb oder Füllen, das den ganzen,
^.ag regungslos daliegt. Lustigkeit ist die naturnotwendige Äußerung der Gesund¬
heit und Jugendkraft,' und wo die Äußerung fehlt, da fehlt die Sache. Nun ist
es gewiß eine merkwürdige Einrichtung, daß eine natürliche Lebensäußerung bloß
aller vier Wochen einmal gestattet sein soll. Aber, wird man einwenden, muß es
denn gerade Wirtshaustanz'sein? Nun, die gymnastischen Spiele der Griechen oder
die spanische Tertulicn zwanglose, allabendliche Zusammenkunft der Nachbarn im
Garten oder Hofraum, wo die Alten plaudern, die Jungen tanzen, und wo nichts
getrunken wird als Wasser, oder der altdeutsche Ringelreige« um die Dorflinde
wäre mir auch lieber, und eine allmähliche Umgestaltung der Volkssitte nach dieser
Richtung hin ist gewiß nicht unmöglich. Allein vorläufig stehen der eingewurzelte
Geschmack, der „rnhestllreude Lärm"-Pnrngraph, der Umstand, daß die Knechte und
Mägde nicht mehr als Familienmitglieder behandelt werden, noch für lange im
Wege. Dazu unser Klima! Als die deutschen Jünglinge noch nackt ihren Schwerter¬
tanz aufführten und nackt sich im Schnee wälzten, da freilich hatten ein paar Regen¬
tropfen nichts zu bedeuten. Heute würden sie dem Dorfstntzer seine gestärkte«
Manschette» und der Kuhmagd ihren ont 60 ?nrl8 verderben. Die "moderne
Geselligkeit ist nun einmal in die Kneipe gebannt, ausgenommen die der wenigen
Glücklichen, die ihren eignen „Salon" haben. Es ist 'wahr, der ländliche Tanz¬
boden mutet Svuutngs abends um elf Uhr nicht sehr ästhetisch an und eignet sich
vielleicht mich nicht zur Tugendschule für junge Mädchen. Aber wie bei Geheimrath
kann es dort eben weder aussehen noch riechen, und ob die Unterhaltung angeheiterter
Knechte unmoralischer ist als manche vornehme Lektüre, das mag dahingestellt bleiben;
in der größern Aufrichtigkeit wenigstens liegt das Unmoralische gewiß nicht.


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[0203] Maßgebliches und Unmaszgebliches Möglichkeit einzuschränken. So z. B. dürfen die ländlichen Gastwirte nur einmal im Monat Tanzmusik veranstalten, und fällt In den Monat ein Vereinsfest, ein Patriotisches Fest oder eine andre außerordentliche Festlichkeit mit Tanz, so wird sie als jene einmalige erlaubte Tanzlustbarkeit in Rechnung gebracht und eine zweite nicht bewilligt. Selbst die Kirmes macht keine Ausnahme: auch im Kirmesmonat ist nur einmal Tanzmusik gestattet. Schon vor mehr als zwanzig Jahren wurde, verordnet, daß alle Kirmessen des Kreises in einem Monat abgehalten werden sollten, und einzelne Behörden haben sogar versucht, sie in eine Woche zusammenzudrängen. In den städtischen Wirtschaften dagegen darf an allen Sonntagen des Jahres mit Ausnahme des Oster- und Pfiugstsouutages getanzt werden. Mau darf bezweifeln, ob das an sich löbliche Streben, die Vergnügungssucht einzuschränken, an der rich¬ tigen Stelle in Wirksamkeit tritt. Die Landleute, Bauer und Bäuerin, Knecht und Magd samt dem herrschaft¬ lichen Gesinde, arbeiten sieben Monate des Jahres von früh vier Uhr bis abends acht Uhr fast ununterbrochen, sodnß sie einschlafen, sobald sie ihre Abendsuppe verzehrt haben. Dafür ist ihnen dann Sonntags eine Erholung zu gönnen, die der Vor¬ nehme gar nicht braucht, weil er sich täglich beim „Diner," in der Abendgesellschaft, im Theater n. s. w. erholt. Der Bauer und die Bäuerin sind nun, am Sonntag schon zufrieden, wenn sie früh ihr bißchen Kirchenschlaf haben (den man namentlich der Bäuerin nicht verargen darf, weil sie sich mit Besorgung des Viehes halb tot gerackert hat, ehe sie in die Kirche geht), nachmittags aber er beim Glase Brannt¬ wein und sie beim Schinesen Kaffee sitzen können. ' Junges Volk jedoch, das sich mit einem Sitzvergnügen begütigte, wollen wir uns beileibe nicht wünschen! Denn Bursche» und Mädel, die nicht das Bedürfnis fühlen, zu jauchzen und zu hopsen, denen es nicht in allen Gliedern kribbelt, juckt und zuckt, sobald sie einmal nichts zu arbeiten haben, die sind so wenig gesund, wie ein Kalb oder Füllen, das den ganzen, ^.ag regungslos daliegt. Lustigkeit ist die naturnotwendige Äußerung der Gesund¬ heit und Jugendkraft,' und wo die Äußerung fehlt, da fehlt die Sache. Nun ist es gewiß eine merkwürdige Einrichtung, daß eine natürliche Lebensäußerung bloß aller vier Wochen einmal gestattet sein soll. Aber, wird man einwenden, muß es denn gerade Wirtshaustanz'sein? Nun, die gymnastischen Spiele der Griechen oder die spanische Tertulicn zwanglose, allabendliche Zusammenkunft der Nachbarn im Garten oder Hofraum, wo die Alten plaudern, die Jungen tanzen, und wo nichts getrunken wird als Wasser, oder der altdeutsche Ringelreige« um die Dorflinde wäre mir auch lieber, und eine allmähliche Umgestaltung der Volkssitte nach dieser Richtung hin ist gewiß nicht unmöglich. Allein vorläufig stehen der eingewurzelte Geschmack, der „rnhestllreude Lärm"-Pnrngraph, der Umstand, daß die Knechte und Mägde nicht mehr als Familienmitglieder behandelt werden, noch für lange im Wege. Dazu unser Klima! Als die deutschen Jünglinge noch nackt ihren Schwerter¬ tanz aufführten und nackt sich im Schnee wälzten, da freilich hatten ein paar Regen¬ tropfen nichts zu bedeuten. Heute würden sie dem Dorfstntzer seine gestärkte« Manschette» und der Kuhmagd ihren ont 60 ?nrl8 verderben. Die "moderne Geselligkeit ist nun einmal in die Kneipe gebannt, ausgenommen die der wenigen Glücklichen, die ihren eignen „Salon" haben. Es ist 'wahr, der ländliche Tanz¬ boden mutet Svuutngs abends um elf Uhr nicht sehr ästhetisch an und eignet sich vielleicht mich nicht zur Tugendschule für junge Mädchen. Aber wie bei Geheimrath kann es dort eben weder aussehen noch riechen, und ob die Unterhaltung angeheiterter Knechte unmoralischer ist als manche vornehme Lektüre, das mag dahingestellt bleiben; in der größern Aufrichtigkeit wenigstens liegt das Unmoralische gewiß nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/203>, abgerufen am 30.06.2024.