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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

oder Realgymnasiums 300 Mark Wvhnungsznschuß*); in den Städten erster
Servisklcisse -- zu denen in Sachsen Leipzig, Chemnitz, Zwickau zu rechnen sein
würden -- haben die betreffenden Zuschüsse eine Höhe von 660 Mark. Der sächsische
Gymnasiallehrer, der nicht zufällig über Privatvermögen verfügt -- und das sind
doch die wenigsten --, ist deshalb in ungesundein Maße ans Nebenerwerb ange¬
wiesen, ja es ist sogar einmal geschehen, daß eine Deputation der zweiten Kammer
in ihrem Bericht ihn achselzuckend auf Pensionäre und Privatunterricht vertröstet
hat, als ob derartiger Nebenerwerb für jeden zu haben und für alle durchführbar
wäre, und als ob nicht der Staat grundsätzlich die Kraft seiner Lehrer ganz für
den unmittelbaren nud mittelbaren Dienst an der Schule begehrte, als ob er nicht
besonders die Muße der akademisch gebildeten nnter ihnen für wissenschaftliche
Weiterbildung verwendet wünschte, die der Lehrer einer höhern Schulanstalt in der
That nicht entbehren kann, wenn er seine Stellung ausfüllen will.

Eine gesetzliche Regelung der Pensionsverhältnisse hat ja stattgefunden, aber es
ist nur das Gesetz über die Emeritiruug der Volksschullehrer vom Jahre 1370
zwei Jahre uach seinem Erscheinen ans die akademisch gebildete Lehrerschaft der
höhern Schulen ausgedehnt worden; begreiflicherweise beruht dieses auf ganz andern
thatsächlichen Grundlagen, als sie bei den Oberlehrern der Gymnasien und Real¬
gymnasien zutreffen. Der Volksschullehrer beendet seine Vorbereitungszeit mit dem
zwanzigsten Jahre, der Gymnasiallehrer mit dem vierundzwanzigsten und, wenn er
als Freiwilliger gedient hat, mit dem fünfundzwanzigsten Jahre. Die Aufwendungen
für Vorbildung und Unterhalt sind gar nicht zu vergleichen. Die feste Anstellung
erfolgt bei dem Gymnasiallehrer heutzutage erst gegen das dreißigste Jahr hin, und
von dn wird seine für die Pension in Betracht kommende Dienstzeit gerechnet, bei
dein Volksschullehrer läuft diese nach den gesetzlichen Vorschriften im allerungünstigsten
Falle vom fttichindzwanzigsteu Lebensjahre. Der höchste Pensionssatz von achtzig
Prozent, der unes fünfundvierzig Dieustjahren eintritt, trifft den Gymnasiallehrer
meist uicht mehr unter den Lebenden.

Da inzwischen (im Jahre 1876) das oben erwähnte Gesetz über die Pensivns-
verhältnisse der Zivilflaatsdiener erlassen worden ist, so ist im Kreise der akademisch
gebildeten Lehrerschaft Sachsens der Wunsch immer lebhafter geworden, einen ihren
Bedürfnissen entsprechenden Pensionssatz durch Angliederung an die ..Staatsdiener''
zu erstreben, sei es, daß man sie geradezu zu solchen erklärt, sei es, daß man
sie wenigstens ähnlich wie diese behandelt. Das erstere wäre das erwünschtere,
mich natürlichere, weil damit zugleich die gesellschaftliche Stellung der Oberlehrer,
die gegenwärtig nicht eben fest ausgeprägt erscheint, eine Klärung erführe, eine
Klärung in demselben Sinne, wie man sie in Preußen bereits hat eintreten lassen,
und wie man sie wohl niemals grundsätzlich als unbillig empfunden hat, auch in
Sachsen uicht, wo wenigstens ein Teil der vorerwähnten Deputation des Landtages
der Meinung Ausdruck gab, daß "den geistigen Pflegern der Zukunft, den Lehrern
der künftige,: Träger der allgemeinen Bildung, die Gleichstellung mit verwandten
Benmteutreisen nicht vorzuenthalten" sei.

Auf jeden Fall würde die Anwendung des Pensionsgesetzes der Staatsdiener
(un Sinne des sächsischen Stantsdienergesetzes) auf die akademisch gebildete Lehrer-



*) Da der AnfcmgSnelM in Berlin 2100 Mark beträgt, so bezieht der dortige Gym-
nastallehrer schon'sam Anfang seiner Laufbahn ein Einkommen von 3000 Mark, das sein
Amtsgenvsse an den Staatsanstalten Dresdens und Leipzigs, wie bemerkt, in der Regel kaum
vor dem vierzigsten Lebensjahre erreichen wird.
Grenzboten IV 188g 25
Maßgebliches und Unmaßgebliches

oder Realgymnasiums 300 Mark Wvhnungsznschuß*); in den Städten erster
Servisklcisse — zu denen in Sachsen Leipzig, Chemnitz, Zwickau zu rechnen sein
würden — haben die betreffenden Zuschüsse eine Höhe von 660 Mark. Der sächsische
Gymnasiallehrer, der nicht zufällig über Privatvermögen verfügt — und das sind
doch die wenigsten —, ist deshalb in ungesundein Maße ans Nebenerwerb ange¬
wiesen, ja es ist sogar einmal geschehen, daß eine Deputation der zweiten Kammer
in ihrem Bericht ihn achselzuckend auf Pensionäre und Privatunterricht vertröstet
hat, als ob derartiger Nebenerwerb für jeden zu haben und für alle durchführbar
wäre, und als ob nicht der Staat grundsätzlich die Kraft seiner Lehrer ganz für
den unmittelbaren nud mittelbaren Dienst an der Schule begehrte, als ob er nicht
besonders die Muße der akademisch gebildeten nnter ihnen für wissenschaftliche
Weiterbildung verwendet wünschte, die der Lehrer einer höhern Schulanstalt in der
That nicht entbehren kann, wenn er seine Stellung ausfüllen will.

Eine gesetzliche Regelung der Pensionsverhältnisse hat ja stattgefunden, aber es
ist nur das Gesetz über die Emeritiruug der Volksschullehrer vom Jahre 1370
zwei Jahre uach seinem Erscheinen ans die akademisch gebildete Lehrerschaft der
höhern Schulen ausgedehnt worden; begreiflicherweise beruht dieses auf ganz andern
thatsächlichen Grundlagen, als sie bei den Oberlehrern der Gymnasien und Real¬
gymnasien zutreffen. Der Volksschullehrer beendet seine Vorbereitungszeit mit dem
zwanzigsten Jahre, der Gymnasiallehrer mit dem vierundzwanzigsten und, wenn er
als Freiwilliger gedient hat, mit dem fünfundzwanzigsten Jahre. Die Aufwendungen
für Vorbildung und Unterhalt sind gar nicht zu vergleichen. Die feste Anstellung
erfolgt bei dem Gymnasiallehrer heutzutage erst gegen das dreißigste Jahr hin, und
von dn wird seine für die Pension in Betracht kommende Dienstzeit gerechnet, bei
dein Volksschullehrer läuft diese nach den gesetzlichen Vorschriften im allerungünstigsten
Falle vom fttichindzwanzigsteu Lebensjahre. Der höchste Pensionssatz von achtzig
Prozent, der unes fünfundvierzig Dieustjahren eintritt, trifft den Gymnasiallehrer
meist uicht mehr unter den Lebenden.

Da inzwischen (im Jahre 1876) das oben erwähnte Gesetz über die Pensivns-
verhältnisse der Zivilflaatsdiener erlassen worden ist, so ist im Kreise der akademisch
gebildeten Lehrerschaft Sachsens der Wunsch immer lebhafter geworden, einen ihren
Bedürfnissen entsprechenden Pensionssatz durch Angliederung an die ..Staatsdiener''
zu erstreben, sei es, daß man sie geradezu zu solchen erklärt, sei es, daß man
sie wenigstens ähnlich wie diese behandelt. Das erstere wäre das erwünschtere,
mich natürlichere, weil damit zugleich die gesellschaftliche Stellung der Oberlehrer,
die gegenwärtig nicht eben fest ausgeprägt erscheint, eine Klärung erführe, eine
Klärung in demselben Sinne, wie man sie in Preußen bereits hat eintreten lassen,
und wie man sie wohl niemals grundsätzlich als unbillig empfunden hat, auch in
Sachsen uicht, wo wenigstens ein Teil der vorerwähnten Deputation des Landtages
der Meinung Ausdruck gab, daß „den geistigen Pflegern der Zukunft, den Lehrern
der künftige,: Träger der allgemeinen Bildung, die Gleichstellung mit verwandten
Benmteutreisen nicht vorzuenthalten" sei.

Auf jeden Fall würde die Anwendung des Pensionsgesetzes der Staatsdiener
(un Sinne des sächsischen Stantsdienergesetzes) auf die akademisch gebildete Lehrer-



*) Da der AnfcmgSnelM in Berlin 2100 Mark beträgt, so bezieht der dortige Gym-
nastallehrer schon'sam Anfang seiner Laufbahn ein Einkommen von 3000 Mark, das sein
Amtsgenvsse an den Staatsanstalten Dresdens und Leipzigs, wie bemerkt, in der Regel kaum
vor dem vierzigsten Lebensjahre erreichen wird.
Grenzboten IV 188g 25
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[0201] Maßgebliches und Unmaßgebliches oder Realgymnasiums 300 Mark Wvhnungsznschuß*); in den Städten erster Servisklcisse — zu denen in Sachsen Leipzig, Chemnitz, Zwickau zu rechnen sein würden — haben die betreffenden Zuschüsse eine Höhe von 660 Mark. Der sächsische Gymnasiallehrer, der nicht zufällig über Privatvermögen verfügt — und das sind doch die wenigsten —, ist deshalb in ungesundein Maße ans Nebenerwerb ange¬ wiesen, ja es ist sogar einmal geschehen, daß eine Deputation der zweiten Kammer in ihrem Bericht ihn achselzuckend auf Pensionäre und Privatunterricht vertröstet hat, als ob derartiger Nebenerwerb für jeden zu haben und für alle durchführbar wäre, und als ob nicht der Staat grundsätzlich die Kraft seiner Lehrer ganz für den unmittelbaren nud mittelbaren Dienst an der Schule begehrte, als ob er nicht besonders die Muße der akademisch gebildeten nnter ihnen für wissenschaftliche Weiterbildung verwendet wünschte, die der Lehrer einer höhern Schulanstalt in der That nicht entbehren kann, wenn er seine Stellung ausfüllen will. Eine gesetzliche Regelung der Pensionsverhältnisse hat ja stattgefunden, aber es ist nur das Gesetz über die Emeritiruug der Volksschullehrer vom Jahre 1370 zwei Jahre uach seinem Erscheinen ans die akademisch gebildete Lehrerschaft der höhern Schulen ausgedehnt worden; begreiflicherweise beruht dieses auf ganz andern thatsächlichen Grundlagen, als sie bei den Oberlehrern der Gymnasien und Real¬ gymnasien zutreffen. Der Volksschullehrer beendet seine Vorbereitungszeit mit dem zwanzigsten Jahre, der Gymnasiallehrer mit dem vierundzwanzigsten und, wenn er als Freiwilliger gedient hat, mit dem fünfundzwanzigsten Jahre. Die Aufwendungen für Vorbildung und Unterhalt sind gar nicht zu vergleichen. Die feste Anstellung erfolgt bei dem Gymnasiallehrer heutzutage erst gegen das dreißigste Jahr hin, und von dn wird seine für die Pension in Betracht kommende Dienstzeit gerechnet, bei dein Volksschullehrer läuft diese nach den gesetzlichen Vorschriften im allerungünstigsten Falle vom fttichindzwanzigsteu Lebensjahre. Der höchste Pensionssatz von achtzig Prozent, der unes fünfundvierzig Dieustjahren eintritt, trifft den Gymnasiallehrer meist uicht mehr unter den Lebenden. Da inzwischen (im Jahre 1876) das oben erwähnte Gesetz über die Pensivns- verhältnisse der Zivilflaatsdiener erlassen worden ist, so ist im Kreise der akademisch gebildeten Lehrerschaft Sachsens der Wunsch immer lebhafter geworden, einen ihren Bedürfnissen entsprechenden Pensionssatz durch Angliederung an die ..Staatsdiener'' zu erstreben, sei es, daß man sie geradezu zu solchen erklärt, sei es, daß man sie wenigstens ähnlich wie diese behandelt. Das erstere wäre das erwünschtere, mich natürlichere, weil damit zugleich die gesellschaftliche Stellung der Oberlehrer, die gegenwärtig nicht eben fest ausgeprägt erscheint, eine Klärung erführe, eine Klärung in demselben Sinne, wie man sie in Preußen bereits hat eintreten lassen, und wie man sie wohl niemals grundsätzlich als unbillig empfunden hat, auch in Sachsen uicht, wo wenigstens ein Teil der vorerwähnten Deputation des Landtages der Meinung Ausdruck gab, daß „den geistigen Pflegern der Zukunft, den Lehrern der künftige,: Träger der allgemeinen Bildung, die Gleichstellung mit verwandten Benmteutreisen nicht vorzuenthalten" sei. Auf jeden Fall würde die Anwendung des Pensionsgesetzes der Staatsdiener (un Sinne des sächsischen Stantsdienergesetzes) auf die akademisch gebildete Lehrer- *) Da der AnfcmgSnelM in Berlin 2100 Mark beträgt, so bezieht der dortige Gym- nastallehrer schon'sam Anfang seiner Laufbahn ein Einkommen von 3000 Mark, das sein Amtsgenvsse an den Staatsanstalten Dresdens und Leipzigs, wie bemerkt, in der Regel kaum vor dem vierzigsten Lebensjahre erreichen wird. Grenzboten IV 188g 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/201>, abgerufen am 22.12.2024.