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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Da hätten Sie sehen sollen, wie sie zurückwichen, sich nach dem Gelde bückten,
Entschuldigungen stammelten und sogleich hinaus und die Treppe hinuuter-
liefeu." Und Ilse Frapan fügt hinzu: "Dies gelegentliche Auftrete" als Ber¬
serker war ihm selber höchst vergnüglich, und wie lustig war es, ihn sich in
solchen Abenteuern zu deuteln ,. . Wenn er seinen Einhard sterben läßt im
Kampf mit einem rohen Tierqnäler, so war das ein Geschick, das ihn selbst
leicht hätte treffen können. Zumal in Italien, wo es mit der Mißhandlung
der Zug- und Reittiere so unverbesserlich arg ist, hat er ein paarmal einen
Betturiu, der auf Ermahnungen nicht hörte, mit Faustschlägen trat'dire. Es
wurde selbst zum Messer gegriffen, doch rettete ihn sein Mut, vor dein sich
der rohe Feigling beugte. Bischer war ebeu ein durch und durch streitbarer
Mann; wo Worte nicht fruchteten, da trat er mit seiner tapfern Hand ein."

Von Wischers Liebe zu den Tieren weiß die Verfasserin unzählige Ge¬
schichten zu erzählen. Er bekundete sie von Jugend auf. In seiner Studir-
stuöe waren zwei Katzen und ein Hund stets um ihn; er ließ sich von den
Tieren alles gefallen; das eine junge Kätzchen durfte ihm auf den Rücken
springen, wenn er auf der Leiter seines Büchergestells emporstieg. Ein echt
Vischerscher Spaß wird im folgenden erzählt. "Dies nahe vertrauliche Zu¬
sammensein mit den Hallstieren (es waren gewöhnlich auch ein Paar Katzen
da, und A'cmthos hatte oft Besuch von Nachbarshnnden) gab dem "bücher¬
reichen Orte" etwas Anheimelndes, Belebtes, Heiteres, Natürliches. Es war
wie eine sogleich sichtbare Verkündigung, daß hier Pedanterie und steife Würde
nicht gedeihen könnten, schnell aus der Fassung kommen müßten. Denn
wenn auch der Rattenfänger nach wvhlgezogener Hundeart durchaus Ordre
parirte, so hatte er doch allerlei Launen, wollte bald hinaus zur Rike, bald
wieder kratzte er draußen, um Einlaß bettelnd, oder er verlangte, ins Schlaf¬
zimmer gelassen zu werden, um dort -- an der Bettstatt sich den Pelz zu
reiben! Wenn man seine Tiere lieb hat, läßt man sie nicht umsonst winseln.
Bischer stand gelassen ans und Verbannte sie keiner solchen Kindernngeduld
wegen aus seiner Nähe. Er kannte all ihre Einfälle und spürte ihnen mit
phantasievvllem Humor nach. So lachte er einmal hell auf, als der Hund
im Nebenzimmer ingrimmig bellte. "Da sehen Sie -- rief er -- jetzt hat er
sich wieder an der Bettstatt kratzen wollen, aber wie das so geht, ist von dein
Reiben das Jucken ärger geworden. Jetzt bellt er den Dämon an, der da in
der Bettstatt steckt, so macht ers allemal!"" Dieser Xanthos mit seinem fröh¬
lichen Bellen und Springen war Wischers unzertrennlicher Begleiter, auch wenn
der Herr Besuche machte. In Stuttgart unterschied man die beiden Pro¬
fessoren Bischer und Fischer durch die Hiuzufüguiig: mit oder ohne Hund.

Auch von der Leutseligkeit dieses Tierfreundes weiß Ilse Frapan nicht
minder bezeichnende Geschichten zu erzählen. Seiner alten Wirtschafterin, die
für den großen bescheidne" Mann natürlich durchs Feuer ging, leistete Bischer


Da hätten Sie sehen sollen, wie sie zurückwichen, sich nach dem Gelde bückten,
Entschuldigungen stammelten und sogleich hinaus und die Treppe hinuuter-
liefeu." Und Ilse Frapan fügt hinzu: „Dies gelegentliche Auftrete» als Ber¬
serker war ihm selber höchst vergnüglich, und wie lustig war es, ihn sich in
solchen Abenteuern zu deuteln ,. . Wenn er seinen Einhard sterben läßt im
Kampf mit einem rohen Tierqnäler, so war das ein Geschick, das ihn selbst
leicht hätte treffen können. Zumal in Italien, wo es mit der Mißhandlung
der Zug- und Reittiere so unverbesserlich arg ist, hat er ein paarmal einen
Betturiu, der auf Ermahnungen nicht hörte, mit Faustschlägen trat'dire. Es
wurde selbst zum Messer gegriffen, doch rettete ihn sein Mut, vor dein sich
der rohe Feigling beugte. Bischer war ebeu ein durch und durch streitbarer
Mann; wo Worte nicht fruchteten, da trat er mit seiner tapfern Hand ein."

Von Wischers Liebe zu den Tieren weiß die Verfasserin unzählige Ge¬
schichten zu erzählen. Er bekundete sie von Jugend auf. In seiner Studir-
stuöe waren zwei Katzen und ein Hund stets um ihn; er ließ sich von den
Tieren alles gefallen; das eine junge Kätzchen durfte ihm auf den Rücken
springen, wenn er auf der Leiter seines Büchergestells emporstieg. Ein echt
Vischerscher Spaß wird im folgenden erzählt. „Dies nahe vertrauliche Zu¬
sammensein mit den Hallstieren (es waren gewöhnlich auch ein Paar Katzen
da, und A'cmthos hatte oft Besuch von Nachbarshnnden) gab dem »bücher¬
reichen Orte« etwas Anheimelndes, Belebtes, Heiteres, Natürliches. Es war
wie eine sogleich sichtbare Verkündigung, daß hier Pedanterie und steife Würde
nicht gedeihen könnten, schnell aus der Fassung kommen müßten. Denn
wenn auch der Rattenfänger nach wvhlgezogener Hundeart durchaus Ordre
parirte, so hatte er doch allerlei Launen, wollte bald hinaus zur Rike, bald
wieder kratzte er draußen, um Einlaß bettelnd, oder er verlangte, ins Schlaf¬
zimmer gelassen zu werden, um dort — an der Bettstatt sich den Pelz zu
reiben! Wenn man seine Tiere lieb hat, läßt man sie nicht umsonst winseln.
Bischer stand gelassen ans und Verbannte sie keiner solchen Kindernngeduld
wegen aus seiner Nähe. Er kannte all ihre Einfälle und spürte ihnen mit
phantasievvllem Humor nach. So lachte er einmal hell auf, als der Hund
im Nebenzimmer ingrimmig bellte. »Da sehen Sie — rief er — jetzt hat er
sich wieder an der Bettstatt kratzen wollen, aber wie das so geht, ist von dein
Reiben das Jucken ärger geworden. Jetzt bellt er den Dämon an, der da in
der Bettstatt steckt, so macht ers allemal!«" Dieser Xanthos mit seinem fröh¬
lichen Bellen und Springen war Wischers unzertrennlicher Begleiter, auch wenn
der Herr Besuche machte. In Stuttgart unterschied man die beiden Pro¬
fessoren Bischer und Fischer durch die Hiuzufüguiig: mit oder ohne Hund.

Auch von der Leutseligkeit dieses Tierfreundes weiß Ilse Frapan nicht
minder bezeichnende Geschichten zu erzählen. Seiner alten Wirtschafterin, die
für den großen bescheidne» Mann natürlich durchs Feuer ging, leistete Bischer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/195>, abgerufen am 30.06.2024.