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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Li'innenmgen an F. Ti^ Bischer

sehr auf den Kreis der Gelehrten, der Fachmänner, der Höhergelnldeten be¬
schränkt geblieben; Bischer setzt zu viel voraus, um auch weitern Schichten leicht
zugänglich zu Seitn Als Dahingeschiedener jedoch wird er zu neuem Leben
erstehen und der Nation persönlich so vertraut werden, wie nur jemals ihre
größten Männer. Man sagt oft, die beste Probe für den Wert einer Philo¬
sophie biete die Betrachtung des Lebens ihres Schöpfers. Denn zunächst an
sich selbst müßte ja der Denker den Wert seiner Weltanschauung erfahren habe".
Wer z.B. die Lebensgeschichte Arthur Schopenhauers kennt, mit dem sich Bischer
in "Auch Einer" so eindringlich auseinandersetzt, der wird wenig Bertrauen
zu seiner Lebenslehre gewinnen; dies ist allerdings ein Urteil vom praktisch-
endämvnistischen Standpunkte, der zwar nicht genügt, wissenschaftliche Leistungen
zu beurteilen, der aber gleichwohl seine gute Berechtigung hat. Am Ende soll
uns jn unser ganzes wissenschaftliches Denken lind Trachten zu einer würdigen
und befriedigenden Lebensführung verhelfen. Schopenhauer ist kein solcher
Führer fürs Leben, kein Mann, der jemals vorbildlich werden kann; Bischer
ist es in vollem Maße. Das lehren uns die Erinnerungen von Ilse Frapan,
und deswegen ist uns ihr parteiisch angegriffenes Buch lieb geworden.

Ilse Frapan hatte sich Bischer i" der Ferne groß und stark wie einen
Bismarck vorgestellt, er hatte aber eine kleine Figur, war schmächtig und edel
gestaltet, mit einem durchgeistigteil Gesicht und mit einer mächtigen Denker-
stirn, und doch war er nichts weniger als ein scheuer Stubengelehrter. Schon
in seiner Jugend pflegte er körperliche.Künste, Fechten, Schießen, Reiten, Turme",
er war ein kühner Bergsteiger, und bis ins hohe Alter bewahrte er sich die
Kraft, zehllstnndige Tagesmärsche zu macheu. Auch persönlicher Mut zeichnete
ihn aus, auf seinen zahlreichen einsamen Wanderungen durch Italien hatte er
vielfach Gelegenheit, ihn zu bewähren, wobei sich seine Klugheit heiter mit der
Tapferkeit paarte.

Eine hübsche Geschichte erzählt ihm die Berfasserin nach. "Ein andermal
kam ich spät abends in Neapel um, "ahn zwei Pactträger und wanderte von
Hotel zu Hotel, ohne irgendwo ein Zimmer frei zu finden. Die Träger
brummten schon, denn es war nach Mitternacht. Zuletzt erhielt ich in einem
Gasthof uoch ein schlechtes Logis, fünf Stock hoch; der müde Hausknecht, der
es mir gezeigt hatte, verschwand sogleich wieder, in dem ganzen Hause regte
sich nichts mehr. Ich gab den Trägern, hohen, kräftige" Burschen, mit denen
ich mich da oben ganz allein befand, einen entsprechenden Lohn, da sie so lange
mit mir hatten laufen müssen. Da schleudert der eine Kerl das aufgezählte
Geld gerade so vom Tisch und ruft, das sei zu wenig, und beide stellen sich in
drohender Haltung vor mich hin. Hätte ich nur im geringsten Furcht gezeigt,
wer weiß, was geschehen wäre; ich thue also, als ob ich furchtbar wütend
würde, rolle die Augen, beiße die Zähne auf einander und fange so an zu
zittern, daß ich den Tisch umwerfe, dann thue ich einen Satz auf die .Kerle zu.


Li'innenmgen an F. Ti^ Bischer

sehr auf den Kreis der Gelehrten, der Fachmänner, der Höhergelnldeten be¬
schränkt geblieben; Bischer setzt zu viel voraus, um auch weitern Schichten leicht
zugänglich zu Seitn Als Dahingeschiedener jedoch wird er zu neuem Leben
erstehen und der Nation persönlich so vertraut werden, wie nur jemals ihre
größten Männer. Man sagt oft, die beste Probe für den Wert einer Philo¬
sophie biete die Betrachtung des Lebens ihres Schöpfers. Denn zunächst an
sich selbst müßte ja der Denker den Wert seiner Weltanschauung erfahren habe».
Wer z.B. die Lebensgeschichte Arthur Schopenhauers kennt, mit dem sich Bischer
in „Auch Einer" so eindringlich auseinandersetzt, der wird wenig Bertrauen
zu seiner Lebenslehre gewinnen; dies ist allerdings ein Urteil vom praktisch-
endämvnistischen Standpunkte, der zwar nicht genügt, wissenschaftliche Leistungen
zu beurteilen, der aber gleichwohl seine gute Berechtigung hat. Am Ende soll
uns jn unser ganzes wissenschaftliches Denken lind Trachten zu einer würdigen
und befriedigenden Lebensführung verhelfen. Schopenhauer ist kein solcher
Führer fürs Leben, kein Mann, der jemals vorbildlich werden kann; Bischer
ist es in vollem Maße. Das lehren uns die Erinnerungen von Ilse Frapan,
und deswegen ist uns ihr parteiisch angegriffenes Buch lieb geworden.

Ilse Frapan hatte sich Bischer i» der Ferne groß und stark wie einen
Bismarck vorgestellt, er hatte aber eine kleine Figur, war schmächtig und edel
gestaltet, mit einem durchgeistigteil Gesicht und mit einer mächtigen Denker-
stirn, und doch war er nichts weniger als ein scheuer Stubengelehrter. Schon
in seiner Jugend pflegte er körperliche.Künste, Fechten, Schießen, Reiten, Turme»,
er war ein kühner Bergsteiger, und bis ins hohe Alter bewahrte er sich die
Kraft, zehllstnndige Tagesmärsche zu macheu. Auch persönlicher Mut zeichnete
ihn aus, auf seinen zahlreichen einsamen Wanderungen durch Italien hatte er
vielfach Gelegenheit, ihn zu bewähren, wobei sich seine Klugheit heiter mit der
Tapferkeit paarte.

Eine hübsche Geschichte erzählt ihm die Berfasserin nach. „Ein andermal
kam ich spät abends in Neapel um, »ahn zwei Pactträger und wanderte von
Hotel zu Hotel, ohne irgendwo ein Zimmer frei zu finden. Die Träger
brummten schon, denn es war nach Mitternacht. Zuletzt erhielt ich in einem
Gasthof uoch ein schlechtes Logis, fünf Stock hoch; der müde Hausknecht, der
es mir gezeigt hatte, verschwand sogleich wieder, in dem ganzen Hause regte
sich nichts mehr. Ich gab den Trägern, hohen, kräftige» Burschen, mit denen
ich mich da oben ganz allein befand, einen entsprechenden Lohn, da sie so lange
mit mir hatten laufen müssen. Da schleudert der eine Kerl das aufgezählte
Geld gerade so vom Tisch und ruft, das sei zu wenig, und beide stellen sich in
drohender Haltung vor mich hin. Hätte ich nur im geringsten Furcht gezeigt,
wer weiß, was geschehen wäre; ich thue also, als ob ich furchtbar wütend
würde, rolle die Augen, beiße die Zähne auf einander und fange so an zu
zittern, daß ich den Tisch umwerfe, dann thue ich einen Satz auf die .Kerle zu.


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[0194] Li'innenmgen an F. Ti^ Bischer sehr auf den Kreis der Gelehrten, der Fachmänner, der Höhergelnldeten be¬ schränkt geblieben; Bischer setzt zu viel voraus, um auch weitern Schichten leicht zugänglich zu Seitn Als Dahingeschiedener jedoch wird er zu neuem Leben erstehen und der Nation persönlich so vertraut werden, wie nur jemals ihre größten Männer. Man sagt oft, die beste Probe für den Wert einer Philo¬ sophie biete die Betrachtung des Lebens ihres Schöpfers. Denn zunächst an sich selbst müßte ja der Denker den Wert seiner Weltanschauung erfahren habe». Wer z.B. die Lebensgeschichte Arthur Schopenhauers kennt, mit dem sich Bischer in „Auch Einer" so eindringlich auseinandersetzt, der wird wenig Bertrauen zu seiner Lebenslehre gewinnen; dies ist allerdings ein Urteil vom praktisch- endämvnistischen Standpunkte, der zwar nicht genügt, wissenschaftliche Leistungen zu beurteilen, der aber gleichwohl seine gute Berechtigung hat. Am Ende soll uns jn unser ganzes wissenschaftliches Denken lind Trachten zu einer würdigen und befriedigenden Lebensführung verhelfen. Schopenhauer ist kein solcher Führer fürs Leben, kein Mann, der jemals vorbildlich werden kann; Bischer ist es in vollem Maße. Das lehren uns die Erinnerungen von Ilse Frapan, und deswegen ist uns ihr parteiisch angegriffenes Buch lieb geworden. Ilse Frapan hatte sich Bischer i» der Ferne groß und stark wie einen Bismarck vorgestellt, er hatte aber eine kleine Figur, war schmächtig und edel gestaltet, mit einem durchgeistigteil Gesicht und mit einer mächtigen Denker- stirn, und doch war er nichts weniger als ein scheuer Stubengelehrter. Schon in seiner Jugend pflegte er körperliche.Künste, Fechten, Schießen, Reiten, Turme», er war ein kühner Bergsteiger, und bis ins hohe Alter bewahrte er sich die Kraft, zehllstnndige Tagesmärsche zu macheu. Auch persönlicher Mut zeichnete ihn aus, auf seinen zahlreichen einsamen Wanderungen durch Italien hatte er vielfach Gelegenheit, ihn zu bewähren, wobei sich seine Klugheit heiter mit der Tapferkeit paarte. Eine hübsche Geschichte erzählt ihm die Berfasserin nach. „Ein andermal kam ich spät abends in Neapel um, »ahn zwei Pactträger und wanderte von Hotel zu Hotel, ohne irgendwo ein Zimmer frei zu finden. Die Träger brummten schon, denn es war nach Mitternacht. Zuletzt erhielt ich in einem Gasthof uoch ein schlechtes Logis, fünf Stock hoch; der müde Hausknecht, der es mir gezeigt hatte, verschwand sogleich wieder, in dem ganzen Hause regte sich nichts mehr. Ich gab den Trägern, hohen, kräftige» Burschen, mit denen ich mich da oben ganz allein befand, einen entsprechenden Lohn, da sie so lange mit mir hatten laufen müssen. Da schleudert der eine Kerl das aufgezählte Geld gerade so vom Tisch und ruft, das sei zu wenig, und beide stellen sich in drohender Haltung vor mich hin. Hätte ich nur im geringsten Furcht gezeigt, wer weiß, was geschehen wäre; ich thue also, als ob ich furchtbar wütend würde, rolle die Augen, beiße die Zähne auf einander und fange so an zu zittern, daß ich den Tisch umwerfe, dann thue ich einen Satz auf die .Kerle zu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/194>, abgerufen am 30.06.2024.