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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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eine Anzahl "leichte und klare" Psalmen auswendig lerne", und an demselben
Tage soll auch das Evangelium Matthäi und "wo die Knaben gewachsen
sind," die Briefe an den Timotheus oder die erste Epistel des Johannes oder
die Sprüche Salomonis (natürlich alles in lateinischen Texte) "Ural"lag>t,ivv
expvniret werden." Nach genügender Einübung der Grammatik soll aus den
geschicktesten Schillern der dritte Hause gebildet werden. Hier wird die Musik
täglich eine Stunde mit den beiden untern Klassen fortgetrieben, die gram¬
matische Kenntnis befestigt und durch Etymologie und Syntax erweitert und
dann zur Metrik übergegangen, die nicht nur zum Bersemachen befähigt, sondern
anch ihren Wortschatz mehrt und sie beredt macht. Als Schriftsteller, die zu
erklären seien, werden Vergil, Ovid (Metamorphosen) und Cieero (I)v "t'denn"
und die I?xist.ulÄL g,ä kamilmro-z) genannt. Jede Woche ist eine schriftliche
lateinische Arbeit in Gestalt eines Briefes oder einiger Verse anzufertigen. Ist
die Grammatik gehörig eingeübt, so werden die Knaben in die Dialektik und
Rhetorik eingeführt; außerdem müssen sie aligeleitet werden, lateinisch zu
sprechen, und der Schulmeister soll uach Möglichkeit nur in dieser Sprache
mit ihnen verkehren. Ähnlich diesem Schulplane ist der von Melanchthon und
Luther gemeinsam für das Städtchen Herzberg aufgestellte vom Jahre 15>'Z8.
Von den meisten Gegenständen unsrer heutigen Lehrpläne, z. B. von Mathe¬
matik, Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften, ist weder hier noch dort
die Rede. Fremde Sprachen außer der lateinischen waren ausdrücklich, Übung
in der deutschen stillschweigend ausgeschlossen. Übrigens war die Melanch-
thonsche Schulordnung dieser Stufe keine ganz eigne Schöpfung des Refor¬
mators. Schon die meisten vorreformatorischen Lateinschulen zerfielen in drei
Klassen, und ebenso war der Lehrstoff bei ihnen sehr ähnlich dem der neuen
Schule. Dennoch unterschied sie sich wesentlich von jenen. Zunächst ist bei
ihr der .Kirchen- und Chorgesang, der viel Zeit wegnahm, bedeutend einge¬
schränkt und zu einigen Singstunden lind sonntäglicher Mitwirkung beim Gottes¬
dienste verkürzt. Dann verbannt Melanchthon nach leninistischer Überliefe¬
rung die nnttelalterliche Schulgrammatik, den Alexander de Villa Din, und
behält nur den Donat bei. Dafür schreibt er zur Förderung des Lateiulerneus
zwei typische Lehrlmcher des deutscheu Humanismus, die l'-uzclologig. des
Mosellanus und die Lolloqum des Erasmus vor. So ist seine Schulordnung
ein Kompromiß zwischen alter und neuer Methode. Dabei lehnte er aber alle
Übertreibung der Humanisten ab, die, um zu zeigen, was sie könnten, in der
Lateinschule auch Griechisch, ja Hebräisch lehren wollten, und war überhaupt
gegen alle Überbürdung.

Eine höhere Unterrichtsanstalt, die ein Bindeglied zwischen der gewöhn¬
lichen dreiklassigen Trivialschule und der Universität sein sollte, ist die "obere
Schule," die unter der Leitung Melanchthons zu Se. Ägidien in Nürnberg
neben den dortigen vier Lateinschulen gegründet wurde und die Schüler der


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eine Anzahl „leichte und klare" Psalmen auswendig lerne», und an demselben
Tage soll auch das Evangelium Matthäi und „wo die Knaben gewachsen
sind," die Briefe an den Timotheus oder die erste Epistel des Johannes oder
die Sprüche Salomonis (natürlich alles in lateinischen Texte) „Ural»lag>t,ivv
expvniret werden." Nach genügender Einübung der Grammatik soll aus den
geschicktesten Schillern der dritte Hause gebildet werden. Hier wird die Musik
täglich eine Stunde mit den beiden untern Klassen fortgetrieben, die gram¬
matische Kenntnis befestigt und durch Etymologie und Syntax erweitert und
dann zur Metrik übergegangen, die nicht nur zum Bersemachen befähigt, sondern
anch ihren Wortschatz mehrt und sie beredt macht. Als Schriftsteller, die zu
erklären seien, werden Vergil, Ovid (Metamorphosen) und Cieero (I)v »t'denn«
und die I?xist.ulÄL g,ä kamilmro-z) genannt. Jede Woche ist eine schriftliche
lateinische Arbeit in Gestalt eines Briefes oder einiger Verse anzufertigen. Ist
die Grammatik gehörig eingeübt, so werden die Knaben in die Dialektik und
Rhetorik eingeführt; außerdem müssen sie aligeleitet werden, lateinisch zu
sprechen, und der Schulmeister soll uach Möglichkeit nur in dieser Sprache
mit ihnen verkehren. Ähnlich diesem Schulplane ist der von Melanchthon und
Luther gemeinsam für das Städtchen Herzberg aufgestellte vom Jahre 15>'Z8.
Von den meisten Gegenständen unsrer heutigen Lehrpläne, z. B. von Mathe¬
matik, Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften, ist weder hier noch dort
die Rede. Fremde Sprachen außer der lateinischen waren ausdrücklich, Übung
in der deutschen stillschweigend ausgeschlossen. Übrigens war die Melanch-
thonsche Schulordnung dieser Stufe keine ganz eigne Schöpfung des Refor¬
mators. Schon die meisten vorreformatorischen Lateinschulen zerfielen in drei
Klassen, und ebenso war der Lehrstoff bei ihnen sehr ähnlich dem der neuen
Schule. Dennoch unterschied sie sich wesentlich von jenen. Zunächst ist bei
ihr der .Kirchen- und Chorgesang, der viel Zeit wegnahm, bedeutend einge¬
schränkt und zu einigen Singstunden lind sonntäglicher Mitwirkung beim Gottes¬
dienste verkürzt. Dann verbannt Melanchthon nach leninistischer Überliefe¬
rung die nnttelalterliche Schulgrammatik, den Alexander de Villa Din, und
behält nur den Donat bei. Dafür schreibt er zur Förderung des Lateiulerneus
zwei typische Lehrlmcher des deutscheu Humanismus, die l'-uzclologig. des
Mosellanus und die Lolloqum des Erasmus vor. So ist seine Schulordnung
ein Kompromiß zwischen alter und neuer Methode. Dabei lehnte er aber alle
Übertreibung der Humanisten ab, die, um zu zeigen, was sie könnten, in der
Lateinschule auch Griechisch, ja Hebräisch lehren wollten, und war überhaupt
gegen alle Überbürdung.

Eine höhere Unterrichtsanstalt, die ein Bindeglied zwischen der gewöhn¬
lichen dreiklassigen Trivialschule und der Universität sein sollte, ist die „obere
Schule," die unter der Leitung Melanchthons zu Se. Ägidien in Nürnberg
neben den dortigen vier Lateinschulen gegründet wurde und die Schüler der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/189>, abgerufen am 22.12.2024.