Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Ver I-'invccploi' <^om>!""i"v Die haben zunächst keine Städte mit Gesetzen, keine Gerichte; denn Recht hat Ver I-'invccploi' <^om>!»»i»v Die haben zunächst keine Städte mit Gesetzen, keine Gerichte; denn Recht hat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206185"/> <fw type="header" place="top"> Ver I-'invccploi' <^om>!»»i»v</fw><lb/> <p xml:id="ID_663" prev="#ID_662" next="#ID_664"> Die haben zunächst keine Städte mit Gesetzen, keine Gerichte; denn Recht hat<lb/> nur der Starke, der Gewaltthätige. Da giebt es keinen Verkehr mit den<lb/> Nachbarn, keinen Wortaustausch. Das einzige Mittel wider den Hunger ist<lb/> der Raub; es fehlen alle edlern Triebe der Menschen, die Treue der Ehe¬<lb/> gatte», die Liebe zu den Kindern und Verwandten, die Freundschaft." Und<lb/> wie der Staat die Schule nicht entbehren kann, so bedarf ihrer anch die<lb/> Kirche. Melanchthon versucht dies geschichtlich dnrzuthnn, unter anderm mit<lb/> deu alttestamentlichen Prophetenschulen. Mit dem Verfall der Schule, meint<lb/> er, tritt auch der Niedergang der Kirche ein, und insbesondre muß dann<lb/> das Licht des Evangeliums erlöschen. Es ist ein großer Irrtum, zu glauben,<lb/> mau könne Geistliche aus jedem Holze schnitzen. Sie müssen vor allein<lb/> die prophetische und apostolische Rede verstehen lernen, und dazu ist<lb/> Kenntnis der alten Sprachen, überhaupt sprachliche Bildung, Beschäftigung<lb/> mit den alten Schriftstellern und schriftliche Übung erforderlich, ferner<lb/> wegen der kirchlichen Streitigkeiten die Kunst der Dialektik, die Kunde der<lb/> Geschichte und der Altertümer und viele andre Dinge, die man nnr in der<lb/> Schule sich aneignen kann. Äußerungen derart kommen bei Melanchthon hünfig<lb/> vor, und bis gegen sein Ende hin wird er nicht müde, Nutzen und Notwendigkeit<lb/> der Schule und die Pflicht des Staates zur Errichtung und Erhaltung von<lb/> Schulen zu predigen. Dabei hatte er aber mit mancherlei Schwierigkeiten und<lb/> Gegnern zu kämpfen: zunächst mit der gemeinen Roheit, die jedem höher»<lb/> Streben unzugänglich nud abgewandt ist, sodann mit den sogenannten Prcidi-<lb/> kanten, die gegen alles uicht biblische Wissen eiferten, was er thöricht und<lb/> gotteslästerlich nennt, endlich mit der starken Not der Zeit, dem Geldmangel,<lb/> der sich bei den Fürsten einstellte. Melanchthon verschließt sich der letzt¬<lb/> erwähnten Thatsache keineswegs, ist aber trotzdem gegen das „Sparen an diesem<lb/> notwendigen Werke," „denn — sagt er — soviel die Schule belanget, müssen<lb/> wir bedenken, daß wir Alte alle um der Jugend willen leben. . . . Stadt und<lb/> Regiment werden um der Jugend willen fürnehmlich gegeben und erhalten,<lb/> und nicht um der Alten willen." Darum preist er auch Städte wie Nürnberg<lb/> und Hamburg, wo man besonders bereit zu Geldvpfern für Schulen war; denn<lb/> diese sind ihm „der höchste Schmuck für Städte und Staaten." Das ist aber<lb/> nicht fo aufzufassen, als ob die Bildung, die sie verleihen, ihm ein Gegenstand<lb/> absoluten Wertes, also Selbstzweck wäre. Vielmehr dient sie, wie er immer<lb/> wieder betont, einem höhern Ganzen, den in einander greifenden Organismen<lb/> von Staat und Kirche, und damit stehen wir, wie Hartfelder scharfblickend<lb/> hervorhebt, vor einem charakteristischen Unterschiede des reinen Humanismus,<lb/> wie er sich in Italien und England ausbildete, und dem religiösen Humanis-<lb/> mus der Deutschen im Reformatiouszeitalter. „Das Ideal ist nicht etwa wie<lb/> bei der Erziehung der freien Bürger im Altertum Schulung der Kräfte ohne<lb/> Beziehung ans einen bestimmten Beruf, Durcharbeitung der Persönlichkeit,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Ver I-'invccploi' <^om>!»»i»v
Die haben zunächst keine Städte mit Gesetzen, keine Gerichte; denn Recht hat
nur der Starke, der Gewaltthätige. Da giebt es keinen Verkehr mit den
Nachbarn, keinen Wortaustausch. Das einzige Mittel wider den Hunger ist
der Raub; es fehlen alle edlern Triebe der Menschen, die Treue der Ehe¬
gatte», die Liebe zu den Kindern und Verwandten, die Freundschaft." Und
wie der Staat die Schule nicht entbehren kann, so bedarf ihrer anch die
Kirche. Melanchthon versucht dies geschichtlich dnrzuthnn, unter anderm mit
deu alttestamentlichen Prophetenschulen. Mit dem Verfall der Schule, meint
er, tritt auch der Niedergang der Kirche ein, und insbesondre muß dann
das Licht des Evangeliums erlöschen. Es ist ein großer Irrtum, zu glauben,
mau könne Geistliche aus jedem Holze schnitzen. Sie müssen vor allein
die prophetische und apostolische Rede verstehen lernen, und dazu ist
Kenntnis der alten Sprachen, überhaupt sprachliche Bildung, Beschäftigung
mit den alten Schriftstellern und schriftliche Übung erforderlich, ferner
wegen der kirchlichen Streitigkeiten die Kunst der Dialektik, die Kunde der
Geschichte und der Altertümer und viele andre Dinge, die man nnr in der
Schule sich aneignen kann. Äußerungen derart kommen bei Melanchthon hünfig
vor, und bis gegen sein Ende hin wird er nicht müde, Nutzen und Notwendigkeit
der Schule und die Pflicht des Staates zur Errichtung und Erhaltung von
Schulen zu predigen. Dabei hatte er aber mit mancherlei Schwierigkeiten und
Gegnern zu kämpfen: zunächst mit der gemeinen Roheit, die jedem höher»
Streben unzugänglich nud abgewandt ist, sodann mit den sogenannten Prcidi-
kanten, die gegen alles uicht biblische Wissen eiferten, was er thöricht und
gotteslästerlich nennt, endlich mit der starken Not der Zeit, dem Geldmangel,
der sich bei den Fürsten einstellte. Melanchthon verschließt sich der letzt¬
erwähnten Thatsache keineswegs, ist aber trotzdem gegen das „Sparen an diesem
notwendigen Werke," „denn — sagt er — soviel die Schule belanget, müssen
wir bedenken, daß wir Alte alle um der Jugend willen leben. . . . Stadt und
Regiment werden um der Jugend willen fürnehmlich gegeben und erhalten,
und nicht um der Alten willen." Darum preist er auch Städte wie Nürnberg
und Hamburg, wo man besonders bereit zu Geldvpfern für Schulen war; denn
diese sind ihm „der höchste Schmuck für Städte und Staaten." Das ist aber
nicht fo aufzufassen, als ob die Bildung, die sie verleihen, ihm ein Gegenstand
absoluten Wertes, also Selbstzweck wäre. Vielmehr dient sie, wie er immer
wieder betont, einem höhern Ganzen, den in einander greifenden Organismen
von Staat und Kirche, und damit stehen wir, wie Hartfelder scharfblickend
hervorhebt, vor einem charakteristischen Unterschiede des reinen Humanismus,
wie er sich in Italien und England ausbildete, und dem religiösen Humanis-
mus der Deutschen im Reformatiouszeitalter. „Das Ideal ist nicht etwa wie
bei der Erziehung der freien Bürger im Altertum Schulung der Kräfte ohne
Beziehung ans einen bestimmten Beruf, Durcharbeitung der Persönlichkeit,
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