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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der NiillZLLpwi' (.!Lia^n!ne

Betrachtung. Der nächste Abschnitt gelangt mit der Darlegung der Ansichten
Melanchthons über das Wesen der einzelnen Wissenschaften zum eigentlichen
Thema des vortrefflichen Werkes, das nun zunächst Melanchthons Leistungen
als Gelehrten würdigt, ihn dann als Stilisten und Dichter zeichnet und darauf
seine pädagogischen Grundbegriffe aufzuzeigen unternimmt. Daran knüpft der
Verfasser ein Kapitel über die Art und Weise, wie er Schule und Lehrerberuf
auffaßte, und hiermit ist der Übergang zu einem Abschnitt gegeben, der sich
darüber verbreitet, wie er sich den Organismus des Schulwesens dachte. Ein
weiteres Kapitel berichtet, wie er diese Gedanken durch Gründung zahlreicher
Unterrichtsanstalten und Umgestaltung schon bestehender verwirklichte. In
einer Schlnßbetrachtnng endlich behandelt das Buch die letzten Jahre Melanch¬
thons, worauf eine Anzahl von Beilagen, uuter andern ein Verzeichnis der
Borlesungen, die er in Tübingen und Wittenberg gehalten hat, eine chrono¬
logische Übersicht über seine Arbeiten, so vollständig, als sie sich herstellen
ließ, und eine Aufzählung der Schriften über ihn folgen. Im folgenden geben
wir das wesentlichste aus den Abschnitten, die vorzugsweise unter unsre Über¬
schrift fallen.

Die Hochschulen wie die Dom- und Klosterschulen des Mittelalters waren
Schöpfungen der katholischen Kirche. Erst spät kam es in dieser Periode zur
Gründung städtischer Unterrichtsanstalten, und die kirchlichen befanden sich bei
Anbruch der neuen Zeit größtenteils in tiefem Verfall. Die Kirche konnte
oder wollte, da sie in gleicher Lage war, nicht abhelfen, und so blieb nichts
übrig, als sich deswegen an die weltlichen Obrigkeiten zu wenden. Das ist
der gemeinsame Standpunkt der deutschen Reformatoren. Melnnchthvn äußert
sich in dieser Beziehung: "Wer Schulen gründet und die Wissenschaften pflegt,
macht sich um sein Volk und die ganze Nachwelt verdienter, als wenn er neue
Gold- und Silberadern so reich wie die in Lydien entdeckte, aus deuen sich
die Schätze des Krösus mehrten. Diese Pflicht hat Gott vornehmlich den
Fürsten auferlegt; denn sie sind die Wächter der menschlichen Gesellschaft....
Für den Viehhirten genügt es, wenn er seine Tiere mit Futter versorgt. Wer
aber über Menschen gebietet, der muß nicht bloß für deren Leiber Sorge tragen,
sondern auch an Gesetz und Zucht deuten." "Der Regent - - sagt er in einer
Rede von 154,^ -- hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die hohen Schulen
Lehrer haben, ausgezeichnet durch Talent, Gelehrsamkeit, Tugend und Weisheit,
nicht nur im Besitz einer nützlichen Lehrweise, sondern auch getren in der
Pflichterfüllung. Solchen Lehrern müssen die Fürsten in ihrem Streben Bei¬
stand leisten und sie auch anständig bezahlen." "Die Schulen sind," sagte er
anderwärts, "notwendig zur Fortpflanzung und Pflege der Wissenschaften, ohne
die wir in ein Cyklopenlebeu versinken würden, und ohne die sich kein Staat
regieren und erhalten läßt. . . . Wer das nicht glaubt, der betrachte doch einmal
die Zustünde bei den Stämmen, die ohne Kultur leben, z. B. bei den Skythen.


Gttuzbvten IV 1339 23
Der NiillZLLpwi' (.!Lia^n!ne

Betrachtung. Der nächste Abschnitt gelangt mit der Darlegung der Ansichten
Melanchthons über das Wesen der einzelnen Wissenschaften zum eigentlichen
Thema des vortrefflichen Werkes, das nun zunächst Melanchthons Leistungen
als Gelehrten würdigt, ihn dann als Stilisten und Dichter zeichnet und darauf
seine pädagogischen Grundbegriffe aufzuzeigen unternimmt. Daran knüpft der
Verfasser ein Kapitel über die Art und Weise, wie er Schule und Lehrerberuf
auffaßte, und hiermit ist der Übergang zu einem Abschnitt gegeben, der sich
darüber verbreitet, wie er sich den Organismus des Schulwesens dachte. Ein
weiteres Kapitel berichtet, wie er diese Gedanken durch Gründung zahlreicher
Unterrichtsanstalten und Umgestaltung schon bestehender verwirklichte. In
einer Schlnßbetrachtnng endlich behandelt das Buch die letzten Jahre Melanch¬
thons, worauf eine Anzahl von Beilagen, uuter andern ein Verzeichnis der
Borlesungen, die er in Tübingen und Wittenberg gehalten hat, eine chrono¬
logische Übersicht über seine Arbeiten, so vollständig, als sie sich herstellen
ließ, und eine Aufzählung der Schriften über ihn folgen. Im folgenden geben
wir das wesentlichste aus den Abschnitten, die vorzugsweise unter unsre Über¬
schrift fallen.

Die Hochschulen wie die Dom- und Klosterschulen des Mittelalters waren
Schöpfungen der katholischen Kirche. Erst spät kam es in dieser Periode zur
Gründung städtischer Unterrichtsanstalten, und die kirchlichen befanden sich bei
Anbruch der neuen Zeit größtenteils in tiefem Verfall. Die Kirche konnte
oder wollte, da sie in gleicher Lage war, nicht abhelfen, und so blieb nichts
übrig, als sich deswegen an die weltlichen Obrigkeiten zu wenden. Das ist
der gemeinsame Standpunkt der deutschen Reformatoren. Melnnchthvn äußert
sich in dieser Beziehung: „Wer Schulen gründet und die Wissenschaften pflegt,
macht sich um sein Volk und die ganze Nachwelt verdienter, als wenn er neue
Gold- und Silberadern so reich wie die in Lydien entdeckte, aus deuen sich
die Schätze des Krösus mehrten. Diese Pflicht hat Gott vornehmlich den
Fürsten auferlegt; denn sie sind die Wächter der menschlichen Gesellschaft....
Für den Viehhirten genügt es, wenn er seine Tiere mit Futter versorgt. Wer
aber über Menschen gebietet, der muß nicht bloß für deren Leiber Sorge tragen,
sondern auch an Gesetz und Zucht deuten." „Der Regent - - sagt er in einer
Rede von 154,^ — hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die hohen Schulen
Lehrer haben, ausgezeichnet durch Talent, Gelehrsamkeit, Tugend und Weisheit,
nicht nur im Besitz einer nützlichen Lehrweise, sondern auch getren in der
Pflichterfüllung. Solchen Lehrern müssen die Fürsten in ihrem Streben Bei¬
stand leisten und sie auch anständig bezahlen." „Die Schulen sind," sagte er
anderwärts, „notwendig zur Fortpflanzung und Pflege der Wissenschaften, ohne
die wir in ein Cyklopenlebeu versinken würden, und ohne die sich kein Staat
regieren und erhalten läßt. . . . Wer das nicht glaubt, der betrachte doch einmal
die Zustünde bei den Stämmen, die ohne Kultur leben, z. B. bei den Skythen.


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[0185] Der NiillZLLpwi' (.!Lia^n!ne Betrachtung. Der nächste Abschnitt gelangt mit der Darlegung der Ansichten Melanchthons über das Wesen der einzelnen Wissenschaften zum eigentlichen Thema des vortrefflichen Werkes, das nun zunächst Melanchthons Leistungen als Gelehrten würdigt, ihn dann als Stilisten und Dichter zeichnet und darauf seine pädagogischen Grundbegriffe aufzuzeigen unternimmt. Daran knüpft der Verfasser ein Kapitel über die Art und Weise, wie er Schule und Lehrerberuf auffaßte, und hiermit ist der Übergang zu einem Abschnitt gegeben, der sich darüber verbreitet, wie er sich den Organismus des Schulwesens dachte. Ein weiteres Kapitel berichtet, wie er diese Gedanken durch Gründung zahlreicher Unterrichtsanstalten und Umgestaltung schon bestehender verwirklichte. In einer Schlnßbetrachtnng endlich behandelt das Buch die letzten Jahre Melanch¬ thons, worauf eine Anzahl von Beilagen, uuter andern ein Verzeichnis der Borlesungen, die er in Tübingen und Wittenberg gehalten hat, eine chrono¬ logische Übersicht über seine Arbeiten, so vollständig, als sie sich herstellen ließ, und eine Aufzählung der Schriften über ihn folgen. Im folgenden geben wir das wesentlichste aus den Abschnitten, die vorzugsweise unter unsre Über¬ schrift fallen. Die Hochschulen wie die Dom- und Klosterschulen des Mittelalters waren Schöpfungen der katholischen Kirche. Erst spät kam es in dieser Periode zur Gründung städtischer Unterrichtsanstalten, und die kirchlichen befanden sich bei Anbruch der neuen Zeit größtenteils in tiefem Verfall. Die Kirche konnte oder wollte, da sie in gleicher Lage war, nicht abhelfen, und so blieb nichts übrig, als sich deswegen an die weltlichen Obrigkeiten zu wenden. Das ist der gemeinsame Standpunkt der deutschen Reformatoren. Melnnchthvn äußert sich in dieser Beziehung: „Wer Schulen gründet und die Wissenschaften pflegt, macht sich um sein Volk und die ganze Nachwelt verdienter, als wenn er neue Gold- und Silberadern so reich wie die in Lydien entdeckte, aus deuen sich die Schätze des Krösus mehrten. Diese Pflicht hat Gott vornehmlich den Fürsten auferlegt; denn sie sind die Wächter der menschlichen Gesellschaft.... Für den Viehhirten genügt es, wenn er seine Tiere mit Futter versorgt. Wer aber über Menschen gebietet, der muß nicht bloß für deren Leiber Sorge tragen, sondern auch an Gesetz und Zucht deuten." „Der Regent - - sagt er in einer Rede von 154,^ — hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die hohen Schulen Lehrer haben, ausgezeichnet durch Talent, Gelehrsamkeit, Tugend und Weisheit, nicht nur im Besitz einer nützlichen Lehrweise, sondern auch getren in der Pflichterfüllung. Solchen Lehrern müssen die Fürsten in ihrem Streben Bei¬ stand leisten und sie auch anständig bezahlen." „Die Schulen sind," sagte er anderwärts, „notwendig zur Fortpflanzung und Pflege der Wissenschaften, ohne die wir in ein Cyklopenlebeu versinken würden, und ohne die sich kein Staat regieren und erhalten läßt. . . . Wer das nicht glaubt, der betrachte doch einmal die Zustünde bei den Stämmen, die ohne Kultur leben, z. B. bei den Skythen. Gttuzbvten IV 1339 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/185>, abgerufen am 22.12.2024.