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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die französische Emigration mit die öffentliche Meinung in Deutschland

gefunden hatte --, ferner der Vischvf von Straßburg -- deutscher Reichsfürst,
zugleich aber französischer Großer und als solcher persönlich der Emigration
angehörig, wie er ja daheim anch nicht mehr als Bischof galt -- thaten sich
hervor durch Hegung von Emigranten in Örtlichkeiten, über die sie verfügten;
vor allen zog aber doch der sächsische Prinz Clemens Wenzeslans, der auf
dein Knrstnhl von Trier saß und in Koblenz residirte, die Aufmerksamkeit auf
sich. Die verschwenderische Gastlichkeit und die grenzenlose Nachsicht, deren
hier die fremden Prinzen und Edelleute genossen, war an und für sich ein
Ärgernis für Tausende vou bedürftigen, gedrückten und beengten deutschen Unter¬
thanen. Die Beschwerden der Landstände über die Gefahren, die man ans
dem angrenzenden Frankreich auf sich ziehe, gingen allmählich in ihrem Aus¬
drucke ganz aus dem Tone gewohnter Unterthänigkeit heraus und verrieten
selbst etwas von dem Wehen jenes Geistes, der die Emigranten ans ihrer
Heimat Heransgetrieben hatte. Dazu nnn jene üppige Zuchtlosigkeit, in der
sichs diese Fremdlinge zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, ans deutschem
Boden eine Rechtfertigung der französischen Erhebung, die eine solche Klasse
von Meuscheu von sich gestoßen hatte, zum besten zu geben, jener schnöde
Undank, womit sie alles ihnen erwiesene vergalten, jener empörende llbermnt, den
sie um den Bürgern und Bauern in ihren Zufluchtstätten und gelegentlich selbst
an ihrem fürstlichen Gönner anstießen. Natürlich waren es die anstößigsten,
verwerflichsten Elemente unter den Ausgewanderten, die am grellsten in die
Sinne fielen, und die daher für die Deutschen dem Bilde der Emigration über-
haupt seinen Charakter gaben.

Koblenz, das dortige Treiben der Emigranten, die moralische und Physische
Bersenchnng, die sie um sich her verbreiteten, war in aller Munde. Der
Anblick wirkte wohl wie eine Beize, von der die Augen des deutschen Bürgers¬
mannes übergingen und die Empfindlichkeit für manches, was die französischen
Revolutionärs im Kampfe gegen solche Feinde verübten, einbüßten. Dem
milden, eines schroffen Ausdrucks fast ""fähigen Wieland ist die überfließende
Galle anzuspüren, wenn er ans den Gegellstand zu reden kommt. "Man hat
Mühe -- lautet eine seiner Äußerungen die Betrachtungen, die sich beim An¬
blick alles Unfugs, der diesem Leuten auf deutschem Grund und Boden gestattet
wird, aufdrängen, mit zusammengebissenen Zähnen zum Schweigen zu bringen.
Will man etwa auch diesseits des Rheines das ebenso unnötige als gefährliche
Experiment machen, wieviel die deutsche Geduld aushalten kann, bis sie reißt?"

Aber mit der Erinnerung an diese oft geschilderten Ärgernisse ist keineswegs
alles erschöpft; noch viel Umfasseuderes und Folgenreicheres kam hier in Frage.,
So zurückhaltend sich Kaiser Leopold II. den französischen Prinzen und Edel
lenken gegenüber verhielt, so schwer konnte er doch verhüten, daß die vor-
nehmsten unter ihnen -- zum Teil schon verwandtschaftlich ihm ganz nahe
stehend -- sich an ihn lind den preußischen König hinandrängten und alles


Grenzboten IV 1889 S2
Die französische Emigration mit die öffentliche Meinung in Deutschland

gefunden hatte —, ferner der Vischvf von Straßburg — deutscher Reichsfürst,
zugleich aber französischer Großer und als solcher persönlich der Emigration
angehörig, wie er ja daheim anch nicht mehr als Bischof galt — thaten sich
hervor durch Hegung von Emigranten in Örtlichkeiten, über die sie verfügten;
vor allen zog aber doch der sächsische Prinz Clemens Wenzeslans, der auf
dein Knrstnhl von Trier saß und in Koblenz residirte, die Aufmerksamkeit auf
sich. Die verschwenderische Gastlichkeit und die grenzenlose Nachsicht, deren
hier die fremden Prinzen und Edelleute genossen, war an und für sich ein
Ärgernis für Tausende vou bedürftigen, gedrückten und beengten deutschen Unter¬
thanen. Die Beschwerden der Landstände über die Gefahren, die man ans
dem angrenzenden Frankreich auf sich ziehe, gingen allmählich in ihrem Aus¬
drucke ganz aus dem Tone gewohnter Unterthänigkeit heraus und verrieten
selbst etwas von dem Wehen jenes Geistes, der die Emigranten ans ihrer
Heimat Heransgetrieben hatte. Dazu nnn jene üppige Zuchtlosigkeit, in der
sichs diese Fremdlinge zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, ans deutschem
Boden eine Rechtfertigung der französischen Erhebung, die eine solche Klasse
von Meuscheu von sich gestoßen hatte, zum besten zu geben, jener schnöde
Undank, womit sie alles ihnen erwiesene vergalten, jener empörende llbermnt, den
sie um den Bürgern und Bauern in ihren Zufluchtstätten und gelegentlich selbst
an ihrem fürstlichen Gönner anstießen. Natürlich waren es die anstößigsten,
verwerflichsten Elemente unter den Ausgewanderten, die am grellsten in die
Sinne fielen, und die daher für die Deutschen dem Bilde der Emigration über-
haupt seinen Charakter gaben.

Koblenz, das dortige Treiben der Emigranten, die moralische und Physische
Bersenchnng, die sie um sich her verbreiteten, war in aller Munde. Der
Anblick wirkte wohl wie eine Beize, von der die Augen des deutschen Bürgers¬
mannes übergingen und die Empfindlichkeit für manches, was die französischen
Revolutionärs im Kampfe gegen solche Feinde verübten, einbüßten. Dem
milden, eines schroffen Ausdrucks fast »»fähigen Wieland ist die überfließende
Galle anzuspüren, wenn er ans den Gegellstand zu reden kommt. „Man hat
Mühe — lautet eine seiner Äußerungen die Betrachtungen, die sich beim An¬
blick alles Unfugs, der diesem Leuten auf deutschem Grund und Boden gestattet
wird, aufdrängen, mit zusammengebissenen Zähnen zum Schweigen zu bringen.
Will man etwa auch diesseits des Rheines das ebenso unnötige als gefährliche
Experiment machen, wieviel die deutsche Geduld aushalten kann, bis sie reißt?"

Aber mit der Erinnerung an diese oft geschilderten Ärgernisse ist keineswegs
alles erschöpft; noch viel Umfasseuderes und Folgenreicheres kam hier in Frage.,
So zurückhaltend sich Kaiser Leopold II. den französischen Prinzen und Edel
lenken gegenüber verhielt, so schwer konnte er doch verhüten, daß die vor-
nehmsten unter ihnen — zum Teil schon verwandtschaftlich ihm ganz nahe
stehend — sich an ihn lind den preußischen König hinandrängten und alles


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[0177] Die französische Emigration mit die öffentliche Meinung in Deutschland gefunden hatte —, ferner der Vischvf von Straßburg — deutscher Reichsfürst, zugleich aber französischer Großer und als solcher persönlich der Emigration angehörig, wie er ja daheim anch nicht mehr als Bischof galt — thaten sich hervor durch Hegung von Emigranten in Örtlichkeiten, über die sie verfügten; vor allen zog aber doch der sächsische Prinz Clemens Wenzeslans, der auf dein Knrstnhl von Trier saß und in Koblenz residirte, die Aufmerksamkeit auf sich. Die verschwenderische Gastlichkeit und die grenzenlose Nachsicht, deren hier die fremden Prinzen und Edelleute genossen, war an und für sich ein Ärgernis für Tausende vou bedürftigen, gedrückten und beengten deutschen Unter¬ thanen. Die Beschwerden der Landstände über die Gefahren, die man ans dem angrenzenden Frankreich auf sich ziehe, gingen allmählich in ihrem Aus¬ drucke ganz aus dem Tone gewohnter Unterthänigkeit heraus und verrieten selbst etwas von dem Wehen jenes Geistes, der die Emigranten ans ihrer Heimat Heransgetrieben hatte. Dazu nnn jene üppige Zuchtlosigkeit, in der sichs diese Fremdlinge zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, ans deutschem Boden eine Rechtfertigung der französischen Erhebung, die eine solche Klasse von Meuscheu von sich gestoßen hatte, zum besten zu geben, jener schnöde Undank, womit sie alles ihnen erwiesene vergalten, jener empörende llbermnt, den sie um den Bürgern und Bauern in ihren Zufluchtstätten und gelegentlich selbst an ihrem fürstlichen Gönner anstießen. Natürlich waren es die anstößigsten, verwerflichsten Elemente unter den Ausgewanderten, die am grellsten in die Sinne fielen, und die daher für die Deutschen dem Bilde der Emigration über- haupt seinen Charakter gaben. Koblenz, das dortige Treiben der Emigranten, die moralische und Physische Bersenchnng, die sie um sich her verbreiteten, war in aller Munde. Der Anblick wirkte wohl wie eine Beize, von der die Augen des deutschen Bürgers¬ mannes übergingen und die Empfindlichkeit für manches, was die französischen Revolutionärs im Kampfe gegen solche Feinde verübten, einbüßten. Dem milden, eines schroffen Ausdrucks fast »»fähigen Wieland ist die überfließende Galle anzuspüren, wenn er ans den Gegellstand zu reden kommt. „Man hat Mühe — lautet eine seiner Äußerungen die Betrachtungen, die sich beim An¬ blick alles Unfugs, der diesem Leuten auf deutschem Grund und Boden gestattet wird, aufdrängen, mit zusammengebissenen Zähnen zum Schweigen zu bringen. Will man etwa auch diesseits des Rheines das ebenso unnötige als gefährliche Experiment machen, wieviel die deutsche Geduld aushalten kann, bis sie reißt?" Aber mit der Erinnerung an diese oft geschilderten Ärgernisse ist keineswegs alles erschöpft; noch viel Umfasseuderes und Folgenreicheres kam hier in Frage., So zurückhaltend sich Kaiser Leopold II. den französischen Prinzen und Edel lenken gegenüber verhielt, so schwer konnte er doch verhüten, daß die vor- nehmsten unter ihnen — zum Teil schon verwandtschaftlich ihm ganz nahe stehend — sich an ihn lind den preußischen König hinandrängten und alles Grenzboten IV 1889 S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/177>, abgerufen am 22.12.2024.