Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Die strafrechtliche Haftung des verantmortlicheir Redakteurs kennen, daß der Staat nicht, wie gegenüber allen, so auch gegenüber den Die strafrechtliche Haftung des verantmortlicheir Redakteurs kennen, daß der Staat nicht, wie gegenüber allen, so auch gegenüber den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206171"/> <fw type="header" place="top"> Die strafrechtliche Haftung des verantmortlicheir Redakteurs</fw><lb/> <p xml:id="ID_633" prev="#ID_632" next="#ID_634"> kennen, daß der Staat nicht, wie gegenüber allen, so auch gegenüber den<lb/> durch die Presse verübten Gesetzesübertretungen vorbeugende Maßregelt: zu<lb/> ergreifen berechtigt sei. Robert von Mohl, der gewiß über den Verdacht<lb/> reaktionärer Gesinnungen erhaben ist, der in seinem bedeutenden Buch über<lb/> die Polizeiwissenschaft die Presse sogar als eine notwendige Kontrole für die<lb/> Handlungen der Staatsbeamten erklärt, sagt doch an einer andern Stelle des<lb/> genannten Werkes: „Besonders sind die Zeitungen zu beachten. Eine Zeitung<lb/> wird schnell geschrieben, überall und zu gleicher Zeit von Gebildeten und Un¬<lb/> gebildeten gelesen, die Kürze der Artikel reizt und erleichtert das Verständnis;<lb/> derselbe Gedanke oder Entschluß kann durch sie bei Tausenden an einem Tage<lb/> erweckt werden, und die Wirkung ist um so sicherer, je mehr die meisten nur<lb/> Zeitungen von der eignen staatlichen Partei lesen, somit Widerlegungen, ent¬<lb/> gegengesetzte Thatsachen und Schlußfolgerungen andrer Tageblätter wenig oder<lb/> gar nicht in Erfahrung bringet?. Außerdem hat eine Zeitung die nicht hoch<lb/> genug anzuschlagende Gelegenheit, täglich dieselben Gedanken und Thatsachen<lb/> bald unter dieser, bald unter einer andern Form und Anwendung zu wieder¬<lb/> holen und diese somit, wenn sie anfänglich auch vielleicht nur geringen Anklang<lb/> fanden, zur Gewohnheit und dadurch endlich zur Überzeugung zu machen. Je<lb/> weniger verständig und gebildet der Leser ist, desto großer ist der Einfluß der<lb/> Zeitungen auf ihn, und da diese Klasse von Lesern überall die zahlreichere ist,<lb/> so sind die Tageblätter allerdings eine bedeutende Macht." Nachdem er dann<lb/> gezeigt hat, wie nützlich die Zeitungen wirken können, und „daß in einem<lb/> Staate, der die Bürger zur Teilnahme an den allgemeinen Geschäften mittelbar<lb/> oder unmittelbar braucht, eine unmittelbare Unterrichtung derselben über den<lb/> Stand der Dinge, über die gemachten Erfahrungen, über die noch unerfüllten<lb/> Wünsche, über das persönliche Verhalten der mit der Besorgung der staatlichen<lb/> Aufgaben betrauten unabweisbares Bedürfnis" sei, fährt er fort: „Es ist aber<lb/> ebenfalls wahr, daß Zeitungen das sittliche Gefühl ihrer Leser, die staatlichen<lb/> Absichten und Wünsche derselben, die Urteile über einzelne Personen und That¬<lb/> sachen durchaus verderben und Verkehren können, und in vielen Füllen auch<lb/> thatsächlich wirklich verkehren und verderben. Es ist sogar durch vielfachste<lb/> Erfahrung nachgewiesen, daß Zeitungen eigens zu solchen Zwecken gegründet<lb/> und in diesem Sinne geleitet werden, indem sie auf Beseitigung (nicht Ver¬<lb/> besserung) des gesetzlich bestehenden Zustandes hinarbeiten und zu dem Ende<lb/> kein Mittel unbenutzt lassen, um die Trüger der verfassungsmäßigen Gewalt<lb/> als Feinde des Rechts und des Wohles der Bürger, die Handlungen der¬<lb/> selben als ungesetzlich oder unverständig, die thatsächlichen Verhältnisse als<lb/> unerträglich und unheilbar schlecht darzustellen. Unleugbar ist somit, daß durch<lb/> Zeitungen sowohl die Einzelnen als die Staaten bedeutend gefährdet werden<lb/> können, und es ist einleuchtend, daß die Tageblätter ein Bestandteil des täg¬<lb/> lichen Lebens geworden sind, welcher, den ältern Zeiten ganz unbekannt, das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
Die strafrechtliche Haftung des verantmortlicheir Redakteurs
kennen, daß der Staat nicht, wie gegenüber allen, so auch gegenüber den
durch die Presse verübten Gesetzesübertretungen vorbeugende Maßregelt: zu
ergreifen berechtigt sei. Robert von Mohl, der gewiß über den Verdacht
reaktionärer Gesinnungen erhaben ist, der in seinem bedeutenden Buch über
die Polizeiwissenschaft die Presse sogar als eine notwendige Kontrole für die
Handlungen der Staatsbeamten erklärt, sagt doch an einer andern Stelle des
genannten Werkes: „Besonders sind die Zeitungen zu beachten. Eine Zeitung
wird schnell geschrieben, überall und zu gleicher Zeit von Gebildeten und Un¬
gebildeten gelesen, die Kürze der Artikel reizt und erleichtert das Verständnis;
derselbe Gedanke oder Entschluß kann durch sie bei Tausenden an einem Tage
erweckt werden, und die Wirkung ist um so sicherer, je mehr die meisten nur
Zeitungen von der eignen staatlichen Partei lesen, somit Widerlegungen, ent¬
gegengesetzte Thatsachen und Schlußfolgerungen andrer Tageblätter wenig oder
gar nicht in Erfahrung bringet?. Außerdem hat eine Zeitung die nicht hoch
genug anzuschlagende Gelegenheit, täglich dieselben Gedanken und Thatsachen
bald unter dieser, bald unter einer andern Form und Anwendung zu wieder¬
holen und diese somit, wenn sie anfänglich auch vielleicht nur geringen Anklang
fanden, zur Gewohnheit und dadurch endlich zur Überzeugung zu machen. Je
weniger verständig und gebildet der Leser ist, desto großer ist der Einfluß der
Zeitungen auf ihn, und da diese Klasse von Lesern überall die zahlreichere ist,
so sind die Tageblätter allerdings eine bedeutende Macht." Nachdem er dann
gezeigt hat, wie nützlich die Zeitungen wirken können, und „daß in einem
Staate, der die Bürger zur Teilnahme an den allgemeinen Geschäften mittelbar
oder unmittelbar braucht, eine unmittelbare Unterrichtung derselben über den
Stand der Dinge, über die gemachten Erfahrungen, über die noch unerfüllten
Wünsche, über das persönliche Verhalten der mit der Besorgung der staatlichen
Aufgaben betrauten unabweisbares Bedürfnis" sei, fährt er fort: „Es ist aber
ebenfalls wahr, daß Zeitungen das sittliche Gefühl ihrer Leser, die staatlichen
Absichten und Wünsche derselben, die Urteile über einzelne Personen und That¬
sachen durchaus verderben und Verkehren können, und in vielen Füllen auch
thatsächlich wirklich verkehren und verderben. Es ist sogar durch vielfachste
Erfahrung nachgewiesen, daß Zeitungen eigens zu solchen Zwecken gegründet
und in diesem Sinne geleitet werden, indem sie auf Beseitigung (nicht Ver¬
besserung) des gesetzlich bestehenden Zustandes hinarbeiten und zu dem Ende
kein Mittel unbenutzt lassen, um die Trüger der verfassungsmäßigen Gewalt
als Feinde des Rechts und des Wohles der Bürger, die Handlungen der¬
selben als ungesetzlich oder unverständig, die thatsächlichen Verhältnisse als
unerträglich und unheilbar schlecht darzustellen. Unleugbar ist somit, daß durch
Zeitungen sowohl die Einzelnen als die Staaten bedeutend gefährdet werden
können, und es ist einleuchtend, daß die Tageblätter ein Bestandteil des täg¬
lichen Lebens geworden sind, welcher, den ältern Zeiten ganz unbekannt, das
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |