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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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1844, sowie in allen nach 1848 erlassenen Preßgesetzen. Dieser Verantwort¬
liche Redakteur mußte nach einigen Gesetzgebungen im voraus der Behörde
angezeigt und sollte auf dem Blatte genannt werden, nach andern Gesetzgebungen
haftete aber nur der thatsächliche Redakteur, ohne daß er der Behörde angezeigt
zu werden brauchte. Allmählich brach sich jedoch immer mehr der Gedanke Bahn,
daß das letztere das richtige sei; das königlich sächsische Preßgesetz von 1870 ließ
daher die Verpflichtung zur vorgängigen Anzeige des verantwortlichen Redakteurs
bei der Behörde gänzlich fallen, und dies ist auch in das Reichspreßgesetz über-
gegangen, sodaß nach dessen Bestimmungen nur der als verantwortlicher Redakteur
einer periodischen Druckschrift anzusehen ist, dessen Name mit seinem Wissen
und Willen auf dem betreffenden Stück der Schrift genannt ist.

Die Haftpflicht des Verantwortlicher Nednktenrs besteht in folgendem. Er
hat dafür zu sorgen, daß in dem von ihm vertretenen Blatte nicht das Recht, seine
Gedanken mitzuteilen, mißbraucht werde, daß nicht der Gebrauch der Preßfreiheit
in einen Mißbrauch derselben ausarte. Nur hierfür haftet er auf Grund des Pre߬
gesetzes, nicht auch dafür, daß möglicherweise durch deu Inhalt seiner Zeitung
auch andre Gesetzesübertretungen, z. B. die Verletzung des Dienstgeheimnisses,
begangen werden; die Haftbarkeit des Redakteurs auch für solche Gesetzesüber¬
tretungen würde sich nach deu allgemeinen Strafgesetzen richten. Der Redakteur
erscheint nach gesetzlicher Annahme als Thäter bezüglich der in seinein Blatte
verübten Preßvergehen, anch wenn er sie nicht selbst herbeigeführt hat, denn
es ist seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß solche Vergehen nicht vorkommen.
Man hat nun diese Haftbarkeit des verantwortlichen Redakteurs verschieden zu
regeln gesucht. Die französische Einrichtung läßt den "in-me rMpoliLablö für
deu Inhalt des von ihm vertretenen Blattes unter allen Umständen haften.
Mag er durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert worden sein, das Blatt
vor dein Erscheinen zu lesen, mag er vou dem Inhalt des Blattes ans irgend
einem sonstigen Grunde keine Kenntnis gehabt haben, oder mag er als bloßer
Strohmann vorgeschoben worden sein und ihm jede Fähigkeit, deu strafbaren
Charakter des betreffende" Artikels zu erkennen, abgehen -- er haftet doch als
eine Art Sündenbock (bono e,miWu.ir"z). Diese Einrichtung hat den Zweck, der
Verülmng vou Preßvergehen vorzubeugen. Es giebt aber auch eine andre
Einrichtung, die im Gegensatz hierzu nnr Sicherung der Bestrafung begangener
Preßvergehen bezweckt. Schon die alten deutschen Reichsgesetze hatten, wie
wir sahen, bestimmt, daß neben dem Drucker und dein Herausgeber auch der
Verfasser der Schrift zu seiner Bestrafung ermittelt werden sollte. Deshalb
sollten "nicht allein der Verkäufer oder Feilhaber, sondern anch der Käufer
und andre, bei denen solche Bücher u. s. w. befunden, gefänglich angenommen,
gütlich oder, wo es die Notdurft erfordert, peinlich, wo ihm solche Bücher
herkommen, gefragt und dem alsvlang nachgefragt und nachgegangen (werden),
bis der rechte Autor befunden, der alsdann samt denjenigen, so es also um-


1844, sowie in allen nach 1848 erlassenen Preßgesetzen. Dieser Verantwort¬
liche Redakteur mußte nach einigen Gesetzgebungen im voraus der Behörde
angezeigt und sollte auf dem Blatte genannt werden, nach andern Gesetzgebungen
haftete aber nur der thatsächliche Redakteur, ohne daß er der Behörde angezeigt
zu werden brauchte. Allmählich brach sich jedoch immer mehr der Gedanke Bahn,
daß das letztere das richtige sei; das königlich sächsische Preßgesetz von 1870 ließ
daher die Verpflichtung zur vorgängigen Anzeige des verantwortlichen Redakteurs
bei der Behörde gänzlich fallen, und dies ist auch in das Reichspreßgesetz über-
gegangen, sodaß nach dessen Bestimmungen nur der als verantwortlicher Redakteur
einer periodischen Druckschrift anzusehen ist, dessen Name mit seinem Wissen
und Willen auf dem betreffenden Stück der Schrift genannt ist.

Die Haftpflicht des Verantwortlicher Nednktenrs besteht in folgendem. Er
hat dafür zu sorgen, daß in dem von ihm vertretenen Blatte nicht das Recht, seine
Gedanken mitzuteilen, mißbraucht werde, daß nicht der Gebrauch der Preßfreiheit
in einen Mißbrauch derselben ausarte. Nur hierfür haftet er auf Grund des Pre߬
gesetzes, nicht auch dafür, daß möglicherweise durch deu Inhalt seiner Zeitung
auch andre Gesetzesübertretungen, z. B. die Verletzung des Dienstgeheimnisses,
begangen werden; die Haftbarkeit des Redakteurs auch für solche Gesetzesüber¬
tretungen würde sich nach deu allgemeinen Strafgesetzen richten. Der Redakteur
erscheint nach gesetzlicher Annahme als Thäter bezüglich der in seinein Blatte
verübten Preßvergehen, anch wenn er sie nicht selbst herbeigeführt hat, denn
es ist seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß solche Vergehen nicht vorkommen.
Man hat nun diese Haftbarkeit des verantwortlichen Redakteurs verschieden zu
regeln gesucht. Die französische Einrichtung läßt den «in-me rMpoliLablö für
deu Inhalt des von ihm vertretenen Blattes unter allen Umständen haften.
Mag er durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert worden sein, das Blatt
vor dein Erscheinen zu lesen, mag er vou dem Inhalt des Blattes ans irgend
einem sonstigen Grunde keine Kenntnis gehabt haben, oder mag er als bloßer
Strohmann vorgeschoben worden sein und ihm jede Fähigkeit, deu strafbaren
Charakter des betreffende» Artikels zu erkennen, abgehen — er haftet doch als
eine Art Sündenbock (bono e,miWu.ir«z). Diese Einrichtung hat den Zweck, der
Verülmng vou Preßvergehen vorzubeugen. Es giebt aber auch eine andre
Einrichtung, die im Gegensatz hierzu nnr Sicherung der Bestrafung begangener
Preßvergehen bezweckt. Schon die alten deutschen Reichsgesetze hatten, wie
wir sahen, bestimmt, daß neben dem Drucker und dein Herausgeber auch der
Verfasser der Schrift zu seiner Bestrafung ermittelt werden sollte. Deshalb
sollten „nicht allein der Verkäufer oder Feilhaber, sondern anch der Käufer
und andre, bei denen solche Bücher u. s. w. befunden, gefänglich angenommen,
gütlich oder, wo es die Notdurft erfordert, peinlich, wo ihm solche Bücher
herkommen, gefragt und dem alsvlang nachgefragt und nachgegangen (werden),
bis der rechte Autor befunden, der alsdann samt denjenigen, so es also um-


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[0167] 1844, sowie in allen nach 1848 erlassenen Preßgesetzen. Dieser Verantwort¬ liche Redakteur mußte nach einigen Gesetzgebungen im voraus der Behörde angezeigt und sollte auf dem Blatte genannt werden, nach andern Gesetzgebungen haftete aber nur der thatsächliche Redakteur, ohne daß er der Behörde angezeigt zu werden brauchte. Allmählich brach sich jedoch immer mehr der Gedanke Bahn, daß das letztere das richtige sei; das königlich sächsische Preßgesetz von 1870 ließ daher die Verpflichtung zur vorgängigen Anzeige des verantwortlichen Redakteurs bei der Behörde gänzlich fallen, und dies ist auch in das Reichspreßgesetz über- gegangen, sodaß nach dessen Bestimmungen nur der als verantwortlicher Redakteur einer periodischen Druckschrift anzusehen ist, dessen Name mit seinem Wissen und Willen auf dem betreffenden Stück der Schrift genannt ist. Die Haftpflicht des Verantwortlicher Nednktenrs besteht in folgendem. Er hat dafür zu sorgen, daß in dem von ihm vertretenen Blatte nicht das Recht, seine Gedanken mitzuteilen, mißbraucht werde, daß nicht der Gebrauch der Preßfreiheit in einen Mißbrauch derselben ausarte. Nur hierfür haftet er auf Grund des Pre߬ gesetzes, nicht auch dafür, daß möglicherweise durch deu Inhalt seiner Zeitung auch andre Gesetzesübertretungen, z. B. die Verletzung des Dienstgeheimnisses, begangen werden; die Haftbarkeit des Redakteurs auch für solche Gesetzesüber¬ tretungen würde sich nach deu allgemeinen Strafgesetzen richten. Der Redakteur erscheint nach gesetzlicher Annahme als Thäter bezüglich der in seinein Blatte verübten Preßvergehen, anch wenn er sie nicht selbst herbeigeführt hat, denn es ist seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß solche Vergehen nicht vorkommen. Man hat nun diese Haftbarkeit des verantwortlichen Redakteurs verschieden zu regeln gesucht. Die französische Einrichtung läßt den «in-me rMpoliLablö für deu Inhalt des von ihm vertretenen Blattes unter allen Umständen haften. Mag er durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert worden sein, das Blatt vor dein Erscheinen zu lesen, mag er vou dem Inhalt des Blattes ans irgend einem sonstigen Grunde keine Kenntnis gehabt haben, oder mag er als bloßer Strohmann vorgeschoben worden sein und ihm jede Fähigkeit, deu strafbaren Charakter des betreffende» Artikels zu erkennen, abgehen — er haftet doch als eine Art Sündenbock (bono e,miWu.ir«z). Diese Einrichtung hat den Zweck, der Verülmng vou Preßvergehen vorzubeugen. Es giebt aber auch eine andre Einrichtung, die im Gegensatz hierzu nnr Sicherung der Bestrafung begangener Preßvergehen bezweckt. Schon die alten deutschen Reichsgesetze hatten, wie wir sahen, bestimmt, daß neben dem Drucker und dein Herausgeber auch der Verfasser der Schrift zu seiner Bestrafung ermittelt werden sollte. Deshalb sollten „nicht allein der Verkäufer oder Feilhaber, sondern anch der Käufer und andre, bei denen solche Bücher u. s. w. befunden, gefänglich angenommen, gütlich oder, wo es die Notdurft erfordert, peinlich, wo ihm solche Bücher herkommen, gefragt und dem alsvlang nachgefragt und nachgegangen (werden), bis der rechte Autor befunden, der alsdann samt denjenigen, so es also um-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/167>, abgerufen am 30.06.2024.