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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs

ni, das; der, der eine solche Verantwortung übernimmt, sich auch wirklich in"
die Znsanunenstelluug der Zeitschrift kümmert, wie der Bürge um die Zahl¬
fähigkeit des Schuldners. Notlveudig ist dies freilich nicht; der Verantwort¬
liche Redakteur haftet, nur weil er genannt ist, er mag die Folgen tragen,
wenn er sich nicht um das kümmert, wofür er verantwortlich ist. In Wahr¬
heit soll aber die Person genannt werden, die wirklich die Haftpflicht über¬
nommen hat, eine fälschliche Angabe ist strafbar, wie es auch mit Strafe
bedroht ist, eine Person als verantwortlichen Redakteur zu nennen, der die
geistige Fähigkeit zur Übernahme einer solchen Verantwortlichkeit gänzlich abgeht.
Dieser Verantwortliche Rednktenr verdankt seinen Ursprung dein französischen
Recht, und zwar dem Gesetz -zur las journoanx vt, 6vri.es xvrioäiauos vom
'18. Juli 1828. Dies Gesetz geht von dein in Frankreich häufigen Fall eins.
daß eine Zeitung von mehreren Personen herausgegeben wird, die dann eine
Haiidelsgesellschaft bilden; von diese" sollen eine oder mehrere als die handels¬
rechtlichen Vertreter der Gesellschaft bezeichnet werden und sich zur Übernahme
dieser Vertretung (g'vrun<z<z) durch ihre Unterschrift bekennen, wovon sie die
Bezeichnung g^ranks ro8xonss.I)1o8 erhalten haben. Diesen Vertretern hat nun
das gedachte Gesetz gleichzeitig die Verpflichtung auferlegt, die Redaktion der
Zeitschrift zu überwachen oder zu leiten (los g'unrnt" responsavlos surveillvrout
vt cliriMrmit, mir vux-mSinss 1a roäaot-ion), sie brauchen also das Blatt nicht
selbst zu redigiren, aber sie haben es zu vertreten Zu diesem Zweck müssen
sie der Polizeibehörde angezeigt werden und von jeder Rnmmer des Blattes
ein Exemplar unterzeichnen, das bei der überwachenden Behörde nieder¬
gelegt wird. Der Zweck dieser Einrichtung war der, jemanden zu haben, der
dafür eiustaud, daß das von ihm vertretene Blatt nicht zu Preßvergehen benutzt
würde, und an den mau sich unter allen Umständen wegen eines durch daS
Blatt begangenen Preßvergeheus halten konnte. Da die staatliche Zensur nicht
mehr zu halten war, so schuf man eine Art Privatzensnr, mau gestaltete, um
einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, das Staatsamt der Zensur gewisser¬
maßen in ein solches der Selbstverwaltung um, wobei mau eine um so größere
Sicherheit hatte, als der neu geschaffene Privatzensvr sür die Versäumnis in
der Ausübung seines Amtes strafrechtlich haftbar war. Es ist nicht zu leugnen,
daß diese Schöpfung des Verantwortlicher Vertreters ein glücklicher Griff war,
und sie fand deshalb überall Nachahmung, namentlich in Deutschland, wo
man, wie wir sahen, schon von Alters her die Angabe des Verfassers (bei einer
Zeitung also des thatsächlichen Redakteurs) verlangte. Zur Aufnahme der
französischen Einrichtung drängte auch die Erfahrung, daß bei den immer
größer werdenden Blättern ein einziger Mann unmöglich mehr den ganzen
Inhalt der Zeitung erfassen konnte, sodaß es nahe lag, einen der Beteiligten
als den zur Überwachung des Inhalts Verpflichteten herauszugreifen. Dies
geschah zunächst in Baden 1831, da"" in Preußen 1843, im Königreich Sachsen


Die strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs

ni, das; der, der eine solche Verantwortung übernimmt, sich auch wirklich in»
die Znsanunenstelluug der Zeitschrift kümmert, wie der Bürge um die Zahl¬
fähigkeit des Schuldners. Notlveudig ist dies freilich nicht; der Verantwort¬
liche Redakteur haftet, nur weil er genannt ist, er mag die Folgen tragen,
wenn er sich nicht um das kümmert, wofür er verantwortlich ist. In Wahr¬
heit soll aber die Person genannt werden, die wirklich die Haftpflicht über¬
nommen hat, eine fälschliche Angabe ist strafbar, wie es auch mit Strafe
bedroht ist, eine Person als verantwortlichen Redakteur zu nennen, der die
geistige Fähigkeit zur Übernahme einer solchen Verantwortlichkeit gänzlich abgeht.
Dieser Verantwortliche Rednktenr verdankt seinen Ursprung dein französischen
Recht, und zwar dem Gesetz -zur las journoanx vt, 6vri.es xvrioäiauos vom
'18. Juli 1828. Dies Gesetz geht von dein in Frankreich häufigen Fall eins.
daß eine Zeitung von mehreren Personen herausgegeben wird, die dann eine
Haiidelsgesellschaft bilden; von diese» sollen eine oder mehrere als die handels¬
rechtlichen Vertreter der Gesellschaft bezeichnet werden und sich zur Übernahme
dieser Vertretung (g'vrun<z<z) durch ihre Unterschrift bekennen, wovon sie die
Bezeichnung g^ranks ro8xonss.I)1o8 erhalten haben. Diesen Vertretern hat nun
das gedachte Gesetz gleichzeitig die Verpflichtung auferlegt, die Redaktion der
Zeitschrift zu überwachen oder zu leiten (los g'unrnt« responsavlos surveillvrout
vt cliriMrmit, mir vux-mSinss 1a roäaot-ion), sie brauchen also das Blatt nicht
selbst zu redigiren, aber sie haben es zu vertreten Zu diesem Zweck müssen
sie der Polizeibehörde angezeigt werden und von jeder Rnmmer des Blattes
ein Exemplar unterzeichnen, das bei der überwachenden Behörde nieder¬
gelegt wird. Der Zweck dieser Einrichtung war der, jemanden zu haben, der
dafür eiustaud, daß das von ihm vertretene Blatt nicht zu Preßvergehen benutzt
würde, und an den mau sich unter allen Umständen wegen eines durch daS
Blatt begangenen Preßvergeheus halten konnte. Da die staatliche Zensur nicht
mehr zu halten war, so schuf man eine Art Privatzensnr, mau gestaltete, um
einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, das Staatsamt der Zensur gewisser¬
maßen in ein solches der Selbstverwaltung um, wobei mau eine um so größere
Sicherheit hatte, als der neu geschaffene Privatzensvr sür die Versäumnis in
der Ausübung seines Amtes strafrechtlich haftbar war. Es ist nicht zu leugnen,
daß diese Schöpfung des Verantwortlicher Vertreters ein glücklicher Griff war,
und sie fand deshalb überall Nachahmung, namentlich in Deutschland, wo
man, wie wir sahen, schon von Alters her die Angabe des Verfassers (bei einer
Zeitung also des thatsächlichen Redakteurs) verlangte. Zur Aufnahme der
französischen Einrichtung drängte auch die Erfahrung, daß bei den immer
größer werdenden Blättern ein einziger Mann unmöglich mehr den ganzen
Inhalt der Zeitung erfassen konnte, sodaß es nahe lag, einen der Beteiligten
als den zur Überwachung des Inhalts Verpflichteten herauszugreifen. Dies
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[0166] Die strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs ni, das; der, der eine solche Verantwortung übernimmt, sich auch wirklich in» die Znsanunenstelluug der Zeitschrift kümmert, wie der Bürge um die Zahl¬ fähigkeit des Schuldners. Notlveudig ist dies freilich nicht; der Verantwort¬ liche Redakteur haftet, nur weil er genannt ist, er mag die Folgen tragen, wenn er sich nicht um das kümmert, wofür er verantwortlich ist. In Wahr¬ heit soll aber die Person genannt werden, die wirklich die Haftpflicht über¬ nommen hat, eine fälschliche Angabe ist strafbar, wie es auch mit Strafe bedroht ist, eine Person als verantwortlichen Redakteur zu nennen, der die geistige Fähigkeit zur Übernahme einer solchen Verantwortlichkeit gänzlich abgeht. Dieser Verantwortliche Rednktenr verdankt seinen Ursprung dein französischen Recht, und zwar dem Gesetz -zur las journoanx vt, 6vri.es xvrioäiauos vom '18. Juli 1828. Dies Gesetz geht von dein in Frankreich häufigen Fall eins. daß eine Zeitung von mehreren Personen herausgegeben wird, die dann eine Haiidelsgesellschaft bilden; von diese» sollen eine oder mehrere als die handels¬ rechtlichen Vertreter der Gesellschaft bezeichnet werden und sich zur Übernahme dieser Vertretung (g'vrun<z<z) durch ihre Unterschrift bekennen, wovon sie die Bezeichnung g^ranks ro8xonss.I)1o8 erhalten haben. Diesen Vertretern hat nun das gedachte Gesetz gleichzeitig die Verpflichtung auferlegt, die Redaktion der Zeitschrift zu überwachen oder zu leiten (los g'unrnt« responsavlos surveillvrout vt cliriMrmit, mir vux-mSinss 1a roäaot-ion), sie brauchen also das Blatt nicht selbst zu redigiren, aber sie haben es zu vertreten Zu diesem Zweck müssen sie der Polizeibehörde angezeigt werden und von jeder Rnmmer des Blattes ein Exemplar unterzeichnen, das bei der überwachenden Behörde nieder¬ gelegt wird. Der Zweck dieser Einrichtung war der, jemanden zu haben, der dafür eiustaud, daß das von ihm vertretene Blatt nicht zu Preßvergehen benutzt würde, und an den mau sich unter allen Umständen wegen eines durch daS Blatt begangenen Preßvergeheus halten konnte. Da die staatliche Zensur nicht mehr zu halten war, so schuf man eine Art Privatzensnr, mau gestaltete, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, das Staatsamt der Zensur gewisser¬ maßen in ein solches der Selbstverwaltung um, wobei mau eine um so größere Sicherheit hatte, als der neu geschaffene Privatzensvr sür die Versäumnis in der Ausübung seines Amtes strafrechtlich haftbar war. Es ist nicht zu leugnen, daß diese Schöpfung des Verantwortlicher Vertreters ein glücklicher Griff war, und sie fand deshalb überall Nachahmung, namentlich in Deutschland, wo man, wie wir sahen, schon von Alters her die Angabe des Verfassers (bei einer Zeitung also des thatsächlichen Redakteurs) verlangte. Zur Aufnahme der französischen Einrichtung drängte auch die Erfahrung, daß bei den immer größer werdenden Blättern ein einziger Mann unmöglich mehr den ganzen Inhalt der Zeitung erfassen konnte, sodaß es nahe lag, einen der Beteiligten als den zur Überwachung des Inhalts Verpflichteten herauszugreifen. Dies geschah zunächst in Baden 1831, da»» in Preußen 1843, im Königreich Sachsen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/166>, abgerufen am 30.06.2024.