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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Gnllpcn-zer und die klugen Frauen

Zwischen dem Goldner Vließ und dem nächsten dieser Reihe nngehörigeii
Stücke, Des Meeres und der Liebe Wellen, liegen zeitlich zwei andre: Ottokars
(Ruck und Ende und El" treuer Diener seines Herrn. Im ersten sind die
Frauen Episoden, aber auch hier fehlt die oben erwähnte geistige Abschätzung
nicht. Von Bertha sagt im ersten Akt die Königin:


Sie selbst ist kaum so schlimm, nur schwachen Geistes
Und thöricht eitel, das hat sie verführt.
Mit Reichtum, Macht und Hoffnung auf den Thron --
Ja, so weit ging der Übermütgen Stolz --
Verlockten sie das leichtbethörte Kind.-

Hier dient zur Abwechslung einmal der schwache Geist zur Entschuldigung des
Irrens, während sonst gerade die Klugheit, wenn erst Leidenschaft die Besonnen¬
heit verscheucht hat, die Höhe mit begreiflich machen muß, bis zu der sich die
Raserei versteigt. Unter die so gearteten ist ihrer Natur nach anch die Königin
im Treuen Diener einzureihen; denn auch sie gehört zu den Klugen. Sie sagt
von -ich zum Könige:


Ihr nanntet oft mich stolz,
Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Manu,

und ergänzend später der König:


Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug,

ähnlich wie Melitta von Scippho:


Deal wenn auch heftig manchmal, rasch und bitter,
Doch gut ist Snvpho, wahrlich, lieb und gut.

Wo aber die Schwäche der Königin, ihre Liebe zum Bruder, ius Spiel kommt,
läßt diese Klugheit sie gänzlich im Stich. Dasselbe Stück bringt anch Erich,
von der es in der üblichen Weise heißt:


Wie tuum nun Leidenschaft für dieses Wesen,
Kaum schön, von schwachem Geist und dürflgen Gabe",
Halb thöricht und halb stumpf, dich nach sich ziehn?

Wenn diese Worte auch nicht ihrem vollen Gewichte nach zu nehmen, sind, da
die Königin, weil ihre Absicht es erfordert, die Farben stark aufträgt, und über¬
haupt erst die Gefahr offenbart, welche Kräfte in Errp schlummern, so kommt
doch auch in dieser Gestalt wieder die übliche Absicht zum Ausdruck, daß ein
beschränkter, aber seine wenigen Grundsätze fest bewährender Geist sicherer an
allen Klippen der Unsittlichkeit vorbei gelangt als der reich begabte, bewegliche,
in dem die Grundsätze im Gewoge der Deuteleien hin und her schwanken, und
der nie um Einfülle verlegen ist, die für jedes Thun als Rechtfcrtigungsgründe
dienen müssen.

Die liebenswerteste in der Reihe der Klugen nicht nnr, sondern die fesselndste
Frnuengestalt, die Grillpnrzer überhaupt geschaffen hat, ist Hero. Geworden


Gnllpcn-zer und die klugen Frauen

Zwischen dem Goldner Vließ und dem nächsten dieser Reihe nngehörigeii
Stücke, Des Meeres und der Liebe Wellen, liegen zeitlich zwei andre: Ottokars
(Ruck und Ende und El» treuer Diener seines Herrn. Im ersten sind die
Frauen Episoden, aber auch hier fehlt die oben erwähnte geistige Abschätzung
nicht. Von Bertha sagt im ersten Akt die Königin:


Sie selbst ist kaum so schlimm, nur schwachen Geistes
Und thöricht eitel, das hat sie verführt.
Mit Reichtum, Macht und Hoffnung auf den Thron —
Ja, so weit ging der Übermütgen Stolz —
Verlockten sie das leichtbethörte Kind.-

Hier dient zur Abwechslung einmal der schwache Geist zur Entschuldigung des
Irrens, während sonst gerade die Klugheit, wenn erst Leidenschaft die Besonnen¬
heit verscheucht hat, die Höhe mit begreiflich machen muß, bis zu der sich die
Raserei versteigt. Unter die so gearteten ist ihrer Natur nach anch die Königin
im Treuen Diener einzureihen; denn auch sie gehört zu den Klugen. Sie sagt
von -ich zum Könige:


Ihr nanntet oft mich stolz,
Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Manu,

und ergänzend später der König:


Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug,

ähnlich wie Melitta von Scippho:


Deal wenn auch heftig manchmal, rasch und bitter,
Doch gut ist Snvpho, wahrlich, lieb und gut.

Wo aber die Schwäche der Königin, ihre Liebe zum Bruder, ius Spiel kommt,
läßt diese Klugheit sie gänzlich im Stich. Dasselbe Stück bringt anch Erich,
von der es in der üblichen Weise heißt:


Wie tuum nun Leidenschaft für dieses Wesen,
Kaum schön, von schwachem Geist und dürflgen Gabe»,
Halb thöricht und halb stumpf, dich nach sich ziehn?

Wenn diese Worte auch nicht ihrem vollen Gewichte nach zu nehmen, sind, da
die Königin, weil ihre Absicht es erfordert, die Farben stark aufträgt, und über¬
haupt erst die Gefahr offenbart, welche Kräfte in Errp schlummern, so kommt
doch auch in dieser Gestalt wieder die übliche Absicht zum Ausdruck, daß ein
beschränkter, aber seine wenigen Grundsätze fest bewährender Geist sicherer an
allen Klippen der Unsittlichkeit vorbei gelangt als der reich begabte, bewegliche,
in dem die Grundsätze im Gewoge der Deuteleien hin und her schwanken, und
der nie um Einfülle verlegen ist, die für jedes Thun als Rechtfcrtigungsgründe
dienen müssen.

Die liebenswerteste in der Reihe der Klugen nicht nnr, sondern die fesselndste
Frnuengestalt, die Grillpnrzer überhaupt geschaffen hat, ist Hero. Geworden


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[0155] Gnllpcn-zer und die klugen Frauen Zwischen dem Goldner Vließ und dem nächsten dieser Reihe nngehörigeii Stücke, Des Meeres und der Liebe Wellen, liegen zeitlich zwei andre: Ottokars (Ruck und Ende und El» treuer Diener seines Herrn. Im ersten sind die Frauen Episoden, aber auch hier fehlt die oben erwähnte geistige Abschätzung nicht. Von Bertha sagt im ersten Akt die Königin: Sie selbst ist kaum so schlimm, nur schwachen Geistes Und thöricht eitel, das hat sie verführt. Mit Reichtum, Macht und Hoffnung auf den Thron — Ja, so weit ging der Übermütgen Stolz — Verlockten sie das leichtbethörte Kind.- Hier dient zur Abwechslung einmal der schwache Geist zur Entschuldigung des Irrens, während sonst gerade die Klugheit, wenn erst Leidenschaft die Besonnen¬ heit verscheucht hat, die Höhe mit begreiflich machen muß, bis zu der sich die Raserei versteigt. Unter die so gearteten ist ihrer Natur nach anch die Königin im Treuen Diener einzureihen; denn auch sie gehört zu den Klugen. Sie sagt von -ich zum Könige: Ihr nanntet oft mich stolz, Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Manu, und ergänzend später der König: Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug, ähnlich wie Melitta von Scippho: Deal wenn auch heftig manchmal, rasch und bitter, Doch gut ist Snvpho, wahrlich, lieb und gut. Wo aber die Schwäche der Königin, ihre Liebe zum Bruder, ius Spiel kommt, läßt diese Klugheit sie gänzlich im Stich. Dasselbe Stück bringt anch Erich, von der es in der üblichen Weise heißt: Wie tuum nun Leidenschaft für dieses Wesen, Kaum schön, von schwachem Geist und dürflgen Gabe», Halb thöricht und halb stumpf, dich nach sich ziehn? Wenn diese Worte auch nicht ihrem vollen Gewichte nach zu nehmen, sind, da die Königin, weil ihre Absicht es erfordert, die Farben stark aufträgt, und über¬ haupt erst die Gefahr offenbart, welche Kräfte in Errp schlummern, so kommt doch auch in dieser Gestalt wieder die übliche Absicht zum Ausdruck, daß ein beschränkter, aber seine wenigen Grundsätze fest bewährender Geist sicherer an allen Klippen der Unsittlichkeit vorbei gelangt als der reich begabte, bewegliche, in dem die Grundsätze im Gewoge der Deuteleien hin und her schwanken, und der nie um Einfülle verlegen ist, die für jedes Thun als Rechtfcrtigungsgründe dienen müssen. Die liebenswerteste in der Reihe der Klugen nicht nnr, sondern die fesselndste Frnuengestalt, die Grillpnrzer überhaupt geschaffen hat, ist Hero. Geworden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/155>, abgerufen am 30.06.2024.