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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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T)le Iustizorganisation von ^8?9
in ministerieller Beleuchtung
von O. Bähr (Schluß)
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nsre bisherige Betrachtung betraf die in den Berichten dargestellte
Organisation in ihren äußern Verhältnissen. Wir wenden uns nnn
zu den besondern Abschnitten, die von dem Zivilprozeß handeln.

Nachdem sich bereits der Bericht von 1882 lobend über die
Wirksamkeit der Zivilprozeßordnung ausgesprochen hatte, ergeht
sich der Bericht von l8"7 in neuen Lobeserhebungen über das Verfahren, "dessen
einfache und elastische Formen die sichere, ungehemmte Anwendung des materiellen
Rechtes erleichtern." Allerdings seien auch tadelnde Urteile laut geworden,
die sich namentlich dagegen richteten, daß das Urteil lediglich auf deu Grund
einer mündlichen Verhandlung gesprochen werden solle. Der dagegen erhobene
Vorwurf würde richtig sein, wenn die Gerichte wirklich nur auf Grund münd¬
licher Verhandlung ihr Urteil zu geben hätten. Er widerlege sich aber dadurch,
daß das Urteil zugleich seine Grundlage finde in den gewechselte,! vorbereitenden
Schriftsätzen. "Übe nlsdanu das Gericht seiner Pflicht gemäß eine Kontrole
darüber aus, inwieweit die nuuidlichen Vorträge von dem Inhalte der Schrift¬
sätze abweichen, so besitzt es vollauf die Mittel zu eiuer zuverlässigen Fest¬
stellung und Beurkundung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung."

Nur zweisÜbelstände seien anzuerkennen. Der in die Hände der Parteien
gelegte Selbstbetrieb des Prozesses habe durch häufige Vertagungen und Ver¬
eitelungen der Verhandlungstermine vielfach zu Verschleppung der Prozesse
geführt. Hiergegen habe der Minister bereits am 23. September 1887 einen
Erlaß gerichtet, durch deu er die Gerichte ermahnt habe, streng gegen solche
Verschleppungen vorzugehen. Zunächst sei der Erfolg dieses Erlasses ab¬
zuwarten. Sodann habe das Zustellungsweseu zu berechtigten Ausstellungen
Veranlassung gegeben, und "wenn es dereinst zu einer Revision der Prozeßordnung
komme," so werde namentlich an diesen Punkt bessernde Hand anzulegen sein.

Seitdem nun hat der Herr Justizminister, so lange seine Amtsthätigkeit
dauerte, auf diesem Gebiete nichts weiter gethan, als daß er den gedachten
Erlaß vom 23. September 18"7, gegen den sich eine Flut von Widerspruch




T)le Iustizorganisation von ^8?9
in ministerieller Beleuchtung
von O. Bähr (Schluß)
5

nsre bisherige Betrachtung betraf die in den Berichten dargestellte
Organisation in ihren äußern Verhältnissen. Wir wenden uns nnn
zu den besondern Abschnitten, die von dem Zivilprozeß handeln.

Nachdem sich bereits der Bericht von 1882 lobend über die
Wirksamkeit der Zivilprozeßordnung ausgesprochen hatte, ergeht
sich der Bericht von l8«7 in neuen Lobeserhebungen über das Verfahren, „dessen
einfache und elastische Formen die sichere, ungehemmte Anwendung des materiellen
Rechtes erleichtern." Allerdings seien auch tadelnde Urteile laut geworden,
die sich namentlich dagegen richteten, daß das Urteil lediglich auf deu Grund
einer mündlichen Verhandlung gesprochen werden solle. Der dagegen erhobene
Vorwurf würde richtig sein, wenn die Gerichte wirklich nur auf Grund münd¬
licher Verhandlung ihr Urteil zu geben hätten. Er widerlege sich aber dadurch,
daß das Urteil zugleich seine Grundlage finde in den gewechselte,! vorbereitenden
Schriftsätzen. „Übe nlsdanu das Gericht seiner Pflicht gemäß eine Kontrole
darüber aus, inwieweit die nuuidlichen Vorträge von dem Inhalte der Schrift¬
sätze abweichen, so besitzt es vollauf die Mittel zu eiuer zuverlässigen Fest¬
stellung und Beurkundung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung."

Nur zweisÜbelstände seien anzuerkennen. Der in die Hände der Parteien
gelegte Selbstbetrieb des Prozesses habe durch häufige Vertagungen und Ver¬
eitelungen der Verhandlungstermine vielfach zu Verschleppung der Prozesse
geführt. Hiergegen habe der Minister bereits am 23. September 1887 einen
Erlaß gerichtet, durch deu er die Gerichte ermahnt habe, streng gegen solche
Verschleppungen vorzugehen. Zunächst sei der Erfolg dieses Erlasses ab¬
zuwarten. Sodann habe das Zustellungsweseu zu berechtigten Ausstellungen
Veranlassung gegeben, und „wenn es dereinst zu einer Revision der Prozeßordnung
komme," so werde namentlich an diesen Punkt bessernde Hand anzulegen sein.

Seitdem nun hat der Herr Justizminister, so lange seine Amtsthätigkeit
dauerte, auf diesem Gebiete nichts weiter gethan, als daß er den gedachten
Erlaß vom 23. September 18«7, gegen den sich eine Flut von Widerspruch


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[0127] [Abbildung] T)le Iustizorganisation von ^8?9 in ministerieller Beleuchtung von O. Bähr (Schluß) 5 nsre bisherige Betrachtung betraf die in den Berichten dargestellte Organisation in ihren äußern Verhältnissen. Wir wenden uns nnn zu den besondern Abschnitten, die von dem Zivilprozeß handeln. Nachdem sich bereits der Bericht von 1882 lobend über die Wirksamkeit der Zivilprozeßordnung ausgesprochen hatte, ergeht sich der Bericht von l8«7 in neuen Lobeserhebungen über das Verfahren, „dessen einfache und elastische Formen die sichere, ungehemmte Anwendung des materiellen Rechtes erleichtern." Allerdings seien auch tadelnde Urteile laut geworden, die sich namentlich dagegen richteten, daß das Urteil lediglich auf deu Grund einer mündlichen Verhandlung gesprochen werden solle. Der dagegen erhobene Vorwurf würde richtig sein, wenn die Gerichte wirklich nur auf Grund münd¬ licher Verhandlung ihr Urteil zu geben hätten. Er widerlege sich aber dadurch, daß das Urteil zugleich seine Grundlage finde in den gewechselte,! vorbereitenden Schriftsätzen. „Übe nlsdanu das Gericht seiner Pflicht gemäß eine Kontrole darüber aus, inwieweit die nuuidlichen Vorträge von dem Inhalte der Schrift¬ sätze abweichen, so besitzt es vollauf die Mittel zu eiuer zuverlässigen Fest¬ stellung und Beurkundung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung." Nur zweisÜbelstände seien anzuerkennen. Der in die Hände der Parteien gelegte Selbstbetrieb des Prozesses habe durch häufige Vertagungen und Ver¬ eitelungen der Verhandlungstermine vielfach zu Verschleppung der Prozesse geführt. Hiergegen habe der Minister bereits am 23. September 1887 einen Erlaß gerichtet, durch deu er die Gerichte ermahnt habe, streng gegen solche Verschleppungen vorzugehen. Zunächst sei der Erfolg dieses Erlasses ab¬ zuwarten. Sodann habe das Zustellungsweseu zu berechtigten Ausstellungen Veranlassung gegeben, und „wenn es dereinst zu einer Revision der Prozeßordnung komme," so werde namentlich an diesen Punkt bessernde Hand anzulegen sein. Seitdem nun hat der Herr Justizminister, so lange seine Amtsthätigkeit dauerte, auf diesem Gebiete nichts weiter gethan, als daß er den gedachten Erlaß vom 23. September 18«7, gegen den sich eine Flut von Widerspruch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/127>, abgerufen am 30.06.2024.