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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Gladstone und der Dreibund

Wunsche eingegeben, Großbritannien vor allen europäischen Verwicklungen zu
bewahren. Die englische Neutralität schien durch die zweideutigen Erklärungen
Sir Jnmes Fergussvns auf Laboucheres Erkundigungen kompromittirt zu sein.
Es waren andre, ältere Anzeichen von Gefahren ^welcher? fragt manj vor¬
handen. Lord Salisburh hegt eine Art geschichtlicher Freundschaft für eins
der Mitglieder des Dreibundes, Österreich, und shmpathisirt mit dessen Zielen,
^was höchst rühmlich ist, da diese Ziele den Weltfrieden bedeuten^. Zu einem
andern Teilnehmer, Deutschland, hat er' seine Beziehungen in jüngster Zeit so
weit gebessert, daß Fürst Bismarck nie müde zu werden scheint, Gelegenheiten
zu suchen, wo er sich ihm dankbar zeigen kann. Zwar werden alle diese Ge¬
legenheiten in Ostafrika gefunden, wo wir keinerlei Interessen haben, die wir
nicht durch eigne Anstrengung ohne Beihilfe wahrnehmen und fördern könnten,
und es ergiebt sich notwendig die Frage: Was erwartet Fürst Bismarck von
uns anderswo? Er hofft, daß wir etwas für ihn thun, und zwar nichts
Geringeres, als daß wir ihn bei seinein Liebliugsplane thätig unterstützen. Die
deutschen Zeitungen haben offen verkündet, daß der Besuch des Kaisers dazu
beigetragen habe, seine Beziehungen auf einen in jeder Richtung befriedigenden
Fuß zu bringen, und diese Äußerung giebt der Thatsache Nachdruck, daß
Bismarcks Aufmerksamkeiten sich seit der Heimkehr seines Gebieters verdoppelt
haben. Er ist natürlich besorgter als je hinsichtlich der Prämie, die für jene
Artigkeiten zu zahlen sein wird, und diese Besorgnis erklärt Herrn Gladstones
Artikel hinlänglich."

Das ist Faselei eines verdrießlichen, unklaren und befangnen Egoismus,
dem jeder Begriff von Englands wahrem Interesse abgeht, und der sich, wie
Gladstone, bei seiner Vermutung aus Vorurteil und Parteihaß absichtlich gegen
Salisburhs Politik verblendet. Warum gerade diesem eine unvorsichtige Ver¬
pflichtung schuld gegeben wird, ist sonst nicht begreiflich. Der Verfasser des
Artikels in der Ooritc-riixoriir^ livvimv weiß seine verdächtigende Annahme anch
nicht mit einem einzigen thatsächlichen Beweise zu begründen. Dagegen weist
Salisburhs ganze staatsmännische Laufbahn auf das gerade Gegenteil einer
Denkart und Handlungsweise hin, die zu Übereilung und Unüberlegsamteit
hinneigt. Das Memorandum, das er 1877 in Gemeinschaft mit Schnwaloff
verfaßte und das man ihm englischerseits vielfach fast als Verbrechen anrechnete,
war ein ehrlicher Versuch, sich vor ernsten Maßregeln mit Nußland zu ver¬
ständigen, und es wurde damit der Grundstein zu dem Friedenstempel gelegt,
den man im folgenden Jahre in Berlin vollendete. Mit größter Wärme und
Genugthuung begrüßte der Lord 1879 die Kunde vom Abschlüsse des deutsch-
österreichischen Bündnisses mit einem bekannten biblischen Jubelworte. Bei
allen diplomatischen Verhandlungen der letzten Jahre hegte er den festen Wunsch
nach Erhaltung des Friedens und legte eine Denkart an den Tag, die, jedem
Säbelrasseln abgeneigt, sich mit Ruhe auf die Kraft überzeugender Vorstellungen


Gladstone und der Dreibund

Wunsche eingegeben, Großbritannien vor allen europäischen Verwicklungen zu
bewahren. Die englische Neutralität schien durch die zweideutigen Erklärungen
Sir Jnmes Fergussvns auf Laboucheres Erkundigungen kompromittirt zu sein.
Es waren andre, ältere Anzeichen von Gefahren ^welcher? fragt manj vor¬
handen. Lord Salisburh hegt eine Art geschichtlicher Freundschaft für eins
der Mitglieder des Dreibundes, Österreich, und shmpathisirt mit dessen Zielen,
^was höchst rühmlich ist, da diese Ziele den Weltfrieden bedeuten^. Zu einem
andern Teilnehmer, Deutschland, hat er' seine Beziehungen in jüngster Zeit so
weit gebessert, daß Fürst Bismarck nie müde zu werden scheint, Gelegenheiten
zu suchen, wo er sich ihm dankbar zeigen kann. Zwar werden alle diese Ge¬
legenheiten in Ostafrika gefunden, wo wir keinerlei Interessen haben, die wir
nicht durch eigne Anstrengung ohne Beihilfe wahrnehmen und fördern könnten,
und es ergiebt sich notwendig die Frage: Was erwartet Fürst Bismarck von
uns anderswo? Er hofft, daß wir etwas für ihn thun, und zwar nichts
Geringeres, als daß wir ihn bei seinein Liebliugsplane thätig unterstützen. Die
deutschen Zeitungen haben offen verkündet, daß der Besuch des Kaisers dazu
beigetragen habe, seine Beziehungen auf einen in jeder Richtung befriedigenden
Fuß zu bringen, und diese Äußerung giebt der Thatsache Nachdruck, daß
Bismarcks Aufmerksamkeiten sich seit der Heimkehr seines Gebieters verdoppelt
haben. Er ist natürlich besorgter als je hinsichtlich der Prämie, die für jene
Artigkeiten zu zahlen sein wird, und diese Besorgnis erklärt Herrn Gladstones
Artikel hinlänglich."

Das ist Faselei eines verdrießlichen, unklaren und befangnen Egoismus,
dem jeder Begriff von Englands wahrem Interesse abgeht, und der sich, wie
Gladstone, bei seiner Vermutung aus Vorurteil und Parteihaß absichtlich gegen
Salisburhs Politik verblendet. Warum gerade diesem eine unvorsichtige Ver¬
pflichtung schuld gegeben wird, ist sonst nicht begreiflich. Der Verfasser des
Artikels in der Ooritc-riixoriir^ livvimv weiß seine verdächtigende Annahme anch
nicht mit einem einzigen thatsächlichen Beweise zu begründen. Dagegen weist
Salisburhs ganze staatsmännische Laufbahn auf das gerade Gegenteil einer
Denkart und Handlungsweise hin, die zu Übereilung und Unüberlegsamteit
hinneigt. Das Memorandum, das er 1877 in Gemeinschaft mit Schnwaloff
verfaßte und das man ihm englischerseits vielfach fast als Verbrechen anrechnete,
war ein ehrlicher Versuch, sich vor ernsten Maßregeln mit Nußland zu ver¬
ständigen, und es wurde damit der Grundstein zu dem Friedenstempel gelegt,
den man im folgenden Jahre in Berlin vollendete. Mit größter Wärme und
Genugthuung begrüßte der Lord 1879 die Kunde vom Abschlüsse des deutsch-
österreichischen Bündnisses mit einem bekannten biblischen Jubelworte. Bei
allen diplomatischen Verhandlungen der letzten Jahre hegte er den festen Wunsch
nach Erhaltung des Friedens und legte eine Denkart an den Tag, die, jedem
Säbelrasseln abgeneigt, sich mit Ruhe auf die Kraft überzeugender Vorstellungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/116>, abgerufen am 30.06.2024.