Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Robert Hmnerlings Selbstbiographie jungdeutschen Litteratur bekannt. Die Klassiker verschlang er; Grabbe entzückte Die Sommerferien dieser Jahre Pflegte er immer ans Wanderungen in Als Hamerling 1847 die Wiener Universität bezog, hatte er sich für Robert Hmnerlings Selbstbiographie jungdeutschen Litteratur bekannt. Die Klassiker verschlang er; Grabbe entzückte Die Sommerferien dieser Jahre Pflegte er immer ans Wanderungen in Als Hamerling 1847 die Wiener Universität bezog, hatte er sich für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205346"/> <fw type="header" place="top"> Robert Hmnerlings Selbstbiographie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1718" prev="#ID_1717"> jungdeutschen Litteratur bekannt. Die Klassiker verschlang er; Grabbe entzückte<lb/> ihn (er ist in der Art seines nicht ganz ausgeglichenen Talentes auch verwandt<lb/> mit diesem sprunghafter Genie); Freiligrnth, E. T. A. Hoffmann, Byron be¬<lb/> geisterten 'ihn. Der Entschluß, Dichter von Beruf zu werden, befestigte sich<lb/> früh in ihm. Aber damals dachte er als Theaterdichter seinen Weg machen<lb/> zu können, weil die eben eingeführten „Tantiemen" im Vurgtheater es ermög¬<lb/> lichten, daß ein Mensch ausschließlich von der Kunst lebte. Bekanntlich kam<lb/> es aber anders; gerade mit seinen Biihnenwerken („Danton und Robespierre,"<lb/> „Lucifer") hatte Hamerling den geringsten Erfolg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1719"> Die Sommerferien dieser Jahre Pflegte er immer ans Wanderungen in<lb/> seine Heimat oder ins Stift Zwettl zu verbringen. Bei einem solchen Besuche<lb/> im Stifte kamen auch seine religiösen Zweifel zum Abschluß. Es lag ja nahe,<lb/> daß der Musterschüler Theologe werden sollte. Aber die unthätig beschauliche,<lb/> von der Welt abgeschlossene Existenz des Klostergeistlichen konnte dein Phautasie-<lb/> meuschen, der mit Leidenschaft die Schönheit dieser Welt verehrte, für Liebe<lb/> sehr empfänglich war, sich auf die zukünftigen Genüsse in einem behaglicheren<lb/> Leben schon freute, nicht als Lebensideal erscheinen. nachdrücklich betont<lb/> Hamerling, daß sein Konflikt nicht eigentlich im Glauben als in dein Gegen¬<lb/> satz dieser Lebensformen bestanden habe, womit er uns fein wesentlich künstlerisches<lb/> Naturell hinweisen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_1720" next="#ID_1721"> Als Hamerling 1847 die Wiener Universität bezog, hatte er sich für<lb/> einen bestimmten Lebensberuf noch nicht entschieden; nur Dichter wollte er<lb/> werden nud womöglich alles in Natur- und Geisteswisseuschnft sich zum Eigen¬<lb/> tum macheu. Darum hörte er neben philologischen Vorlesungen auch solche<lb/> über Anatomie (bei Hyrtl), Chemie, Physik. Seine Armut aber bestimmte<lb/> später seine Handlungsweise. Im Grunde war seine ganze Bildung vor¬<lb/> wiegend philologisch; Sophokles las er geläufig im Original; weniger vertraut<lb/> war er mit der lateinischen Sprache und Litteratur. Die ersten Studien<lb/> wurden gleich durch die stürmischen Vorgänge des Jahres 1848 unterbrochen.<lb/> Auch Hamerliug ließ sich, wie jeder Student, in die Studenteulegion einreihen,<lb/> und mit Humor weiß er von jenen bewegten Tagen zu berichte». So erzählt<lb/> er, daß ihm die Mutter den Säbel zerbrochen habe, und daß ihm, als er auf<lb/> der Wache einmal eingeschlafen war, die Flinte gestohlen wurde; er selbst<lb/> schämte sich deswegen nicht weniger, als der andre Student, der ihn als<lb/> Hauptmnnn befehligte. Übrigens, meint er, hätte er mit dem Gewehr auch<lb/> nicht viel ausrichten können: ein Gewehr zu laden habe er damals nicht<lb/> gelernt und verstehe es auch jetzt nicht; übrigens geht die Sage, daß alle<lb/> diese Studenteugewehre verrostet und in Wahrheit kampfuntauglich gewesen<lb/> seien. Aber die Stimmung jener Zeit, der reine Idealismus, der die Menschen<lb/> beseelte, ist ihm die edelste Erinnerung seines Lebens. Er hat nur bis zum<lb/> Juli die Veweguug als Teilnehmer miterlebt; die Sommerferien verbrachte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0615]
Robert Hmnerlings Selbstbiographie
jungdeutschen Litteratur bekannt. Die Klassiker verschlang er; Grabbe entzückte
ihn (er ist in der Art seines nicht ganz ausgeglichenen Talentes auch verwandt
mit diesem sprunghafter Genie); Freiligrnth, E. T. A. Hoffmann, Byron be¬
geisterten 'ihn. Der Entschluß, Dichter von Beruf zu werden, befestigte sich
früh in ihm. Aber damals dachte er als Theaterdichter seinen Weg machen
zu können, weil die eben eingeführten „Tantiemen" im Vurgtheater es ermög¬
lichten, daß ein Mensch ausschließlich von der Kunst lebte. Bekanntlich kam
es aber anders; gerade mit seinen Biihnenwerken („Danton und Robespierre,"
„Lucifer") hatte Hamerling den geringsten Erfolg.
Die Sommerferien dieser Jahre Pflegte er immer ans Wanderungen in
seine Heimat oder ins Stift Zwettl zu verbringen. Bei einem solchen Besuche
im Stifte kamen auch seine religiösen Zweifel zum Abschluß. Es lag ja nahe,
daß der Musterschüler Theologe werden sollte. Aber die unthätig beschauliche,
von der Welt abgeschlossene Existenz des Klostergeistlichen konnte dein Phautasie-
meuschen, der mit Leidenschaft die Schönheit dieser Welt verehrte, für Liebe
sehr empfänglich war, sich auf die zukünftigen Genüsse in einem behaglicheren
Leben schon freute, nicht als Lebensideal erscheinen. nachdrücklich betont
Hamerling, daß sein Konflikt nicht eigentlich im Glauben als in dein Gegen¬
satz dieser Lebensformen bestanden habe, womit er uns fein wesentlich künstlerisches
Naturell hinweisen will.
Als Hamerling 1847 die Wiener Universität bezog, hatte er sich für
einen bestimmten Lebensberuf noch nicht entschieden; nur Dichter wollte er
werden nud womöglich alles in Natur- und Geisteswisseuschnft sich zum Eigen¬
tum macheu. Darum hörte er neben philologischen Vorlesungen auch solche
über Anatomie (bei Hyrtl), Chemie, Physik. Seine Armut aber bestimmte
später seine Handlungsweise. Im Grunde war seine ganze Bildung vor¬
wiegend philologisch; Sophokles las er geläufig im Original; weniger vertraut
war er mit der lateinischen Sprache und Litteratur. Die ersten Studien
wurden gleich durch die stürmischen Vorgänge des Jahres 1848 unterbrochen.
Auch Hamerliug ließ sich, wie jeder Student, in die Studenteulegion einreihen,
und mit Humor weiß er von jenen bewegten Tagen zu berichte». So erzählt
er, daß ihm die Mutter den Säbel zerbrochen habe, und daß ihm, als er auf
der Wache einmal eingeschlafen war, die Flinte gestohlen wurde; er selbst
schämte sich deswegen nicht weniger, als der andre Student, der ihn als
Hauptmnnn befehligte. Übrigens, meint er, hätte er mit dem Gewehr auch
nicht viel ausrichten können: ein Gewehr zu laden habe er damals nicht
gelernt und verstehe es auch jetzt nicht; übrigens geht die Sage, daß alle
diese Studenteugewehre verrostet und in Wahrheit kampfuntauglich gewesen
seien. Aber die Stimmung jener Zeit, der reine Idealismus, der die Menschen
beseelte, ist ihm die edelste Erinnerung seines Lebens. Er hat nur bis zum
Juli die Veweguug als Teilnehmer miterlebt; die Sommerferien verbrachte
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