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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Ostpreußen und die Getreidezölle

schaffen wollen, entschiedet! entgegentreten werde. Der Bundesrat setze ihnen
nicht ein 5kein lianvt, sondern das entschiedene, päpstlich unfehlbare 5inen pos-
8UIM18 entgegen. Wenn diese Worte endlich gesprochen sein werden, und die
Aufhebung des Identitätsnachweises als Truggebilde, was es in der That
ist, erkannt sein wird, dann erst kann der deutschen Landwirtschaft wirkliche
Hilfe bereitet, dann erst können Maßregeln ergriffen werden, die das richtig
erstrebte Ziel auch wirklich erreichen.

Der Zweck aller der deutscheu Landwirtschaft förderlichen Maßregeln kann
unsers Trachtens nur dahin gehen, Deutschlands Getreidebedarf durch deutsches
Getreide zu befriedigen, also das norddeutsche Getreide im Süden des Reiches
gegenüber dem ausländischen kottknrrenzfähig zu machen. Welche Maßregeln
würden zu diesem Ziele führen?

Zunächst wäre an eine Erhöhung des Zolles zu denken. Von dieser
Maßregel muß aber Abstand genommen werden, da sie im Reichstage nicht
durchführbar erscheint, der von ihm beschlossene, jetzt giltige Zoll im allgemeinen
auch genügt. Wir haben es aber vorweg als einen Mangel des jetzigen Zoll¬
tarifs angesehen, daß er Weizen und Roggen mit einem gleich hohen Zoll
von 5 Mark belegt. Der Roggenzoll könnte unsers Trachtens auf 4^ Mark
ermäßigt, der Weizenzoll müßte aber auf 7 Mark erhöht werden, wir er¬
achten diese Tarifveräudernng wohl für durchführbar. Der Weizen stellt in
Deutschland das Nnhrnngsmittel der wohlhabenden Klassen dar, während der
gewöhnliche Mann den Roggen als Brot und als sonstige Nahrung vorzieht.
Den wohlhabenden Klassen höhere steilern aufzuerlegen, dürfte allen politischen
Parteien Recht sein, auch im Reichstage wohl Anklang finden. Der Roggen,
der als allgemeines Nahrungsmittel mehr begehrt wird und schon jetzt einen
verhältnismäßig höhern Preis als Weizen hat, bedarf geringeren Zollschutzes
und muß womöglich für den armen Mann noch billiger werden. Anderseits
sind die wertvollsten Ländereien der norddeutschen Ebene zum Weizenbau ganz
besonders geeignet. Wir erinnern an Mittel- und Niederschlesien, an die Kreise
Reiße und Ratibor in Oberschlesien, an Neuvorpommern und Mecklenburg, an das
Weizenbern tunke Kujavier-Land in Posen, an die Weichsel-, Pregel- und Memel-
niederuug und an die thoureicheu Ebenen Litauens. Übernil da bildet
Weizen die Hauptfrucht, und diese gesegneten deutschen Fluren leiden jetzt durch
die Konkurrenz Rußlands und Österreichs am meisten, da auch in diese" Ländern
Weizen die Hauptfrucht bildet und dort unter der südliche" Sonne noch besser
als im nördlichen Deutschland gedeiht. Dieses Getreide von der Einfuhr aus¬
zuschließen, muß das Ziel aller Maßregel" sein, und dieses Ziel wird bei
einem Zoll vou 7 Mark für de" Doppelzentner hoffentlich erreicht werden.

Außerdem ist nur noch eine Maßregel notwendig, nämlich die Tarif-
ermüßigung für die Eisenbahnfrachten. Wie die norddeutsche Tiefebene in ihren
Flußthälern durch die Überschwemmungen der aus Rußland und Österreich


Ostpreußen und die Getreidezölle

schaffen wollen, entschiedet! entgegentreten werde. Der Bundesrat setze ihnen
nicht ein 5kein lianvt, sondern das entschiedene, päpstlich unfehlbare 5inen pos-
8UIM18 entgegen. Wenn diese Worte endlich gesprochen sein werden, und die
Aufhebung des Identitätsnachweises als Truggebilde, was es in der That
ist, erkannt sein wird, dann erst kann der deutschen Landwirtschaft wirkliche
Hilfe bereitet, dann erst können Maßregeln ergriffen werden, die das richtig
erstrebte Ziel auch wirklich erreichen.

Der Zweck aller der deutscheu Landwirtschaft förderlichen Maßregeln kann
unsers Trachtens nur dahin gehen, Deutschlands Getreidebedarf durch deutsches
Getreide zu befriedigen, also das norddeutsche Getreide im Süden des Reiches
gegenüber dem ausländischen kottknrrenzfähig zu machen. Welche Maßregeln
würden zu diesem Ziele führen?

Zunächst wäre an eine Erhöhung des Zolles zu denken. Von dieser
Maßregel muß aber Abstand genommen werden, da sie im Reichstage nicht
durchführbar erscheint, der von ihm beschlossene, jetzt giltige Zoll im allgemeinen
auch genügt. Wir haben es aber vorweg als einen Mangel des jetzigen Zoll¬
tarifs angesehen, daß er Weizen und Roggen mit einem gleich hohen Zoll
von 5 Mark belegt. Der Roggenzoll könnte unsers Trachtens auf 4^ Mark
ermäßigt, der Weizenzoll müßte aber auf 7 Mark erhöht werden, wir er¬
achten diese Tarifveräudernng wohl für durchführbar. Der Weizen stellt in
Deutschland das Nnhrnngsmittel der wohlhabenden Klassen dar, während der
gewöhnliche Mann den Roggen als Brot und als sonstige Nahrung vorzieht.
Den wohlhabenden Klassen höhere steilern aufzuerlegen, dürfte allen politischen
Parteien Recht sein, auch im Reichstage wohl Anklang finden. Der Roggen,
der als allgemeines Nahrungsmittel mehr begehrt wird und schon jetzt einen
verhältnismäßig höhern Preis als Weizen hat, bedarf geringeren Zollschutzes
und muß womöglich für den armen Mann noch billiger werden. Anderseits
sind die wertvollsten Ländereien der norddeutschen Ebene zum Weizenbau ganz
besonders geeignet. Wir erinnern an Mittel- und Niederschlesien, an die Kreise
Reiße und Ratibor in Oberschlesien, an Neuvorpommern und Mecklenburg, an das
Weizenbern tunke Kujavier-Land in Posen, an die Weichsel-, Pregel- und Memel-
niederuug und an die thoureicheu Ebenen Litauens. Übernil da bildet
Weizen die Hauptfrucht, und diese gesegneten deutschen Fluren leiden jetzt durch
die Konkurrenz Rußlands und Österreichs am meisten, da auch in diese» Ländern
Weizen die Hauptfrucht bildet und dort unter der südliche» Sonne noch besser
als im nördlichen Deutschland gedeiht. Dieses Getreide von der Einfuhr aus¬
zuschließen, muß das Ziel aller Maßregel» sein, und dieses Ziel wird bei
einem Zoll vou 7 Mark für de» Doppelzentner hoffentlich erreicht werden.

Außerdem ist nur noch eine Maßregel notwendig, nämlich die Tarif-
ermüßigung für die Eisenbahnfrachten. Wie die norddeutsche Tiefebene in ihren
Flußthälern durch die Überschwemmungen der aus Rußland und Österreich


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[0594] Ostpreußen und die Getreidezölle schaffen wollen, entschiedet! entgegentreten werde. Der Bundesrat setze ihnen nicht ein 5kein lianvt, sondern das entschiedene, päpstlich unfehlbare 5inen pos- 8UIM18 entgegen. Wenn diese Worte endlich gesprochen sein werden, und die Aufhebung des Identitätsnachweises als Truggebilde, was es in der That ist, erkannt sein wird, dann erst kann der deutschen Landwirtschaft wirkliche Hilfe bereitet, dann erst können Maßregeln ergriffen werden, die das richtig erstrebte Ziel auch wirklich erreichen. Der Zweck aller der deutscheu Landwirtschaft förderlichen Maßregeln kann unsers Trachtens nur dahin gehen, Deutschlands Getreidebedarf durch deutsches Getreide zu befriedigen, also das norddeutsche Getreide im Süden des Reiches gegenüber dem ausländischen kottknrrenzfähig zu machen. Welche Maßregeln würden zu diesem Ziele führen? Zunächst wäre an eine Erhöhung des Zolles zu denken. Von dieser Maßregel muß aber Abstand genommen werden, da sie im Reichstage nicht durchführbar erscheint, der von ihm beschlossene, jetzt giltige Zoll im allgemeinen auch genügt. Wir haben es aber vorweg als einen Mangel des jetzigen Zoll¬ tarifs angesehen, daß er Weizen und Roggen mit einem gleich hohen Zoll von 5 Mark belegt. Der Roggenzoll könnte unsers Trachtens auf 4^ Mark ermäßigt, der Weizenzoll müßte aber auf 7 Mark erhöht werden, wir er¬ achten diese Tarifveräudernng wohl für durchführbar. Der Weizen stellt in Deutschland das Nnhrnngsmittel der wohlhabenden Klassen dar, während der gewöhnliche Mann den Roggen als Brot und als sonstige Nahrung vorzieht. Den wohlhabenden Klassen höhere steilern aufzuerlegen, dürfte allen politischen Parteien Recht sein, auch im Reichstage wohl Anklang finden. Der Roggen, der als allgemeines Nahrungsmittel mehr begehrt wird und schon jetzt einen verhältnismäßig höhern Preis als Weizen hat, bedarf geringeren Zollschutzes und muß womöglich für den armen Mann noch billiger werden. Anderseits sind die wertvollsten Ländereien der norddeutschen Ebene zum Weizenbau ganz besonders geeignet. Wir erinnern an Mittel- und Niederschlesien, an die Kreise Reiße und Ratibor in Oberschlesien, an Neuvorpommern und Mecklenburg, an das Weizenbern tunke Kujavier-Land in Posen, an die Weichsel-, Pregel- und Memel- niederuug und an die thoureicheu Ebenen Litauens. Übernil da bildet Weizen die Hauptfrucht, und diese gesegneten deutschen Fluren leiden jetzt durch die Konkurrenz Rußlands und Österreichs am meisten, da auch in diese» Ländern Weizen die Hauptfrucht bildet und dort unter der südliche» Sonne noch besser als im nördlichen Deutschland gedeiht. Dieses Getreide von der Einfuhr aus¬ zuschließen, muß das Ziel aller Maßregel» sein, und dieses Ziel wird bei einem Zoll vou 7 Mark für de» Doppelzentner hoffentlich erreicht werden. Außerdem ist nur noch eine Maßregel notwendig, nämlich die Tarif- ermüßigung für die Eisenbahnfrachten. Wie die norddeutsche Tiefebene in ihren Flußthälern durch die Überschwemmungen der aus Rußland und Österreich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/594>, abgerufen am 06.02.2025.