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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Gstprenßen und die Gotreidezölle

an der Identität des trausitireuden Getreides scheint eine überflüssige und un¬
nötig strenge Maßregel zu sein. Sie ist dieses in Wirklichkeit nicht. Denn
das ausländische, insbesondre das russische Getreide ist oft sehr schlecht, unrein,
ausgewachsen, feucht, letzteres namentlich wenn es zu Wasser in den Seehäfen
Königsberg, Danzig, Memel ankommt. Die Getreidehäudler der Seehäfen
haben von jeher darum gebeten, das ausländische schlechte Getreide mit dem
guten inländischen mischen und in dieser Mischung ausführen zu dürfen. Die
Aufhebung des Identitätsnachweises stellt eine weitere Folge desselben Ver¬
langens dar. Das gute inländische Getreide soll durch diese Vertauschung aus¬
ländisches Transitgetreide, das schlechte ausländische soll inländisches Getreide
werden. Das bedeutet die Aufhebung des Identitätsnachweises. Was würde
der Erfolg dieser Maßregel sein?

Der Getreidehändler im Seehafen würde das gute inländische Getreide
gern kaufen, weil er weiß, daß er es im Auslande besser verkaufen kann. Es
lohnt diesem Händler auch uicht, auf das ursprüugliche ausländische Transit¬
getreide, das nach Aufhebung der Identität inländisches Getreide geworden ist,
noch weitere Kosten, namentlich der Verladung und des Transports, zu ver¬
wenden, er würde sich vielmehr bemühen, dieses minderwertige Getreide zunächst
im Inlande zu verkaufen, wodurch die Preise gedrückt werden. Dieser Preis¬
druck trifft zunächst das inländische schlechte Produkt, und wehe dein nord¬
deutschen Landwirt, dessen Getreide zufällig durch Rost, Auswuchs u. s. w.
gelitten hat. Solches Getreide würde unverkäuflich sein. Denn die Umgegend
jedes Seehafens würde der Sammelplatz alles schlechten ausländische" Getreides
werden, das ans den weitesten Fernen dorthin gebracht werden würde, und
ungesundes, schlechtes Brot im Julcinde die weitere Folge dieser Maßregel sein.
Je schlechter das ausländische Transitgetreide war, desto mehr verdient der
Händler, wenn er an Stelle desselben gutes inländisches Getreide ausführt.

Es kann nun zwar nicht geleugnet werden, daß bei dieser Vertauschung
Begehr uach gutem inländischen Getreide und daher auch eine Preissteigerung für
dieses Getreide zunächst eintreten würde. Die Preissteigerung würde aber sehr bald
darin eine Grenze finden, daß der inländische Verbrauch durch das zuströmende
ausländische schlechte Getreide befriedigt wäre, und weitere Massen solchen Ge¬
treides nicht mehr im Inlande Verwendung fänden. Die Preissteigerung würde
auch abhängen von dem Verdienste des Händlers, der den Löwenanteil jeden¬
falls für sich in Anspruch nähme, könnte daher niemals beträchtlich sein.

Diesen Umständen ist es wohl zuzuschreiben, daß der Vorschlag, bei den
Transitlagern den Nachweis der Identität aufzuheben, im Reichstage geringen
Anklang gefunden hat und nur von Abgeordneten empfohlen worden ist, die
den Handelsinteressen näher als den landwirtschaftlichen stehen, nämlich dem
Freiherrn von Heereman (Zentrum) und den Abgeordneten Hoffmann und
Rickert. den Vertretern der Handelsinteressen Königsbergs und Danzigs. Bei


Gstprenßen und die Gotreidezölle

an der Identität des trausitireuden Getreides scheint eine überflüssige und un¬
nötig strenge Maßregel zu sein. Sie ist dieses in Wirklichkeit nicht. Denn
das ausländische, insbesondre das russische Getreide ist oft sehr schlecht, unrein,
ausgewachsen, feucht, letzteres namentlich wenn es zu Wasser in den Seehäfen
Königsberg, Danzig, Memel ankommt. Die Getreidehäudler der Seehäfen
haben von jeher darum gebeten, das ausländische schlechte Getreide mit dem
guten inländischen mischen und in dieser Mischung ausführen zu dürfen. Die
Aufhebung des Identitätsnachweises stellt eine weitere Folge desselben Ver¬
langens dar. Das gute inländische Getreide soll durch diese Vertauschung aus¬
ländisches Transitgetreide, das schlechte ausländische soll inländisches Getreide
werden. Das bedeutet die Aufhebung des Identitätsnachweises. Was würde
der Erfolg dieser Maßregel sein?

Der Getreidehändler im Seehafen würde das gute inländische Getreide
gern kaufen, weil er weiß, daß er es im Auslande besser verkaufen kann. Es
lohnt diesem Händler auch uicht, auf das ursprüugliche ausländische Transit¬
getreide, das nach Aufhebung der Identität inländisches Getreide geworden ist,
noch weitere Kosten, namentlich der Verladung und des Transports, zu ver¬
wenden, er würde sich vielmehr bemühen, dieses minderwertige Getreide zunächst
im Inlande zu verkaufen, wodurch die Preise gedrückt werden. Dieser Preis¬
druck trifft zunächst das inländische schlechte Produkt, und wehe dein nord¬
deutschen Landwirt, dessen Getreide zufällig durch Rost, Auswuchs u. s. w.
gelitten hat. Solches Getreide würde unverkäuflich sein. Denn die Umgegend
jedes Seehafens würde der Sammelplatz alles schlechten ausländische» Getreides
werden, das ans den weitesten Fernen dorthin gebracht werden würde, und
ungesundes, schlechtes Brot im Julcinde die weitere Folge dieser Maßregel sein.
Je schlechter das ausländische Transitgetreide war, desto mehr verdient der
Händler, wenn er an Stelle desselben gutes inländisches Getreide ausführt.

Es kann nun zwar nicht geleugnet werden, daß bei dieser Vertauschung
Begehr uach gutem inländischen Getreide und daher auch eine Preissteigerung für
dieses Getreide zunächst eintreten würde. Die Preissteigerung würde aber sehr bald
darin eine Grenze finden, daß der inländische Verbrauch durch das zuströmende
ausländische schlechte Getreide befriedigt wäre, und weitere Massen solchen Ge¬
treides nicht mehr im Inlande Verwendung fänden. Die Preissteigerung würde
auch abhängen von dem Verdienste des Händlers, der den Löwenanteil jeden¬
falls für sich in Anspruch nähme, könnte daher niemals beträchtlich sein.

Diesen Umständen ist es wohl zuzuschreiben, daß der Vorschlag, bei den
Transitlagern den Nachweis der Identität aufzuheben, im Reichstage geringen
Anklang gefunden hat und nur von Abgeordneten empfohlen worden ist, die
den Handelsinteressen näher als den landwirtschaftlichen stehen, nämlich dem
Freiherrn von Heereman (Zentrum) und den Abgeordneten Hoffmann und
Rickert. den Vertretern der Handelsinteressen Königsbergs und Danzigs. Bei


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[0588] Gstprenßen und die Gotreidezölle an der Identität des trausitireuden Getreides scheint eine überflüssige und un¬ nötig strenge Maßregel zu sein. Sie ist dieses in Wirklichkeit nicht. Denn das ausländische, insbesondre das russische Getreide ist oft sehr schlecht, unrein, ausgewachsen, feucht, letzteres namentlich wenn es zu Wasser in den Seehäfen Königsberg, Danzig, Memel ankommt. Die Getreidehäudler der Seehäfen haben von jeher darum gebeten, das ausländische schlechte Getreide mit dem guten inländischen mischen und in dieser Mischung ausführen zu dürfen. Die Aufhebung des Identitätsnachweises stellt eine weitere Folge desselben Ver¬ langens dar. Das gute inländische Getreide soll durch diese Vertauschung aus¬ ländisches Transitgetreide, das schlechte ausländische soll inländisches Getreide werden. Das bedeutet die Aufhebung des Identitätsnachweises. Was würde der Erfolg dieser Maßregel sein? Der Getreidehändler im Seehafen würde das gute inländische Getreide gern kaufen, weil er weiß, daß er es im Auslande besser verkaufen kann. Es lohnt diesem Händler auch uicht, auf das ursprüugliche ausländische Transit¬ getreide, das nach Aufhebung der Identität inländisches Getreide geworden ist, noch weitere Kosten, namentlich der Verladung und des Transports, zu ver¬ wenden, er würde sich vielmehr bemühen, dieses minderwertige Getreide zunächst im Inlande zu verkaufen, wodurch die Preise gedrückt werden. Dieser Preis¬ druck trifft zunächst das inländische schlechte Produkt, und wehe dein nord¬ deutschen Landwirt, dessen Getreide zufällig durch Rost, Auswuchs u. s. w. gelitten hat. Solches Getreide würde unverkäuflich sein. Denn die Umgegend jedes Seehafens würde der Sammelplatz alles schlechten ausländische» Getreides werden, das ans den weitesten Fernen dorthin gebracht werden würde, und ungesundes, schlechtes Brot im Julcinde die weitere Folge dieser Maßregel sein. Je schlechter das ausländische Transitgetreide war, desto mehr verdient der Händler, wenn er an Stelle desselben gutes inländisches Getreide ausführt. Es kann nun zwar nicht geleugnet werden, daß bei dieser Vertauschung Begehr uach gutem inländischen Getreide und daher auch eine Preissteigerung für dieses Getreide zunächst eintreten würde. Die Preissteigerung würde aber sehr bald darin eine Grenze finden, daß der inländische Verbrauch durch das zuströmende ausländische schlechte Getreide befriedigt wäre, und weitere Massen solchen Ge¬ treides nicht mehr im Inlande Verwendung fänden. Die Preissteigerung würde auch abhängen von dem Verdienste des Händlers, der den Löwenanteil jeden¬ falls für sich in Anspruch nähme, könnte daher niemals beträchtlich sein. Diesen Umständen ist es wohl zuzuschreiben, daß der Vorschlag, bei den Transitlagern den Nachweis der Identität aufzuheben, im Reichstage geringen Anklang gefunden hat und nur von Abgeordneten empfohlen worden ist, die den Handelsinteressen näher als den landwirtschaftlichen stehen, nämlich dem Freiherrn von Heereman (Zentrum) und den Abgeordneten Hoffmann und Rickert. den Vertretern der Handelsinteressen Königsbergs und Danzigs. Bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/588>, abgerufen am 05.02.2025.