Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Historische Ausstellung deutscher Gral>stichelarl>eilen im Berliner Uupferstichknlnuet

die flandrische" Einflüsse, unter denen er sich als Maler entwickelte, wir sind
anch über den weiten Wirkungskreis seiner Schule aufgeklärt. Hier handelt
es sich uur darum, seine Stellung in der Geschichte des Kupferstichs in knappen
Züge" zu schildern.

Da keiner von Schvnganers Stichen eine Jahreszahl trägt, so sind wir
vorzugsweise auf die Beobachtung seiner technischen Fortschritte angewiesen,
wenn wir uns seine Entwicklung als Kupferstecher klar machen wollen. Da
sei es denn zunächst gestattet, auf die Technik seiner Vorläufer einen kurzen
Blick zu werfe", ehe Nur uns seinen eignen Versuchen und Errungenschaften auf
diesem Gebiete zuwenden. Die Unsicherheit und Unbeholfenheit der ältern Stecher
des fünfzehnten Jahrhunderts beruht zum großen Teil auf ihrer Abhängigkeit
von den Gesetzen der Gvldschmiedetechnik des Grnvirens. Bei dem Graviren von
Metallgerät oder Metallschinnckstücken handelt es sich in erster Linie um Flächen¬
ornamentik, die von jeder räumlichen Vertiefung oder plastischen Mvdellirnng der
Darstellung dnrch zeichneusche Mittel absieht. Die selbständige bildliche Darstellung
des Kupferstiches fordert dagegen eine solche Belebung der Zeichnung und erreicht
sie dnrch die Abtönung der verschiednen Gründe und Schattengebung der ein¬
zelnen Teile dnrch Schrnffirnng. Gerade in dieser letzter!: zeigen sich aber die
ältesten Goldschmiedstecher befangen und unbeholfen. Bald verwirren sich die
willkürlichen Strichlagen in den Schatten, bald sind diese ganz unvermittelt
und unverstanden neben die Lichter gestellt, bald wird der Künstler, wie z. B.
der in der Ausstellung leider nicht vertretene Nürnberger "Meister des Heiligen
Erasmus," in dem Bestreben, Regelmäßigkeit in die Strichlagen zu bringen,
trocken und steif: kurz, das technische Vermögen und die künstlerische Absicht,
wo überhaupt von eiuer solchen die Rede sein kann, stehen noch nicht in jenen"
glücklichen Verhältnis zu einander, das einen wirklichen künstlerischen Erfolg
verbürgt.

Schongauer, der nnßer in der Gvldschmiedetechnik, ans deren Ausübung
uns viele seiner Entwürfe hinweisen, auch als Maler hervorragendes leistete,
stand den Aufgaben der bildlichen Darstellung von vornherein sicherer gegen¬
über und entwickelte an ihnen eine seine Zeitgenossen weit überflügelnde Technik.
Das früheste der ausgestellten Blätter seines "Werth," die von zwei Engeln
gekrönte Madonna -- von Wnrzbach mit Unrecht für eine Fälscherkopie
gehalten --, zeigt uns in den Gesichtszügen, der Marin sowohl wie der Engel,
Schongauers enge Anlehnung an den Hauptmeister der Vrabanter Malerschule,
Roger van der Weydeu, dessen Schiller er nach einer Nachricht des Lambert
Lombard gewesen sein soll; auch technisch steht sie den Arbeiten seiner Vor¬
gänger, namentlich des Meisters E. S., am nächsten, ebenso die große Geburt
Christi und die Versuchung des heiligen Antonius, el" Blatt, das nach Condivis
Erzählung de" jttnge" Buonarroti dnrch seine Phmitastik dermaßen fesselte,
daß er es mit größtem Eifer in Farbe" "achbildete. Bereits a"f der Höhe


Historische Ausstellung deutscher Gral>stichelarl>eilen im Berliner Uupferstichknlnuet

die flandrische» Einflüsse, unter denen er sich als Maler entwickelte, wir sind
anch über den weiten Wirkungskreis seiner Schule aufgeklärt. Hier handelt
es sich uur darum, seine Stellung in der Geschichte des Kupferstichs in knappen
Züge» zu schildern.

Da keiner von Schvnganers Stichen eine Jahreszahl trägt, so sind wir
vorzugsweise auf die Beobachtung seiner technischen Fortschritte angewiesen,
wenn wir uns seine Entwicklung als Kupferstecher klar machen wollen. Da
sei es denn zunächst gestattet, auf die Technik seiner Vorläufer einen kurzen
Blick zu werfe», ehe Nur uns seinen eignen Versuchen und Errungenschaften auf
diesem Gebiete zuwenden. Die Unsicherheit und Unbeholfenheit der ältern Stecher
des fünfzehnten Jahrhunderts beruht zum großen Teil auf ihrer Abhängigkeit
von den Gesetzen der Gvldschmiedetechnik des Grnvirens. Bei dem Graviren von
Metallgerät oder Metallschinnckstücken handelt es sich in erster Linie um Flächen¬
ornamentik, die von jeder räumlichen Vertiefung oder plastischen Mvdellirnng der
Darstellung dnrch zeichneusche Mittel absieht. Die selbständige bildliche Darstellung
des Kupferstiches fordert dagegen eine solche Belebung der Zeichnung und erreicht
sie dnrch die Abtönung der verschiednen Gründe und Schattengebung der ein¬
zelnen Teile dnrch Schrnffirnng. Gerade in dieser letzter!: zeigen sich aber die
ältesten Goldschmiedstecher befangen und unbeholfen. Bald verwirren sich die
willkürlichen Strichlagen in den Schatten, bald sind diese ganz unvermittelt
und unverstanden neben die Lichter gestellt, bald wird der Künstler, wie z. B.
der in der Ausstellung leider nicht vertretene Nürnberger „Meister des Heiligen
Erasmus," in dem Bestreben, Regelmäßigkeit in die Strichlagen zu bringen,
trocken und steif: kurz, das technische Vermögen und die künstlerische Absicht,
wo überhaupt von eiuer solchen die Rede sein kann, stehen noch nicht in jenen«
glücklichen Verhältnis zu einander, das einen wirklichen künstlerischen Erfolg
verbürgt.

Schongauer, der nnßer in der Gvldschmiedetechnik, ans deren Ausübung
uns viele seiner Entwürfe hinweisen, auch als Maler hervorragendes leistete,
stand den Aufgaben der bildlichen Darstellung von vornherein sicherer gegen¬
über und entwickelte an ihnen eine seine Zeitgenossen weit überflügelnde Technik.
Das früheste der ausgestellten Blätter seines „Werth," die von zwei Engeln
gekrönte Madonna — von Wnrzbach mit Unrecht für eine Fälscherkopie
gehalten —, zeigt uns in den Gesichtszügen, der Marin sowohl wie der Engel,
Schongauers enge Anlehnung an den Hauptmeister der Vrabanter Malerschule,
Roger van der Weydeu, dessen Schiller er nach einer Nachricht des Lambert
Lombard gewesen sein soll; auch technisch steht sie den Arbeiten seiner Vor¬
gänger, namentlich des Meisters E. S., am nächsten, ebenso die große Geburt
Christi und die Versuchung des heiligen Antonius, el» Blatt, das nach Condivis
Erzählung de» jttnge» Buonarroti dnrch seine Phmitastik dermaßen fesselte,
daß er es mit größtem Eifer in Farbe» »achbildete. Bereits a»f der Höhe


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205253"/>
          <fw type="header" place="top"> Historische Ausstellung deutscher Gral&gt;stichelarl&gt;eilen im Berliner Uupferstichknlnuet</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1455" prev="#ID_1454"> die flandrische» Einflüsse, unter denen er sich als Maler entwickelte, wir sind<lb/>
anch über den weiten Wirkungskreis seiner Schule aufgeklärt. Hier handelt<lb/>
es sich uur darum, seine Stellung in der Geschichte des Kupferstichs in knappen<lb/>
Züge» zu schildern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1456"> Da keiner von Schvnganers Stichen eine Jahreszahl trägt, so sind wir<lb/>
vorzugsweise auf die Beobachtung seiner technischen Fortschritte angewiesen,<lb/>
wenn wir uns seine Entwicklung als Kupferstecher klar machen wollen. Da<lb/>
sei es denn zunächst gestattet, auf die Technik seiner Vorläufer einen kurzen<lb/>
Blick zu werfe», ehe Nur uns seinen eignen Versuchen und Errungenschaften auf<lb/>
diesem Gebiete zuwenden. Die Unsicherheit und Unbeholfenheit der ältern Stecher<lb/>
des fünfzehnten Jahrhunderts beruht zum großen Teil auf ihrer Abhängigkeit<lb/>
von den Gesetzen der Gvldschmiedetechnik des Grnvirens. Bei dem Graviren von<lb/>
Metallgerät oder Metallschinnckstücken handelt es sich in erster Linie um Flächen¬<lb/>
ornamentik, die von jeder räumlichen Vertiefung oder plastischen Mvdellirnng der<lb/>
Darstellung dnrch zeichneusche Mittel absieht. Die selbständige bildliche Darstellung<lb/>
des Kupferstiches fordert dagegen eine solche Belebung der Zeichnung und erreicht<lb/>
sie dnrch die Abtönung der verschiednen Gründe und Schattengebung der ein¬<lb/>
zelnen Teile dnrch Schrnffirnng. Gerade in dieser letzter!: zeigen sich aber die<lb/>
ältesten Goldschmiedstecher befangen und unbeholfen. Bald verwirren sich die<lb/>
willkürlichen Strichlagen in den Schatten, bald sind diese ganz unvermittelt<lb/>
und unverstanden neben die Lichter gestellt, bald wird der Künstler, wie z. B.<lb/>
der in der Ausstellung leider nicht vertretene Nürnberger &#x201E;Meister des Heiligen<lb/>
Erasmus," in dem Bestreben, Regelmäßigkeit in die Strichlagen zu bringen,<lb/>
trocken und steif: kurz, das technische Vermögen und die künstlerische Absicht,<lb/>
wo überhaupt von eiuer solchen die Rede sein kann, stehen noch nicht in jenen«<lb/>
glücklichen Verhältnis zu einander, das einen wirklichen künstlerischen Erfolg<lb/>
verbürgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1457" next="#ID_1458"> Schongauer, der nnßer in der Gvldschmiedetechnik, ans deren Ausübung<lb/>
uns viele seiner Entwürfe hinweisen, auch als Maler hervorragendes leistete,<lb/>
stand den Aufgaben der bildlichen Darstellung von vornherein sicherer gegen¬<lb/>
über und entwickelte an ihnen eine seine Zeitgenossen weit überflügelnde Technik.<lb/>
Das früheste der ausgestellten Blätter seines &#x201E;Werth," die von zwei Engeln<lb/>
gekrönte Madonna &#x2014; von Wnrzbach mit Unrecht für eine Fälscherkopie<lb/>
gehalten &#x2014;, zeigt uns in den Gesichtszügen, der Marin sowohl wie der Engel,<lb/>
Schongauers enge Anlehnung an den Hauptmeister der Vrabanter Malerschule,<lb/>
Roger van der Weydeu, dessen Schiller er nach einer Nachricht des Lambert<lb/>
Lombard gewesen sein soll; auch technisch steht sie den Arbeiten seiner Vor¬<lb/>
gänger, namentlich des Meisters E. S., am nächsten, ebenso die große Geburt<lb/>
Christi und die Versuchung des heiligen Antonius, el» Blatt, das nach Condivis<lb/>
Erzählung de» jttnge» Buonarroti dnrch seine Phmitastik dermaßen fesselte,<lb/>
daß er es mit größtem Eifer in Farbe» »achbildete.  Bereits a»f der Höhe</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0522] Historische Ausstellung deutscher Gral>stichelarl>eilen im Berliner Uupferstichknlnuet die flandrische» Einflüsse, unter denen er sich als Maler entwickelte, wir sind anch über den weiten Wirkungskreis seiner Schule aufgeklärt. Hier handelt es sich uur darum, seine Stellung in der Geschichte des Kupferstichs in knappen Züge» zu schildern. Da keiner von Schvnganers Stichen eine Jahreszahl trägt, so sind wir vorzugsweise auf die Beobachtung seiner technischen Fortschritte angewiesen, wenn wir uns seine Entwicklung als Kupferstecher klar machen wollen. Da sei es denn zunächst gestattet, auf die Technik seiner Vorläufer einen kurzen Blick zu werfe», ehe Nur uns seinen eignen Versuchen und Errungenschaften auf diesem Gebiete zuwenden. Die Unsicherheit und Unbeholfenheit der ältern Stecher des fünfzehnten Jahrhunderts beruht zum großen Teil auf ihrer Abhängigkeit von den Gesetzen der Gvldschmiedetechnik des Grnvirens. Bei dem Graviren von Metallgerät oder Metallschinnckstücken handelt es sich in erster Linie um Flächen¬ ornamentik, die von jeder räumlichen Vertiefung oder plastischen Mvdellirnng der Darstellung dnrch zeichneusche Mittel absieht. Die selbständige bildliche Darstellung des Kupferstiches fordert dagegen eine solche Belebung der Zeichnung und erreicht sie dnrch die Abtönung der verschiednen Gründe und Schattengebung der ein¬ zelnen Teile dnrch Schrnffirnng. Gerade in dieser letzter!: zeigen sich aber die ältesten Goldschmiedstecher befangen und unbeholfen. Bald verwirren sich die willkürlichen Strichlagen in den Schatten, bald sind diese ganz unvermittelt und unverstanden neben die Lichter gestellt, bald wird der Künstler, wie z. B. der in der Ausstellung leider nicht vertretene Nürnberger „Meister des Heiligen Erasmus," in dem Bestreben, Regelmäßigkeit in die Strichlagen zu bringen, trocken und steif: kurz, das technische Vermögen und die künstlerische Absicht, wo überhaupt von eiuer solchen die Rede sein kann, stehen noch nicht in jenen« glücklichen Verhältnis zu einander, das einen wirklichen künstlerischen Erfolg verbürgt. Schongauer, der nnßer in der Gvldschmiedetechnik, ans deren Ausübung uns viele seiner Entwürfe hinweisen, auch als Maler hervorragendes leistete, stand den Aufgaben der bildlichen Darstellung von vornherein sicherer gegen¬ über und entwickelte an ihnen eine seine Zeitgenossen weit überflügelnde Technik. Das früheste der ausgestellten Blätter seines „Werth," die von zwei Engeln gekrönte Madonna — von Wnrzbach mit Unrecht für eine Fälscherkopie gehalten —, zeigt uns in den Gesichtszügen, der Marin sowohl wie der Engel, Schongauers enge Anlehnung an den Hauptmeister der Vrabanter Malerschule, Roger van der Weydeu, dessen Schiller er nach einer Nachricht des Lambert Lombard gewesen sein soll; auch technisch steht sie den Arbeiten seiner Vor¬ gänger, namentlich des Meisters E. S., am nächsten, ebenso die große Geburt Christi und die Versuchung des heiligen Antonius, el» Blatt, das nach Condivis Erzählung de» jttnge» Buonarroti dnrch seine Phmitastik dermaßen fesselte, daß er es mit größtem Eifer in Farbe» »achbildete. Bereits a»f der Höhe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/522
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/522>, abgerufen am 05.02.2025.