Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.historische Ausstellung deutscher Grubstichelarbeiten im Berliner Kupferstichkabinet seines Schaffens sehen wir den Meister in der großen Kreuztragung, einer der Daß Schongauers Können mit den wenigen hier besprochenen Leistungen historische Ausstellung deutscher Grubstichelarbeiten im Berliner Kupferstichkabinet seines Schaffens sehen wir den Meister in der großen Kreuztragung, einer der Daß Schongauers Können mit den wenigen hier besprochenen Leistungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205254"/> <fw type="header" place="top"> historische Ausstellung deutscher Grubstichelarbeiten im Berliner Kupferstichkabinet</fw><lb/> <p xml:id="ID_1458" prev="#ID_1457"> seines Schaffens sehen wir den Meister in der großen Kreuztragung, einer der<lb/> gewaltigsten Schöpfungen der Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts überhaupt,<lb/> die man trotz technischer Erwägungen immer wieder an das Ende der Thätig¬<lb/> keit Schouganers zu setzen versucht ist. Volle Beherrschung des Stoffes wie<lb/> der künstlerischen Mittel, eine Vertiefung des erstern durch eine geradezu<lb/> epochemachende dramatische Auffassung und Stimmung des Vorganges, den die<lb/> Mehrzahl der Zeitgenossen als ein rohes Schauspiel zu sehen gewohnt war,<lb/> dies sind in wenigen Worten die Eigenschaften, die Schongauers Leistung auf<lb/> jene Höhe heben, welche uns den Schöpfer des Blattes als gereiften Meister<lb/> denken lassen. Und doch nötigen nus Einzelheiten in der ModeUirung, das Blatt<lb/> vor die Passiousfvlge, ans der zwei Szenen mit ausgestellt sind, anzusetzen:<lb/> a» die Stelle der einfachen, lockeren Schmffirung mit kleinen Häkchen ist hier<lb/> nämlich die Krenzschrnffirung getreten, die bereits mit großer Sicherheit gehand¬<lb/> habt wird. Der letzten Periode seiner Thätigkeit gehört dann die große Kreu¬<lb/> zigung, ein Hauptblntt des Meisters, und die „Madonna im Hofe" an, die sich<lb/> durch eine merkwürdige Klarheit und idyllische Ruhe der Komposition auszeichnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1459" next="#ID_1460"> Daß Schongauers Können mit den wenigen hier besprochenen Leistungen<lb/> irgendwie erschöpft sei, wird niemand einfallen zu glauben — ein ganzer<lb/> Zweig mich nur seiner Thätigkeit als Stecher, der Ornamentstich, ist in der<lb/> Ausstellung so gut wie gar nicht vertreten —, aber auch die vorhandene Aus¬<lb/> wahl seiner Arbeiten genügt, um seine tonangebende Bedeutung für die Ent¬<lb/> wickln ng des Kupferstichs im fünfzehnten Jahrhundert zu kennzeichnen. Fast<lb/> alle die technisch teilweise hervorragenden Stecher der Zeit lehnen sich eng an<lb/> seine Werke an, viele kopiren ihn direkt in betrügerischer Absicht kebel der Aus¬<lb/> wahl der Stiche für die Ausstellung sind begreiflicherweise diese Kopien unbe¬<lb/> rücksichtigt geblieben), andre, wie z. B. der Meister A. G. in seiner Kreuzigung,<lb/> stehen unwillkürlich unter dem Banne Schonganerischer Fvrmennuffassung und<lb/> Kompositionsweise. Die nach unsern Begriffen etwas freibeuterische Art, in<lb/> der man sich die künstlerischen Errungenschaften andrer im fünfzehnten Jahr¬<lb/> hundert zu eigen zu machen pflegte, war wohl mit ein Grund für die Ein¬<lb/> führung jener Schutzmarke« oder Mottogramme, nach denen wir eine große Zahl<lb/> der namenlosen Stecher dieser Zeit zu nennen pflegen. So setzte ein nieder¬<lb/> deutscher Meister ans die Erzeugnisse seiner Werkstatt das Zeichen V. IZ.,<lb/> was mau als Franz von Bocholt zu deuten für gut gefunden hat, womit man<lb/> zugleich für teil ebenfalls in Bocholt thätigen Jsrahel von Meckeuem einen<lb/> Passenden Lehrer fand. Meckeuem, dessen Stiche — man beachte namentlich<lb/> den auch trachtengeschichtlich interessanten Tanz der Hervdins — eine nicht<lb/> geringe technische Gewandtheit verraten, war gleich der Mehrzahl der zeitge¬<lb/> nössischen Stecher vorzugsweise als Kopist thätig: die Werke des Meisters E. S.,<lb/> Martin Schongauers und Albrecht Dürers mußten seiner Erfindungskraft zu<lb/> Hilfe kommen. In Norddeutsch land — wenn nicht in Holland — war wohl</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0523]
historische Ausstellung deutscher Grubstichelarbeiten im Berliner Kupferstichkabinet
seines Schaffens sehen wir den Meister in der großen Kreuztragung, einer der
gewaltigsten Schöpfungen der Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts überhaupt,
die man trotz technischer Erwägungen immer wieder an das Ende der Thätig¬
keit Schouganers zu setzen versucht ist. Volle Beherrschung des Stoffes wie
der künstlerischen Mittel, eine Vertiefung des erstern durch eine geradezu
epochemachende dramatische Auffassung und Stimmung des Vorganges, den die
Mehrzahl der Zeitgenossen als ein rohes Schauspiel zu sehen gewohnt war,
dies sind in wenigen Worten die Eigenschaften, die Schongauers Leistung auf
jene Höhe heben, welche uns den Schöpfer des Blattes als gereiften Meister
denken lassen. Und doch nötigen nus Einzelheiten in der ModeUirung, das Blatt
vor die Passiousfvlge, ans der zwei Szenen mit ausgestellt sind, anzusetzen:
a» die Stelle der einfachen, lockeren Schmffirung mit kleinen Häkchen ist hier
nämlich die Krenzschrnffirung getreten, die bereits mit großer Sicherheit gehand¬
habt wird. Der letzten Periode seiner Thätigkeit gehört dann die große Kreu¬
zigung, ein Hauptblntt des Meisters, und die „Madonna im Hofe" an, die sich
durch eine merkwürdige Klarheit und idyllische Ruhe der Komposition auszeichnet.
Daß Schongauers Können mit den wenigen hier besprochenen Leistungen
irgendwie erschöpft sei, wird niemand einfallen zu glauben — ein ganzer
Zweig mich nur seiner Thätigkeit als Stecher, der Ornamentstich, ist in der
Ausstellung so gut wie gar nicht vertreten —, aber auch die vorhandene Aus¬
wahl seiner Arbeiten genügt, um seine tonangebende Bedeutung für die Ent¬
wickln ng des Kupferstichs im fünfzehnten Jahrhundert zu kennzeichnen. Fast
alle die technisch teilweise hervorragenden Stecher der Zeit lehnen sich eng an
seine Werke an, viele kopiren ihn direkt in betrügerischer Absicht kebel der Aus¬
wahl der Stiche für die Ausstellung sind begreiflicherweise diese Kopien unbe¬
rücksichtigt geblieben), andre, wie z. B. der Meister A. G. in seiner Kreuzigung,
stehen unwillkürlich unter dem Banne Schonganerischer Fvrmennuffassung und
Kompositionsweise. Die nach unsern Begriffen etwas freibeuterische Art, in
der man sich die künstlerischen Errungenschaften andrer im fünfzehnten Jahr¬
hundert zu eigen zu machen pflegte, war wohl mit ein Grund für die Ein¬
führung jener Schutzmarke« oder Mottogramme, nach denen wir eine große Zahl
der namenlosen Stecher dieser Zeit zu nennen pflegen. So setzte ein nieder¬
deutscher Meister ans die Erzeugnisse seiner Werkstatt das Zeichen V. IZ.,
was mau als Franz von Bocholt zu deuten für gut gefunden hat, womit man
zugleich für teil ebenfalls in Bocholt thätigen Jsrahel von Meckeuem einen
Passenden Lehrer fand. Meckeuem, dessen Stiche — man beachte namentlich
den auch trachtengeschichtlich interessanten Tanz der Hervdins — eine nicht
geringe technische Gewandtheit verraten, war gleich der Mehrzahl der zeitge¬
nössischen Stecher vorzugsweise als Kopist thätig: die Werke des Meisters E. S.,
Martin Schongauers und Albrecht Dürers mußten seiner Erfindungskraft zu
Hilfe kommen. In Norddeutsch land — wenn nicht in Holland — war wohl
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