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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Neue Erzählungen

der Erzähler den engen Rahmen seines Familienkreises, als er die Wirkung
der Attentate Hotels und Nvbilings ans das Leben des greisen Kaisers
Wilhelm schildert; das sind auch wirkungsvolle Bilder.

Es sind die zwei Familien des Geheimrath Jllieius und des Amerikaners
Curtis (einer Art von Sonnenkamp aus Auerbachs "Landhaus am Rhein"),
die uns in diesem Roman beschäftigen. Jllieius ist ein Jugendfreund und
Gesinnungsgenosse von Smith-Alten bis zum Jahre Achtundvierzig gewesen.
Nach dem Scheitern der Revolution ist er aber nicht wie jener nach Amerika
geflohen, sondern Mitbegründer der "Kreuzzeitung" geworden. Nach diesem
politischen Farbenwechsel hat er alle Rangstufen bis zum Geheimrat im
Ministerium erstiegen. Er hat aber eine Schlechtigkeit an Alten begangen.
Dieser hat nach seiner Flucht sein großes Vermögen ohne weitern Vorbehalt
seiner Frau hinterlassen, die sich dann von dein in o0no1ng.olu.1n zum
Tode verurteilten Manne hat scheiden lassen, um Jllicius zu heiraten, der
seinerseits sich wegen der Aldenschen Millionen von seiner bis dahin geliebten
und liebevollen Frau hartherzig und rücksichtslos getrennt hat. Nun, zur
Zeit der Handlung des Romans selbst, ist aber der Stern des Jllieins im
Verbleichen. Die leichtsinnige Geldwirtschaft seiner Fran, seines Schwieger¬
sohnes Egon, seines eignen Sohnes Ncginald, der Offizier ist, hat seine
Mittel erschöpft. Deshalb setzt er sich mit dem soeben in Berlin aufgetauchten
Amerikaner Curtis in Verbindung, der ihm zu raschem Börsengewinn verhelfen
soll. Curtis, der in Amerika nach einander Sklavenhändler, Goldgräber,
Nktienschwindler gewesen ist, sogar Menschenleben auf dem Gewissen hat, und
sich drüben nicht mehr sicher gefühlt hat, ist nach Berlin gekommen, um
schwindelhaste Aktien zu verkaufen. Der Schwindel gelingt, er gewinnt eine
Million, und kurz vor der Entdeckung läuft Curtis bei Nacht und Nebel davon.
Das ganze Vermögen des Jllieins ist in den Curtisschen Aktien angelegt und
droht verloren zu gehen. Zum Glück hat der ältere Sohn Herbert, Hilfsarbeiter
im Ministerium des Äußern, ein kluger politischer Kopf, nüchtern in seinem strengen
Gerechtigkeitsgefühl, zur rechten Zeit noch die Curtisschen Aktien losgeschlagen und
so das väterliche Vermögen gerettet. Aber die Stellung des Geheimrath ist doch
erschüttert, weil man von seinem Geschäft im Amte erfahren hat, und als er
eine Regierungsvorlage nicht nach der Gesinnung der Regierung vertritt, wird
er kurzer Hand verabschiedet. Das trifft ihn so hart, daß er einen Schlag¬
anfall bekommt, der ihn auch körperlich lähmt.

Jllieins steht übrigens während der ganzen Geschichte im Hintergrunde,
gewinnt uns also gar keine persönliche Teilnahme ab. Vorn auf der Bühne
stehen die verliebten jungen Leute der Rvmanhandluug, deren eigentlicher
Demiurgos der alte Republikaner Smith ist. Er hat nämlich bei seiner Flucht
eine Tochter hinterlassen, Marie von Alten, die der gute Geist der Familie
Jllieins ist, aber wie ein Aschenbrödel von ihr behandelt wird. Diese Marie


Neue Erzählungen

der Erzähler den engen Rahmen seines Familienkreises, als er die Wirkung
der Attentate Hotels und Nvbilings ans das Leben des greisen Kaisers
Wilhelm schildert; das sind auch wirkungsvolle Bilder.

Es sind die zwei Familien des Geheimrath Jllieius und des Amerikaners
Curtis (einer Art von Sonnenkamp aus Auerbachs „Landhaus am Rhein"),
die uns in diesem Roman beschäftigen. Jllieius ist ein Jugendfreund und
Gesinnungsgenosse von Smith-Alten bis zum Jahre Achtundvierzig gewesen.
Nach dem Scheitern der Revolution ist er aber nicht wie jener nach Amerika
geflohen, sondern Mitbegründer der „Kreuzzeitung" geworden. Nach diesem
politischen Farbenwechsel hat er alle Rangstufen bis zum Geheimrat im
Ministerium erstiegen. Er hat aber eine Schlechtigkeit an Alten begangen.
Dieser hat nach seiner Flucht sein großes Vermögen ohne weitern Vorbehalt
seiner Frau hinterlassen, die sich dann von dein in o0no1ng.olu.1n zum
Tode verurteilten Manne hat scheiden lassen, um Jllicius zu heiraten, der
seinerseits sich wegen der Aldenschen Millionen von seiner bis dahin geliebten
und liebevollen Frau hartherzig und rücksichtslos getrennt hat. Nun, zur
Zeit der Handlung des Romans selbst, ist aber der Stern des Jllieins im
Verbleichen. Die leichtsinnige Geldwirtschaft seiner Fran, seines Schwieger¬
sohnes Egon, seines eignen Sohnes Ncginald, der Offizier ist, hat seine
Mittel erschöpft. Deshalb setzt er sich mit dem soeben in Berlin aufgetauchten
Amerikaner Curtis in Verbindung, der ihm zu raschem Börsengewinn verhelfen
soll. Curtis, der in Amerika nach einander Sklavenhändler, Goldgräber,
Nktienschwindler gewesen ist, sogar Menschenleben auf dem Gewissen hat, und
sich drüben nicht mehr sicher gefühlt hat, ist nach Berlin gekommen, um
schwindelhaste Aktien zu verkaufen. Der Schwindel gelingt, er gewinnt eine
Million, und kurz vor der Entdeckung läuft Curtis bei Nacht und Nebel davon.
Das ganze Vermögen des Jllieins ist in den Curtisschen Aktien angelegt und
droht verloren zu gehen. Zum Glück hat der ältere Sohn Herbert, Hilfsarbeiter
im Ministerium des Äußern, ein kluger politischer Kopf, nüchtern in seinem strengen
Gerechtigkeitsgefühl, zur rechten Zeit noch die Curtisschen Aktien losgeschlagen und
so das väterliche Vermögen gerettet. Aber die Stellung des Geheimrath ist doch
erschüttert, weil man von seinem Geschäft im Amte erfahren hat, und als er
eine Regierungsvorlage nicht nach der Gesinnung der Regierung vertritt, wird
er kurzer Hand verabschiedet. Das trifft ihn so hart, daß er einen Schlag¬
anfall bekommt, der ihn auch körperlich lähmt.

Jllieins steht übrigens während der ganzen Geschichte im Hintergrunde,
gewinnt uns also gar keine persönliche Teilnahme ab. Vorn auf der Bühne
stehen die verliebten jungen Leute der Rvmanhandluug, deren eigentlicher
Demiurgos der alte Republikaner Smith ist. Er hat nämlich bei seiner Flucht
eine Tochter hinterlassen, Marie von Alten, die der gute Geist der Familie
Jllieins ist, aber wie ein Aschenbrödel von ihr behandelt wird. Diese Marie


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[0476] Neue Erzählungen der Erzähler den engen Rahmen seines Familienkreises, als er die Wirkung der Attentate Hotels und Nvbilings ans das Leben des greisen Kaisers Wilhelm schildert; das sind auch wirkungsvolle Bilder. Es sind die zwei Familien des Geheimrath Jllieius und des Amerikaners Curtis (einer Art von Sonnenkamp aus Auerbachs „Landhaus am Rhein"), die uns in diesem Roman beschäftigen. Jllieius ist ein Jugendfreund und Gesinnungsgenosse von Smith-Alten bis zum Jahre Achtundvierzig gewesen. Nach dem Scheitern der Revolution ist er aber nicht wie jener nach Amerika geflohen, sondern Mitbegründer der „Kreuzzeitung" geworden. Nach diesem politischen Farbenwechsel hat er alle Rangstufen bis zum Geheimrat im Ministerium erstiegen. Er hat aber eine Schlechtigkeit an Alten begangen. Dieser hat nach seiner Flucht sein großes Vermögen ohne weitern Vorbehalt seiner Frau hinterlassen, die sich dann von dein in o0no1ng.olu.1n zum Tode verurteilten Manne hat scheiden lassen, um Jllicius zu heiraten, der seinerseits sich wegen der Aldenschen Millionen von seiner bis dahin geliebten und liebevollen Frau hartherzig und rücksichtslos getrennt hat. Nun, zur Zeit der Handlung des Romans selbst, ist aber der Stern des Jllieins im Verbleichen. Die leichtsinnige Geldwirtschaft seiner Fran, seines Schwieger¬ sohnes Egon, seines eignen Sohnes Ncginald, der Offizier ist, hat seine Mittel erschöpft. Deshalb setzt er sich mit dem soeben in Berlin aufgetauchten Amerikaner Curtis in Verbindung, der ihm zu raschem Börsengewinn verhelfen soll. Curtis, der in Amerika nach einander Sklavenhändler, Goldgräber, Nktienschwindler gewesen ist, sogar Menschenleben auf dem Gewissen hat, und sich drüben nicht mehr sicher gefühlt hat, ist nach Berlin gekommen, um schwindelhaste Aktien zu verkaufen. Der Schwindel gelingt, er gewinnt eine Million, und kurz vor der Entdeckung läuft Curtis bei Nacht und Nebel davon. Das ganze Vermögen des Jllieins ist in den Curtisschen Aktien angelegt und droht verloren zu gehen. Zum Glück hat der ältere Sohn Herbert, Hilfsarbeiter im Ministerium des Äußern, ein kluger politischer Kopf, nüchtern in seinem strengen Gerechtigkeitsgefühl, zur rechten Zeit noch die Curtisschen Aktien losgeschlagen und so das väterliche Vermögen gerettet. Aber die Stellung des Geheimrath ist doch erschüttert, weil man von seinem Geschäft im Amte erfahren hat, und als er eine Regierungsvorlage nicht nach der Gesinnung der Regierung vertritt, wird er kurzer Hand verabschiedet. Das trifft ihn so hart, daß er einen Schlag¬ anfall bekommt, der ihn auch körperlich lähmt. Jllieins steht übrigens während der ganzen Geschichte im Hintergrunde, gewinnt uns also gar keine persönliche Teilnahme ab. Vorn auf der Bühne stehen die verliebten jungen Leute der Rvmanhandluug, deren eigentlicher Demiurgos der alte Republikaner Smith ist. Er hat nämlich bei seiner Flucht eine Tochter hinterlassen, Marie von Alten, die der gute Geist der Familie Jllieins ist, aber wie ein Aschenbrödel von ihr behandelt wird. Diese Marie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/476>, abgerufen am 05.02.2025.