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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Elfe eidlich eins Wolfgang verzichtet und ihn, Sedlaezek, heiraten will. Um
das Leben des Geliebten zu retten, leistet Elfe diesen Schwur: eine mehr ge¬
schmacklose, als sentimentale Szene, die durch das, was folgt, nicht besser ge¬
macht wird. Kaum ist Sedlaezek sort, um Hilfe zu holen, so erscheint der Hallodri,
jener Strolch, der Wolfgang den Messerstich versetzt hat. Der Hallodri ist
ganz zerknirscht wegen seiner voreiligen Unthat; er hat schon das Zuchthaus
kennen gelernt. Nun erfährt er, daß Else sich mit Sedlaezek unwiderruflich
verlobt hat, und wird darob ganz wild. Das kann nicht sein, das darf er
nicht zugeben. Warum? Er kennt das Geheimnis von Sedlaczeks Geburt,
dieser und Else stammen nämlich von demselben deutschen Vater, sind also
Geschwister, können sich nicht heiraten. Aber anstatt es der verzagten und
verzweifelten Else in schlichter Weise mitzuteilen, wird der meuchelmörde-
rische Hallodri plötzlich so feinfühlig, die keusche Jungfrau mit so unsaubern
Thatsachen nicht bekannt machen zu wollen -- oder vielmehr, Hopfen fürchtete
sein Stück zu schnell geschlossen zu sehen; und nun beginnt eine unabsehbare
Reihe geschmackloser UnWahrscheinlichkeiten, bei denen man sich nur fragen
muß, wie der Dichter selbst seine Fehler nicht hat einsehen können. Der
Hallodri schreibt ans einen Zettel, der Wolfgang zugestellt werden soll, die
erlösende Mitteilung über das Verhältnis von Else zu Sedlaezek. Dieser
Zettel wird von der böhmischen Köchin Babnschla richtig ins Schloß gebracht.
Aber da Wolfgang noch nicht außer Bett ist, übernimmt Libussa die Post.
Da sie von Eisen kommt, vermutet sie einen Liebesbrief, verbrennt den Zettel
und läßt von der böhmischen Köchin, die selbst die deutschen Worte, die ihr
Libusfa in die Feder diktirt, kaum versteht, einen andern Brief schreiben, der
den Verzicht Elses auf Wolfgang und die Mitteilung ihres Verlöbnisses mit
Sedlaezek ausspricht. Den verbrannten Zettel hat Libussa (dem Verfasser zu
liebe) nicht gelesen; sie ist gemein genug, einen Brief zu unterschlagen, aber
das Briefgeheimnis achtet sie -- sonst wäre ja schon hier die Komödie aus.
Aber nein! Es wird uns noch das Unglaublichste zugemutet, daß Wolfgang
die Handschrift der Köchin in der That, und obwohl sogar eine Unterschrift
mangelt, für die Schrift Eisens hält und nun, halb genesen, nichts andres
thun kann, als ans dem so verhexten Hanse Knall und Fall davonzulaufen.
Wo aber bliebe die notwendige Verlobung, wenn es so ausginge? Da
springt der Hallodri dem davonjagenden Wolfgang in die Pferde: ob er denn
nicht feine Mitteilung erhalten habe? Nun klärt er ihn mündlich auf, Wolf¬
gang macht kehrtum und kommt gerade wieder zurecht, um den dickschüdligen
Sedlaezek, der an seine Brüderschaft mit Else nicht glauben will, durch die
Zeugenschaft des Hallodri zu besiegen. Nun endlich kann sich das deutsch¬
böhmische Aschenbrödel mit dem strammen preußischen Leutnant verloben, und
auch Arka thut es mit ihrem alten Jugendfreunde, dem Doktor Wohlauf.
Gott sei Dank!


Elfe eidlich eins Wolfgang verzichtet und ihn, Sedlaezek, heiraten will. Um
das Leben des Geliebten zu retten, leistet Elfe diesen Schwur: eine mehr ge¬
schmacklose, als sentimentale Szene, die durch das, was folgt, nicht besser ge¬
macht wird. Kaum ist Sedlaezek sort, um Hilfe zu holen, so erscheint der Hallodri,
jener Strolch, der Wolfgang den Messerstich versetzt hat. Der Hallodri ist
ganz zerknirscht wegen seiner voreiligen Unthat; er hat schon das Zuchthaus
kennen gelernt. Nun erfährt er, daß Else sich mit Sedlaezek unwiderruflich
verlobt hat, und wird darob ganz wild. Das kann nicht sein, das darf er
nicht zugeben. Warum? Er kennt das Geheimnis von Sedlaczeks Geburt,
dieser und Else stammen nämlich von demselben deutschen Vater, sind also
Geschwister, können sich nicht heiraten. Aber anstatt es der verzagten und
verzweifelten Else in schlichter Weise mitzuteilen, wird der meuchelmörde-
rische Hallodri plötzlich so feinfühlig, die keusche Jungfrau mit so unsaubern
Thatsachen nicht bekannt machen zu wollen — oder vielmehr, Hopfen fürchtete
sein Stück zu schnell geschlossen zu sehen; und nun beginnt eine unabsehbare
Reihe geschmackloser UnWahrscheinlichkeiten, bei denen man sich nur fragen
muß, wie der Dichter selbst seine Fehler nicht hat einsehen können. Der
Hallodri schreibt ans einen Zettel, der Wolfgang zugestellt werden soll, die
erlösende Mitteilung über das Verhältnis von Else zu Sedlaezek. Dieser
Zettel wird von der böhmischen Köchin Babnschla richtig ins Schloß gebracht.
Aber da Wolfgang noch nicht außer Bett ist, übernimmt Libussa die Post.
Da sie von Eisen kommt, vermutet sie einen Liebesbrief, verbrennt den Zettel
und läßt von der böhmischen Köchin, die selbst die deutschen Worte, die ihr
Libusfa in die Feder diktirt, kaum versteht, einen andern Brief schreiben, der
den Verzicht Elses auf Wolfgang und die Mitteilung ihres Verlöbnisses mit
Sedlaezek ausspricht. Den verbrannten Zettel hat Libussa (dem Verfasser zu
liebe) nicht gelesen; sie ist gemein genug, einen Brief zu unterschlagen, aber
das Briefgeheimnis achtet sie — sonst wäre ja schon hier die Komödie aus.
Aber nein! Es wird uns noch das Unglaublichste zugemutet, daß Wolfgang
die Handschrift der Köchin in der That, und obwohl sogar eine Unterschrift
mangelt, für die Schrift Eisens hält und nun, halb genesen, nichts andres
thun kann, als ans dem so verhexten Hanse Knall und Fall davonzulaufen.
Wo aber bliebe die notwendige Verlobung, wenn es so ausginge? Da
springt der Hallodri dem davonjagenden Wolfgang in die Pferde: ob er denn
nicht feine Mitteilung erhalten habe? Nun klärt er ihn mündlich auf, Wolf¬
gang macht kehrtum und kommt gerade wieder zurecht, um den dickschüdligen
Sedlaezek, der an seine Brüderschaft mit Else nicht glauben will, durch die
Zeugenschaft des Hallodri zu besiegen. Nun endlich kann sich das deutsch¬
böhmische Aschenbrödel mit dem strammen preußischen Leutnant verloben, und
auch Arka thut es mit ihrem alten Jugendfreunde, dem Doktor Wohlauf.
Gott sei Dank!


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[0042] Elfe eidlich eins Wolfgang verzichtet und ihn, Sedlaezek, heiraten will. Um das Leben des Geliebten zu retten, leistet Elfe diesen Schwur: eine mehr ge¬ schmacklose, als sentimentale Szene, die durch das, was folgt, nicht besser ge¬ macht wird. Kaum ist Sedlaezek sort, um Hilfe zu holen, so erscheint der Hallodri, jener Strolch, der Wolfgang den Messerstich versetzt hat. Der Hallodri ist ganz zerknirscht wegen seiner voreiligen Unthat; er hat schon das Zuchthaus kennen gelernt. Nun erfährt er, daß Else sich mit Sedlaezek unwiderruflich verlobt hat, und wird darob ganz wild. Das kann nicht sein, das darf er nicht zugeben. Warum? Er kennt das Geheimnis von Sedlaczeks Geburt, dieser und Else stammen nämlich von demselben deutschen Vater, sind also Geschwister, können sich nicht heiraten. Aber anstatt es der verzagten und verzweifelten Else in schlichter Weise mitzuteilen, wird der meuchelmörde- rische Hallodri plötzlich so feinfühlig, die keusche Jungfrau mit so unsaubern Thatsachen nicht bekannt machen zu wollen — oder vielmehr, Hopfen fürchtete sein Stück zu schnell geschlossen zu sehen; und nun beginnt eine unabsehbare Reihe geschmackloser UnWahrscheinlichkeiten, bei denen man sich nur fragen muß, wie der Dichter selbst seine Fehler nicht hat einsehen können. Der Hallodri schreibt ans einen Zettel, der Wolfgang zugestellt werden soll, die erlösende Mitteilung über das Verhältnis von Else zu Sedlaezek. Dieser Zettel wird von der böhmischen Köchin Babnschla richtig ins Schloß gebracht. Aber da Wolfgang noch nicht außer Bett ist, übernimmt Libussa die Post. Da sie von Eisen kommt, vermutet sie einen Liebesbrief, verbrennt den Zettel und läßt von der böhmischen Köchin, die selbst die deutschen Worte, die ihr Libusfa in die Feder diktirt, kaum versteht, einen andern Brief schreiben, der den Verzicht Elses auf Wolfgang und die Mitteilung ihres Verlöbnisses mit Sedlaezek ausspricht. Den verbrannten Zettel hat Libussa (dem Verfasser zu liebe) nicht gelesen; sie ist gemein genug, einen Brief zu unterschlagen, aber das Briefgeheimnis achtet sie — sonst wäre ja schon hier die Komödie aus. Aber nein! Es wird uns noch das Unglaublichste zugemutet, daß Wolfgang die Handschrift der Köchin in der That, und obwohl sogar eine Unterschrift mangelt, für die Schrift Eisens hält und nun, halb genesen, nichts andres thun kann, als ans dem so verhexten Hanse Knall und Fall davonzulaufen. Wo aber bliebe die notwendige Verlobung, wenn es so ausginge? Da springt der Hallodri dem davonjagenden Wolfgang in die Pferde: ob er denn nicht feine Mitteilung erhalten habe? Nun klärt er ihn mündlich auf, Wolf¬ gang macht kehrtum und kommt gerade wieder zurecht, um den dickschüdligen Sedlaezek, der an seine Brüderschaft mit Else nicht glauben will, durch die Zeugenschaft des Hallodri zu besiegen. Nun endlich kann sich das deutsch¬ böhmische Aschenbrödel mit dem strammen preußischen Leutnant verloben, und auch Arka thut es mit ihrem alten Jugendfreunde, dem Doktor Wohlauf. Gott sei Dank!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/42>, abgerufen am 05.02.2025.