Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Hans Hopfens Theater reiche Allegorie, in der sich der gute, alte getreue Eckart und die einer Brun- Ein Dramatiker von Beruf ist freilich Hans Hopfen bei all seiner technischen Hans Hopfens Theater reiche Allegorie, in der sich der gute, alte getreue Eckart und die einer Brun- Ein Dramatiker von Beruf ist freilich Hans Hopfen bei all seiner technischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204770"/> <fw type="header" place="top"> Hans Hopfens Theater</fw><lb/> <p xml:id="ID_90" prev="#ID_89"> reiche Allegorie, in der sich der gute, alte getreue Eckart und die einer Brun-<lb/> hilde gleiche „Fee" Borussia als die Vertreter deutscher Nationalcharaktere<lb/> gegenüberstehen. Eckart scheint die Verkörperung des deutschen Zauderns, der<lb/> deutschen Bedenklichkeit, der deutschen Weltbürgerlichkeit, kurzum der unfruchtbaren<lb/> politischen Weisheit der deutschen Professoren zu sein, wie sie sich im Parlament<lb/> in der Paulskirche breit gemacht hat. Borussia vertritt die Entschlossenheit,<lb/> die zur Leitung berufene Klarheit, die frisch zuschlagende Thatkraft. Eckart und<lb/> Borussia lieben sich keineswegs, der Alte warnt vor ihr den deutschen Jüng-<lb/> ling, der (in der Tracht der Burschenschafter) dem Ideal der deutschen Kaiser¬<lb/> krone sehnsüchtig, aber auch nur dies, ohne etwas praktisches zu versuchen,<lb/> nachstrebt. Der getreue Eckart weiß über das Phantom der deutschen Kaiser¬<lb/> krone nur zu spotten, er kramt greisenhafte Weisheit aus. Sobald aber der<lb/> Jüngling die Fee Borussia kennen lernt, da füllt er von Eckart ab, und die<lb/> Fee hämmert eine greifbare Kaiserkrone zurecht. Der Kultus des Preußentums,<lb/> der in diesem Festspiele zu Tage tritt, ist aber bei Hans Hopfen durchaus<lb/> nicht bloß Erzeugnis einer festlichen Gelegenheit. Er war kein schmeichelnder<lb/> Hofdichter, als er ihm in jenem Festspiel Ausdruck gab. Schon vor zwanzig<lb/> Jahren, unmittelbar nach dem Siege Preußens über Österreich, hat er sich<lb/> mit Begeisterung für Preußen erklärt und dessen Beruf als deutsche Vormacht<lb/> in dein politisch-satirischen Tendenzschauspiel „Aschenbrödel in Böhmen" ent¬<lb/> schieden betont. In einem zweiten Schauspiel aus dem Frühjahre 1870 „In<lb/> der Mark" hat Hopfens politisches Bekenntnis dann eine künstlerisch ungleich<lb/> reinere Form gefunden. Diese beiden größern Dichtungen sind biographisch<lb/> der richtige Hintergrund für die zwei vaterländischen Festspiele — das zweite<lb/> zur Jahrhundertfeier König Ludwigs von Baiern —, die in den letzten zwei<lb/> Jahren entstanden sind, und die den Dichter zur Bühne zurückführten, die<lb/> er (unsers Wissens) seit jenen ersten Versuchen nicht wieder betreten hatte.<lb/> Die politische, oder sagen wir lieber die nationale Begeisterung ist demnach<lb/> das herrschende Pathos in Hans Hopfens „Theater." Deswegen legt man es<lb/> anch mit wahrer Erhebung ans der Hand, so viele Bedenken sich auch rein<lb/> künstlerisch dagegen, erhebeu mögen. Es ist eine kräftige, männliche Luft, die<lb/> mau eingeatmet hat, und das erlebt man nicht alle Tage. Unser gewöhnliches<lb/> Bühnenreperlvire führt uns ja meist nur die wohlbekannten zänkischen Schwieger¬<lb/> mütter und kecken Backfische, die Pantoffelhelden und Schwindler oder wieder<lb/> einen neuen Ehebruch vor. Die große Erhebung, die echt nationale Dichtung<lb/> gewähren kann, erleben wir selten, und dann nur bei deu Alten. Wie ein<lb/> Schauspiel vom Schlage des „In der Mark" von den Bühnen verschwinden<lb/> konnte, ist uns trotz seiner Schwächen unbegreiflich.</p><lb/> <p xml:id="ID_91" next="#ID_92"> Ein Dramatiker von Beruf ist freilich Hans Hopfen bei all seiner technischen<lb/> Gewandtheit und unleugbaren Gestaltungskraft streng genommen nicht. Er<lb/> selbst dürfte diese Erkenntnis schon vor zwanzig Jahren, trotz des eben hervor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Hans Hopfens Theater
reiche Allegorie, in der sich der gute, alte getreue Eckart und die einer Brun-
hilde gleiche „Fee" Borussia als die Vertreter deutscher Nationalcharaktere
gegenüberstehen. Eckart scheint die Verkörperung des deutschen Zauderns, der
deutschen Bedenklichkeit, der deutschen Weltbürgerlichkeit, kurzum der unfruchtbaren
politischen Weisheit der deutschen Professoren zu sein, wie sie sich im Parlament
in der Paulskirche breit gemacht hat. Borussia vertritt die Entschlossenheit,
die zur Leitung berufene Klarheit, die frisch zuschlagende Thatkraft. Eckart und
Borussia lieben sich keineswegs, der Alte warnt vor ihr den deutschen Jüng-
ling, der (in der Tracht der Burschenschafter) dem Ideal der deutschen Kaiser¬
krone sehnsüchtig, aber auch nur dies, ohne etwas praktisches zu versuchen,
nachstrebt. Der getreue Eckart weiß über das Phantom der deutschen Kaiser¬
krone nur zu spotten, er kramt greisenhafte Weisheit aus. Sobald aber der
Jüngling die Fee Borussia kennen lernt, da füllt er von Eckart ab, und die
Fee hämmert eine greifbare Kaiserkrone zurecht. Der Kultus des Preußentums,
der in diesem Festspiele zu Tage tritt, ist aber bei Hans Hopfen durchaus
nicht bloß Erzeugnis einer festlichen Gelegenheit. Er war kein schmeichelnder
Hofdichter, als er ihm in jenem Festspiel Ausdruck gab. Schon vor zwanzig
Jahren, unmittelbar nach dem Siege Preußens über Österreich, hat er sich
mit Begeisterung für Preußen erklärt und dessen Beruf als deutsche Vormacht
in dein politisch-satirischen Tendenzschauspiel „Aschenbrödel in Böhmen" ent¬
schieden betont. In einem zweiten Schauspiel aus dem Frühjahre 1870 „In
der Mark" hat Hopfens politisches Bekenntnis dann eine künstlerisch ungleich
reinere Form gefunden. Diese beiden größern Dichtungen sind biographisch
der richtige Hintergrund für die zwei vaterländischen Festspiele — das zweite
zur Jahrhundertfeier König Ludwigs von Baiern —, die in den letzten zwei
Jahren entstanden sind, und die den Dichter zur Bühne zurückführten, die
er (unsers Wissens) seit jenen ersten Versuchen nicht wieder betreten hatte.
Die politische, oder sagen wir lieber die nationale Begeisterung ist demnach
das herrschende Pathos in Hans Hopfens „Theater." Deswegen legt man es
anch mit wahrer Erhebung ans der Hand, so viele Bedenken sich auch rein
künstlerisch dagegen, erhebeu mögen. Es ist eine kräftige, männliche Luft, die
mau eingeatmet hat, und das erlebt man nicht alle Tage. Unser gewöhnliches
Bühnenreperlvire führt uns ja meist nur die wohlbekannten zänkischen Schwieger¬
mütter und kecken Backfische, die Pantoffelhelden und Schwindler oder wieder
einen neuen Ehebruch vor. Die große Erhebung, die echt nationale Dichtung
gewähren kann, erleben wir selten, und dann nur bei deu Alten. Wie ein
Schauspiel vom Schlage des „In der Mark" von den Bühnen verschwinden
konnte, ist uns trotz seiner Schwächen unbegreiflich.
Ein Dramatiker von Beruf ist freilich Hans Hopfen bei all seiner technischen
Gewandtheit und unleugbaren Gestaltungskraft streng genommen nicht. Er
selbst dürfte diese Erkenntnis schon vor zwanzig Jahren, trotz des eben hervor-
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